Rezension (2/5*) zu Der falsche Gruß: Roman von Maxim Biller

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
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Dogmen-Verwirrung

“Der falsche Gruß”, der titelgebend für den neuen Roman von Maxim Biller ist, unterläuft dem Autoren Erck Dessauer gegenüber seinem Rivalen Barsilay in Form des Hitlergrußes in aller Öffentlichkeit. Diese Szene ist ein Kulminationspunkt in der Rivalitätsgeschichte dieser beiden Autoren, die Bücher im selben Verlag mit unterschiedlichem Erfolg veröffentlichen. Sein Verhältnis zu Barsilay bewegt Erck über den gesamten, recht kurzen Roman hinweg. Es geht dabei um Zuordnungen zu den dogmatisch antipodischen und historisch kritischen Richtungen der deutschen Geschichte: Nazismus oder Sozialismus, sowie zum Semitismus/Antisemitismus. Es ist ein Verhältnis, das geprägt ist von Neid und Missgunst, wenig von sachlich, pragmatischen Einschätzungen und Bewertungen. Mir als Leserin wurde dabei nie so ganz klar, wer der beiden sich wie gegenüber welcher Strömung positioniert. Jeder ist von allen Richtungen eben sehr stark mitgeprägt, ob gewollt oder nicht. Und so zeigt Biller dem Leser in diesem kleinen Roman die unausweichliche Verquickung der Deutschen in die historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Keiner scheint frei von einem Einfluss aller dieser Strömungen und schwankt ständig dazwischen hin und her. So verwischen die Grenzen zwischen den Dogmen und ERck selber benutzt den „falschen Gruß“, um eigentlich damit sein Gegenüber zu denunzieren, denunziert sich aber nur selbst, der sich eigentlich viel mehr dem anderen Dogma zugehörig fühlt. Diese Geschichte führte für mich dann dazu, dass Nazismus und Sozialismus/Kommunismus und deren Vertreter (Hitler/Stalin) immer näher zusammenrücken. Es kommt zu einer annähernden Gleichstellung, Abhängigkeit, kausalem Zusammenhang:
<I><B> " War Hitler … vielleicht wirklich nur die Antwort auf Stalin gewesen? Hatten die Nationalsozialisten tatsächlich allein aus taktischen Gründen die exterminatorische Sprache und Praxis der Bolschewiken übernommen? Und hatten sie gar keine andere Wahl gehabt bei der Verteidigung des Westens, dessen Ostteil nach dem verlorenen Krieg eine Zeitlang ach zu meinem persönlichen Nachteil dem Westteil Asiens zugeschlagen wurde?“</I></B>
Hier klingt der Historikerstreit der 80er Jahre an, den die Wissenschaft damals ausgiebig und kritisch beleuchtet hat und ich stelle mir die Frage, ob die damals aufgeworfene heiße Frage nach so langer Zeit nochmal eine fiktionale Aufbereitung dieser Art brauchte??? Meine drei Fragezeichen machen wohl deutlich: Ich meine, eher nicht!
Als Fazit kann ich also sagen: Für mich kein überzeugender Beitrag zu einer Frage, die mich nicht mehr bewegt. Mich hat dieser Roman deshalb nur irritiert und unausgefüllt zurückgelassen. Mich konnte das „didaktische Vergnügen am Widersprüchlichen“ (Klappentext) nicht gefangen nehmen. Aber vielleicht bin ich einfach nur nicht schlau genug für dieses Buch. Und muss mich deshalb als beschränkte Leserin zu 2 Sternen durchringen.


 
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