Rezension Rezension (3/5*) zu Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (PAN) von Maxime Chattam.

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Originell und einfallsreich, aber nicht immer glaubhaft

Im französischen Original gibt es inzwischen sechs Bände der Reihe "Autre Monde", der siebte erscheint im November 2016. Ins Deutsche übersetzt wurden nur die ersten drei, und es gibt wohl auch keine Pläne, die restlichen noch zu veröffentlichen. Aber der dritte Band beantwortet einige Fragen (wenn auch leider nicht alle), die sich in den ersten beiden Bänden ergeben haben, und endet zumindest an einer Stelle, an der man die Geschichte ganz gut stehen lassen kann.

Eine der großen Stärken dieser Reihe ist der unglaubliche Einfallsreichtum, mit dem der Autor den Lesern seine komplexe postapokalyptische Welt näherbringt. Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken, wenn man Matt, Ambre und Tobias auf ihren Reisen folgt - neue Mutationen, neue Stämme von Pans, die ihre ganz eigene Gesellschaft aufgebaut haben, einfallsreiche neue Arten, die nicht mehr funktionierende Technologie zu ersetzen.

Auch die Spannung kommt nicht zu kurz: in diesem Band dauert es zwar ein paar Kapitel, bis die Geschichte in Gang kommt - dann prescht sie aber auch in irrsinnigem Tempo los, mit jeder Menge Action. Manchmal war mir das sogar ein wenig zu viel des Guten und ich hätte mir mehr Atempausen gewüscht, in denen man dann zum Beispiel mehr darüber erfährt, wie diese neue Welt funktioniert.

Denn nach wie vor ist für mich eine der großen Schwächen der Reihe, dass nicht alles schlüssig und glaubhaft erklärt wird. Am Ende des dritten Bandes ist die große Katastrophe gerade mal fünfzehn Monate her. Fünfzehn Monate, in denen anscheinend ganze Städte errichtet wurden, neue Gesellschaftsformen entwickelt, neue Währungssysteme ersonnen, neue Religionen verbreitet... Wo kommen auf einmal die ganzen Erwachsenen her, die anscheinend Waffen und Rüstungen schmieden können? Wieo können die Kinder jagen, nähen, backen, Landwirtschaft betreiben, und das alles ohne moderne Maschinen und technische Hilfsmittel? Würde es nicht länger dauern als ein paar Monate, bis die Menschen alte Fähigkeiten wiederentdecken?

Aber noch mehr hat mich gestört, dass die durchaus wichtige ökologische und soziale Botschaft des Buches dem Leser sehr plump aufgedrängt wird. Besonders auf der Religionskritik wird in diesem Band immer wieder und wieder herumgeritten, und das sehr undifferenziert. Überhaupt sind die Dinge in Alterra meist sehr klar aufgeteilt in gut und böse - mit nur wenigen Graustufen zwischen schwarz und weiß.

Die drei Hauptcharaktere Matt, Ambre und Tobias fand ich sympathisch und glaubhaft geschrieben. Sie haben ihre Stärken und Schwächen und sind spürbar an ihren Herausforderungen gewachsen, und so konnte ich gut mit ihnen mitfühlen und -fiebern. Auch ein paar der anderen Pans sind liebenswerte und/oder interessante Gestalten.

Aber bei vielen der anderen Charaktere hatte ich genau das Gefühl, das ich eben beschrieben habe: dass sie sehr genau aufgeteilt sind in gut und böse. Die Erwachsenen sind scheinbar alle entweder grausame Bösewichte oder dumme Mitläufer (bis auf eine einzige Ausnahme).

Das hat fast etwas Märchenhaftes, denn auch im Märchen gibt es wenig zwischen diesen Extremen! Aber für eine an sich komplexe Welt wie Alterra, mit einer so interessanten Grundidee, war mir das schlicht zu einfach und flach.

Ein wenig Romantik gibt es in diesem Buch auch, aber das spielt eine eher untergeordnete Rolle.

Der Schreibstil hat mir wieder gut gefallen. Maxime Chattam vermittelt mit vielen bunten Details eine sehr dichte Atmosphäre, so dass sich das Buch flüssig und unterhaltsam lesen lässt. Die Dialoge lasen sich für mich manchmal ein klein wenig gestelzt und holprig, aber ich bin mir nicht sicher, ob das am Buch an sich liegt oder der Übersetzung.

Fazit:
Auch im dritten Band der Reihe "Alterra" bietet Maxime Chattam dem Leser eine Vielzahl an originellen Ideen und bunten Details, und nach den ersten Kapiteln entwickelt die Geschichte ein irrsinniges Tempo mit jeder Menge Action. Deswegen liest sie sich durchau spannend und unterhaltsam - krankt aber in meinen Augen daran, dass a) vieles nicht schlüssig (oder überhaupt) erklärt wird, b) dem Leser die Botschaft sehr mit dem Holzhammer eingebläut wird und c) viele der Charaktere sehr stereotyp entweder gut oder böse sind.

Deswegen konnte mich das Buch trotz der originellen Einfälle und dem sehr angenehmen Schreibstil nur so halbwegs von sich überzeugen.