Rezension Rezension (2/5*) zu Der Sprung von Simone Lappert.

Anjuta

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8. Januar 2016
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Angerissene Geschichten um Kleinstadtbürger

Simone Lappert führt uns in ihrem Buch „Der Sprung“ in eine deutsche oder schweizerische Kleinstadt. In dieser Kleinstadt ist das normale Leben ihrer Bürger an dem Tag, der hier erzählt wird, aus den normalen Bahnen geworfen. Denn die Aufmerksamkeit vieler Bürger und auch der anwesenden Medien richtet sich auf ein Ereignis, das die Tagesabläufe bestimmt und auf neue Bahnen lenkt. Eine Frau, die auf dem Dach im Zentrum dieser Kleinstadt steht, um vermeintlich durch einen Sprung in die Tiefe Suizid zu begehen (am Ende erweist sich alles als großes Missverständnis), zieht die Aufmerksamkeit vieler auf sich. Es entwickelt sich eine medial ausgeschlachtete Katastrophenbegeisterung unter den Zuschauern.

Lappert wandert in ihrem Buch in dieser Situation quasi durch die Stadt und greift sich eine Reihe von Personen (Freund, Schwester, Polizist und sieben Andere) heraus, von denen dann jeweils eine Pate steht für ein Kapitel. In diesen Kapiteln erfahren wir etwas über diese Personen und ihr Schicksal sowie das Handeln während und rund um die oben beschriebene Sprung-Situation in der Stadt. Der Verlag verspricht in seinem Klappentext dabei einen „lebensprallen Roman“ mit Figuren, für die “danach nichts mehr ist wie zuvor“.

All das habe ich in diesem Roman leider nicht gefunden. Ich habe vielmehr sprunghafte, nur ansatzweise erzählte Schicksale rund um die Mittelmäßigkeit dieser Kleinstadt und ihrer Bewohner gefunden, die tatsächlich kurz aufgerüttelt wird/werden, aber nach dem Vorfall dann ganz schnell wieder in die mittelmäßige Normalität zurückfindet/n. Keine der Personen und keiner der Erzählstränge erscheint mir tatsächlich auserzählt. Immer wenn ich die Hoffnung hatte, dass es nun in die Tiefe gehen könnte, gab es wieder einen Schnitt und wieder eine andere Figur rückte für kurze Zeit in den Vordergrund. Der Roman hat mich deshalb komplett unzufrieden mit der Lektüre zurückgelassen. Mein Versuch, einen Ausgleich im sprachlichen Ausdruck der Autorin zu finden, scheiterte dann leider gleichfalls. Immer wieder kommen im Roman Sätze vor, die mir auf hanebüchene Art einfach nur aufgeplustert erscheinen.
Wie etwa:
"Wie eine Lawine donnerte die Ironie der Situation ihr entgegen und riss als Erstes ihre Beherrschung mit." (S. 304)
"Kalt wollte sie Hannes erwischen, eiskalt, so kalt, dass er keine Zeit haben würde, faule Ausreden aus dem Gefrierfach seiner Gleichgültigkeit aufzutauen." (S. 317)

Ich glaube, noch nie hat mich ein Roman aus dem von mir sehr geschätzten Diogenes-Verlag so enttäuscht. Schade!


 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wie schade, @Anjuta! Deine Rezension fühlt sich an wie ein Tiefschlag. Ich kann deine Kritik in Gänze nachvollziehen. Es gab allerdings auch schönere Sätze als die von dir genannten;)
Mich hat das Flache auch gestört: gut abgesprungen und schlecht gelandet. Allerdings war für mich Joel Dickers Roman über Stephanie Mailer weit schwerer erträglich.
 

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