Rezension (2/5*) zu Eine Art Familie von Jo Lendle

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Buchinformationen und Rezensionen zu Eine Art Familie von Jo Lendle
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"Drei eigenartige Menschen, von Zufällen zusammengewürfelt"

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte Ludwig Lendles, der im ersten Weltkrieg als Soldat gedient hat und dort seine große Liebe Gerhard kennen gelernt hat. Zeit seines Lebens ist es ihm nicht möglich seine Homosexualität offen auszuleben, statt dessen lebt er in einer Art Familie.

Seine Familie besteht aus Alma Grau, deren Vater als Gardist bei einem Attentat im Jahr 1912 ums Leben kommt. Tragischerweise stirbt auch ihre Mutter auf dem Weg zu ihrem toten Mann. Da ist Alma 11 Jahre alt und nachdem sie in einigen Pflegefamilien gelebt hat, wird sie zu ihrem Paten geschickt: Ludwig Lendle, der jedoch kaum älter als sie und auch nicht mit ihr verwandt ist. Er liebt klassische Musik und ist noch im Studium. In der Wohnung, die er vom Ehepaar Mensch gemietet hat, lebt auch die Haushälterin Fräulein Paula Gerner, gemeinsam bilden sie ein Zweckgemeinschaft, die mit wenigen Unterbrechungen, bis zum Lebensende Ludwigs bestehen bleibt.

Der Roman erzählt die verschiedenen Lebensstationen Ludwigs, der der Großonkel des Autors ist, der Ludwigs Tagebuchaufzeichnungen gefunden hat und auf deren Basis diese Biographie entstanden ist. Das Tagebuch, in dem auch Alma immer heimlich gelesen hat, scheint recht sachlich und trocken formuliert zu sein, so dass auch der Roman selbst relativ nüchtern erscheint und nur wenig Innensicht bietet - am ehesten noch erfahren wir Almas Gedanken, die sich in ihren Paten verliebt - hoffnungslos.

Wilhelm, Ludwigs Bruder, wird überzeugter Nationalsozialist, während er selbst sich politisch neutral verhält, allerdings mit Giftgasen und ihren Gegenmitteln experimentiert. Seine Notizen bleiben auch in dieser Lebensphase nüchtern, selbst beim Anblick der jüdischen Ghettos - ein Umstand, der meines Erachtens stärker hätte problematisiert werden müssen.

Nach dem Krieg bleibt er zunächst im Osten, in Leipzig, gelangt jedoch noch lange vor dem Mauerbau in den Westen. Eine Episode, die recht interessant erzählt wird. Immer wieder rückt auch Alma in den Mittelpunkt, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und von Ludwig finanziell unterstützt wird. Am Ende des Romans steht der Vater des Autors im Fokus.

Der Roman schildert das Leben Ludwig Lendles, bietet einen Einblick in die deutsche Geschichte nach dem 1.Weltkrieg bis zum Ende der 60er Jahre, Alltagsgeschichte sozusagen. Auch Almas Entwicklung wird erzählt, obwohl ich den Eindruck habe, dass sie sich nur wenig verändert. Daneben enthält der Roman teilweise interessante Gedanken und Denkanstöße, trotzdem hat mich die Lektüre eher gelangweilt. Man springt von Lebensstation zu Lebensstation, ohne dem Menschen Ludwig Lendle wirklich nahe zu kommen. Das mag an der Außenperspektive liegen oder auch daran, dass diese Lebensgeschichte mich nicht ausreichend interessiert hat oder auch an der episodenhaften Erzählweise. Nur die Sprache hat mir gefallen.

Insgesamt kein Roman, den ich weiterempfehlen würde.