Rezension Rezension (2/5*) zu Die allertraurigste Geschichte von Ford Madox Ford.

S

Sylli

Gast
Buchinformationen und Rezensionen zu Die allertraurigste Geschichte von Ford Madox Ford
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Verwirrende Verhältnisse

Worum es geht
In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg verbringen zwei Ehepaare, die Ashburnhams und die Dowells, ihre Sommerfrische regelmäßig in Bad Nauheim, ehe tragische Ereignisse diese vermeintliche Idylle zerstören. John Dowell, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt, erkennt erst nach dem Tod seiner Frau Florence deren wahren Charakter. Aber auch Edward Ashburnham ist nicht der moralisch tadellose Offizier, der er zu sein vorgibt.

Wie es mir gefallen hat
Der Inhaltsangabe nach habe ich mir eine spannende Geschichte erwartet, große Gefühle, heftige Leidenschaften, einen dramatischen Schlussakkord, und das alles auf hohem sprachlichem Niveau.
Angefangen hat das Buch auch gar nicht schlecht, eher geheimnisvoll, voller Andeutungen seitens des Erzählers, die die Neugier des Lesers wecken. Bald aber wird klar, dass nichts von dem zutrifft, was ich mir erhofft habe. Gewiss passieren Tragödien, der Erzähler erwähnt sie aber fast wie nebenbei, so als würde er von der Wetterlage oder einer Menüfolge berichten. Es ist ihm überhaupt nicht gelungen, mich emotional am Geschehen zu beteiligen, es gab keine Figuren, die meine Sympathie fanden, niemanden mit dem ich mitleben und mitleiden konnte. Fern und fremd, fast theatralisch in ihrem Verhalten, irrlichtern sie durch die Seiten, weshalb es mir auch nicht möglich war, sie mir als fühlende, liebende Wesen vorzustellen.
Gewiss verliefen Ehen vor 100 Jahren anders als heute, waren unglückliche Frauen Gefangene ihres Standes, mussten Geliebte und Lieblosigkeiten ertragen - und doch ließe sich diese Realität wohl auch lebensnäher darstellen. Genauso eigenartig wie die Protagonisten waren auch die Nebendarsteller, die eigentlich Hauptdarsteller hätten sein sollen, Edwards zahlreiche Geliebte oder Florences Liebhaber. Weder den Ehebrechern noch den Betrogenen konnte der Autor Profil verleihen, keiner vermag das Herz des Lesers zu berühren.
Stilistisch gesehen hat mir der Roman ebenfalls nicht zugesagt. Die Sprache war mir zu gefühllos und zu distanziert, weder Wärme, noch Anteilnahme, aber auch keine Wut oder Trauer spricht aus den Worten des Erzählers, der zugleich ja auch Beteiligter war.
Bestimmt war diese Geschichte nicht die allertraurigste, wohl aber die allerseltsamste, die ich je gelesen habe.

© Sylli

 
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