Rezension (2/5*) zu Kreutzersonate: Novelle - Penguin Edition von Leo Tolstoi

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.624
21.915
49
Brandenburg
Niedere Instinkte

Kurzmeinung: Rechtfertigte keine Neuauflage.

Der Inhalt dieser Novelle, die in meinen Augen zu den schwachen Werken der Weltliteratur gehört, ist schnell erzählt. Ein eifersüchtiger Kerl der höheren gebildeten Schichten Rußands, bringt aus Eifersucht seine Gattin um.

Mag sein, dass es zu Lebzeiten Tolstois (1828-1910) schon ein unerhörtes Novum und eine unerhörte Gesellschaftskritik war, wenn man geradeheraus über Sex sprach und Tolstois Figuren sprechen über Sex. Allerdings verwechseln sie Sex mit Liebe. Und von Spielarten der Liebe ist überhaupt nicht die Rede. Nicht von Agape, nicht von der Philia, es wird allein auf den Eros abgestellt. Das ist viel zu kurz gegriffen.

Mag also sein, dass es schon dann Gesellschaftskritik ist, wenn Tolstoi seinen Helden sich darüber beklagen lässt, wie verdorben die jungen Männer der höheren Gesellschaftsklasse wären, wenn sie vor der Ehe jede Menge Sex mit Bezahlmädchen haben und auf nichts anderes als auf Fleischeslust auswären, wenn sie heiraten. Und dann ihre Frauen betrügen.

Und wie es doch mit zweierlei Maß zu messen sei, wenn man von den jungen Mädchen reine sexuelle Unschuld (und in aller Regel auch Unwissenheit) verlangt. Da hat er ja recht. Nur die Schlüsse, die sowohl Autor wie auch Protagonist daraus ziehen, lassen einem Leser des 21. Jahrhunderts die Haare zu Berge stehen und die Fussnägel sich kräuselnd aufrollen.

Die Frauen sind nämlich schuld. Wer hätte es gedacht? Wer denn sonst? Und der Trieb an sich. Aber niemals der arme Mann selber, der ja nicht mehr anders kann, weil er wie ein Tier dem Sexus ausgeliefert sei. Mei, mei, mei, da fällt mir nichts mehr ein. In was für tolldreiste Ideen hat sich der Autor hineingesteigert, der selber mit einer 16 Jahre jüngeren Frau verheiratet war, so dass man auf biografische Analogien geradezu gestoßen wird.

Fazit: Mit diesem Werk hätte der Autor, Leo N. Tolstoi, der mit seinem Roman Krieg und Frieden zutiefst beeindruckt hat, mich beinahe dazu veranlasst, seine Gips-Büste an die Wand zu pfeffern, wenn ich denn eine gehabt hätte.

Kann aber natürlich auch sein, dass ich das Werk nicht verstanden habe. Ich bin ja nur eine Frau. Kann aber auch sein, dass ich beim nächsten Flohmarkt gezielt nach einer solchen Büste Ausschau halte.

Kategorie: Klassische Literatur
Verlag: Penguin, 2021
 
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