Rezension Rezension (3/5*) zu 4 3 2 1 von Paul Auster.

Literaturhexle

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2. April 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu 4 3 2 1 von Paul Auster
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Tolle Grundidee, deren Sog mich aber zunehmend verlassen hat


Der Inhalt des Buches wurde hier schon hinreichend wiedergegeben. Paul Auster hat im Kern die Geschichte des jungen Archie Ferguson in vier Varianten aufgeschrieben. Diese Grundidee fand ich sehr interessant: Was wäre wenn? Wir entwickelt sich ein Charakter, wenn sich schon früh im Leben die Lebensumstände, Bedingungen und Beziehungen verändern.

Von Beginn an war ich von dem Buch regelrecht gefesselt. Auster hat einen sehr schönen Sprachstil, die langen Sätze lesen sich flüssig, viele Stellen habe ich markiert. Das alleine recht natürlich nicht. Hinzu kamen viele beeindruckende Ideen. Gerade während der Kindheit des Protagonisten (Kapitel 1 und 2) gab es wirklich unterschiedliche Entwicklungen: mal waren die Eltern glücklich in bescheidenen Verhältnissen, mal vernachlässigt der Vater die Familie, was zur Trennung führt, mal kommt er tragisch und Leben und so weiter. Die verwandtschaftlichen Beziehungen ändern sich, Archie macht unterschiedliche (auch unerfreuliche) Erfahrungen in den verschiedenen Schulen… alles auch psychologisch glaubhaft und spannend zu lesen.
Spätestens ab Seite 400 hat mich das Buch dann verlassen…

Immer noch gab es die unterschiedlichen Verläufe. Diese ähnelten sich aber meines Erachtens zu sehr. Immer (bis auf einen Verlauf) studiert Archie. Oft hat er seine Liebe Amy, der er nachtrauert, von der er nicht loskommt, die er vermisst. Die meisten gefühlten Wiederholungen betreffen aber das Studentenleben. Die 1960er Jahre waren noch geprägt von Rassenkonflikten und insbesondere Protesten gegen den Vietnamkrieg. Archie agiert da immer mitten drin, diese ganzen Details über die einzelnen Maßnahmen, die Namen, die Straßenschlachten….

Für einen Amerikaner eventuell interessant, als Teil der eigenen Geschichte? Vielleicht bin ich zu Jung, außer Malcom X und Martin Luther King sagte mir keiner etwas… Vieles an der amerikanischen Geschichte war auch sehr interessant zu lesen – wenn es nicht zu episch ausgebreitet wurde.

Archie liebt Bücher, Filme und möchte Schriftsteller werden. Immer. In jedem Verlauf. Dadurch werden viele verschiedene Autoren, Schriftsteller und Titel (manchmal aneinandergereiht über eine halbe Seite) genannt. Mir wiederholt auch zu viel. Auch seine Bemühungen, etwas zu veröffentlichen…immer wieder.

Jetzt höre ich auf, es gäbe aber weitere Beispiele.
Zum Ende hin nahm die Geschichte wieder etwas Fahrt auf, die Komposition wurde schlüssig zum Ende gebracht.

Es handelt sich um einen durch und durch amerikanischen Entwicklungsroman, der die großen amerikanischen Themen (inklusive der Homosexualität) aufgreift.
Auster ist bestimmt ein guter Autor, gern werde ich nochmal ein kürzeres Werk von ihm lesen. Die Grundidee des Romans fand ich faszinierend, hat sich aber in meinen Augen zunehmend durch die Ähnlichkeiten der Varianten verloren.
Es war für mich ein neues Gefühl, ein Buch, das ich im ersten Viertel wirklich herausragend fand, mit zunehmender Lektüre einfach nur noch fertig kriegen zu wollen. Schade.
Vielleicht muss ein Buch über 1258 Seiten aber auch Längen haben und man muss das Querlesen von vorn herein einplanen?




von: Carsten Sebastian Henn
von: Kristin Hannah
von: Simone de Beauvoir
 

Momo

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10. November 2014
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Also, für einen kürzeren Auster wäre ich auch zu haben. Könnten wir ja zu dritt lesen, wobei ich einen Austausch eher über Telefon präferiere. Das Schriftlich strengt mich zu sehr an. Nicht immer leicht, literarische Gedanken schriftlich in Worte zu fassen, schon gar nicht nach einem Arbeitstag. Mal schauen.

Liebe Grüße
Momo
 
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MRO1975

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11. August 2018
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Auch wenn mir das Buch sehr gut gefallen hat, kann ich Deinen Eindruck nachvollziehen. Für mich waren es gerade die kleinen Unterschiede in den Varianten, denen ich detektivisch nachgespürt habe. Aber das ist nicht Jedermanns Sache. Und ich gebe zu, dass einige der geschichlichen Ausführungen zu lang geraten sind. Gerade im hinteren Teil nehmen die Studentenunruhen im Frühjahr 1968 gefühlte 100 Seiten ein. Das war mir auch zu lang.
 
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2. April 2017
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Auch wenn mir das Buch sehr gut gefallen hat, kann ich Deinen Eindruck nachvollziehen. Für mich waren es gerade die kleinen Unterschiede in den Varianten, denen ich detektivisch nachgespürt habe. Aber das ist nicht Jedermanns Sache. Und ich gebe zu, dass einige der geschichlichen Ausführungen zu lang geraten sind. Gerade im hinteren Teil nehmen die Studentenunruhen im Frühjahr 1968 gefühlte 100 Seiten ein. Das war mir auch zu lang.
Das tut mir schon gut, dass du meine Kritik nachvollziehen kannst. Jeder liest ja anders.
Ich könnte mir aber ich vorstellen, dass kein Lektor der Welt es wagen würde, einem Paul Auster oder John Irving Kürzungen vorzuschlagen o_O
Also müssen wir uns durch die ein oder andere Länge lesen.
 
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