Rezension (2/5*) zu Besetzte Gebiete: Roman von Arnon Grünberg

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Besetzte Gebiete: Roman von Arnon Grünberg
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Wie immer: eine Frage des Geschmacks. Meiner war es nicht...

Zum Inhalt verweise ich diesmal auf den doch recht ausführlichen Klappentext. In Kurzform gebracht: ein jüdischer aber nichtgläubiger Psychiater flieht vor den medialen Verleumdungen in den Niederlanden ins Westjordanland. Dort verliebt-verlobt er sich Hals über Kopf in seine Großgroßgroßcousine Anat und gerät dadurch in eine absurde Situation nach der anderen.

Die vorgestellten Charaktere wirken vollkommen überzogen, was zu dem satirischen Stil des Romans jedoch auch wieder passt. Gefallen müssen einem die vorgestellten Personen deswegen aber nicht. Weder die militante Zionistin Anat noch ihre durchgeknallte Mutter, der ich gleich mehrere psychiatrische Diagnosen attestieren könnte, sind in der Form vorstellbar, ebenso wenig wie Kadoke selbst.

Dieser stellte sich für mich zunehmend dar wie ein Schoko-Osterhase: eine weltfremde Hohlfigur. Irgendwie hat er nie eine wirkliche Meinung, ein eigenes Interesse, einen inneren Antrieb, jede*r kann auf ihn projizieren was er/sie will, und das lebt er dann - bis das nächste um die Ecke kommt. Alles "passiert" ihm einfach, er hat allenfalls kurz Widerstände dagegen, gibt diese aber auch gleich wieder auf - im Sinne der "Assimilation".

Beim Lesen drängte sich mir eine Frage auf: Ab wann ist Satire zu drüber? Darauf gibt es vermutlich keine Antwort, allenfalls eine subjektive. Es ist kaum zu übersehen, wohin Arnon Grünberg mit seiner Satire-Keule zielt, nämlich auf alles, was in sein Sichtfeld gerät. Das weite Feld der Psychiatrie ebenso wie das (orthodoxe) Judentum, der Zionismus, der Nahost-Konflikt, die Altenpflege, Probleme zwischen Mann und Frau u.a.m. Jede Menge also.

Für mich jedenfalls zu viel, weil solch ein Rundumschlag sich wenig scharf auf ein womöglich wichtiges Thema konzentrieren kann. Fest steht jedenfalls, dass so manche Äußerung im Buch bezogen auf das Judentum in der Form wohl nur von einem Juden getätigt werden durfte, jeder andere käme da gleich in eine gefährliche Schublade...

Anfangs fand ich einzelne Passagen noch ganz amüsant, doch zunehmend stellten sich Gefühle wie Fremdschämen bis hin zur Langeweile ein. Eine absurde, abstruse, groteske, überzogene, derbe, peinliche oder unvorstellbare Szene reiht sich hier an die nächste, so dass mich die ständigen "es kommt noch schlimmer" Geschichten immer kälter ließen. Es scheint, als ob Grünberg einfach nichts auslassen wollte – doch bei zu vielen Provokationsversuchen tritt zunehmend Gleichgültigkeit ein. Jedenfalls bei mir.

Für mich war das beileibe kein Pageturner – dieser Roman bremste mich geradezu aus. Oftmals habe ich nur noch widerwillig weitergelesen. Mein Gratmesser von Satire und dem von mir so geliebten schwarzen Humor wurde hier eindeutig zu oft überschritten. Die letzten Seiten habe ich schließlich nur noch über mich ergehen lassen, hatte auch keine Lust mehr, mich über irgendetwas aufzuregen oder zu ärgern, Provokationen hin, Tabubrüche her - egal.

Grünbergs Schwester lebt selbst in einer der fundamental-zionistischen Siedlungen im Westjordanland. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Art der Annäherung an das nicht unproblematische Thema dem Familienfrieden dienlich ist… Aber das soll mein Problem nicht sein.

Wie immer: eine Frage des Geschmacks. Meiner war es leider nicht…


© Parden

 

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Was für eine Achterbahnfahrt war dieses Buch für mich! Hellauf begeistert in den ersten Abschnitten, dann maßlos enttäuscht, und im letzten Abschnitt konnte mich das Buch dann doch wieder überzeugen. Dennoch: auch wenn ich wieder ein Stück weit versöhnt wurde, finde ich die absurden Elemente der Geschichte einfach zu viel, zu gewollt schockierend, zu konstruiert. Meines Erachtens wäre es stimmiger, wenn der Autor die Absurdität ein klein bisschen heruntergefahren hätte.


Grenzüberschreitende Satire kann großartig sein, hier wird sie für mich durch reine Übersättigung vollkommen ‘geschmacklos’ – im Sinne von, da ist keine Würze mehr drin, weil es so ein Mischmasch von gewollt schockierenden Elementen ist.⁣
 
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Reaktionen: Die Häsin