Rezension (2/5*) zu Der Engelmacher: Roman von Stefan Brijs

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.552
16.305
49
Rhönrand bei Fulda
Fader Thriller ohne Thrill

Das Klonschaf Dolly starb, ich habe es gerade nachgesehen, 2003. Das erklärt vielleicht die Hype um dieses Buch, als es 2005 erschien. Die Krimi-Couch gibt, wenn ich mich richtig erinnere, 92 (von 100 möglichen) Punkten, ich freute mich also auf dieses Buch, in dem es um Klonen geht. Ich habe es auch zu Ende gelesen, es ist kein totaler Reinfall, aber die 92 Punkte ist es nicht wert.


Der Roman spielt in Belgien im Dreiländereck, in einem Ort namens Wolfheim, den ich auf der Karte nicht finde, vermutlich ist er fiktiv. Der Arzt Viktor Hoppe kommt in seinen Heimatort, eben dieses Wolfheim, zurück. Bei sich hat er seine eineiigen Drillinge, aber keine Mutter dazu; die gibt es nicht. Obendrein sehen die Drillinge, die auf die Namen der Erzengel Michael, Gabriel und Raphael getauft sind, nur ihm ähnlich. Sie haben sogar die gleiche Lippen-Gaumen-Spalte, mit der er selbst geboren wurde (natürlich operiert). Ein bisschen gruselig ist das schon, zumal Doktor Hoppe von jeher ein Sonderling war.


Der Roman spielt auf drei Zeitebenen. Einmal wird berichtet, wie Doktor Hoppe sich in Wolfheim einrichtet und für seine Drillinge eine Kinderfrau nimmt, die dringend benötigt wird, denn er selbst kümmert sich gar nicht (außer die Kinder ständig zu messen und zu wiegen). In der zweiten Zeitebene wird seine eigene Kindheit und Jugend erzählt. Hier wird es gallebitter, denn er galt als schwachsinnig, weil er nicht sprach, und wurde in ein Kloster - in diesem Fall eine Verwahranstalt für nicht beschulbare Kinder - gesteckt. Wie sich später herausstellt, war bzw. ist Viktor Hoppe eher sowas wie ein "savant" mit Asperger-Syndrom, später erweist er sich sogar als Genie. Doch der Klosterdrill steckt ihm bis ins Erwachsenenalter in den Knochen. Im dritten Zeitstrang, der in kurzen Kapiteln alternierend zu seiner Jugendzeit erzählt wird, erfahren wir von seiner Universitätskarriere (vom Schwachsinn zum Wissenschaftler!) und wie er zu seinen mutterlosen Drillingen gekommen ist.


Wenn man sich für das Thema Klonen interessiert, kann man das schon mit Gewinn lesen. Ein spannender Plot ist vorhanden und auch fachlich schreibt der Autor keinen Unsinn. Woran es leider fehlt, ist das Händchen für Spannungsaufbau und einfühlsames Schreiben. Speziell im Bereich Charakterisierung kann man hier nur die Karte 0,1 ziehen. Es gibt eine Vielzahl von Personen und darunter ganze zwei halbwegs interessante: die Kinderfrau und Viktor Hoppe selbst. Von letzterem vor allem der Erzählstrang über seine Kindheit. Hier geht man gerne mit, soweit bei den geschilderten Zumutungen von "gerne" die Rede sein kann. Als Erwachsener ist Hoppe eine undurchsichtige Person, noch nicht einmal seine Besessenheit beim Thema Klonen - eine ungute Mischung aus religiösem und wissenschaftlichem Impetus - nimmt man ihm so recht ab. Die Kinderfrau ist sympathisch, aber allzu lange dürfen wir sie leider nicht begleiten. Fazit: kann man sich sparen!

 
  • Haha
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