Rezension (1/5*) zu Der Schattenkönig von Maaza Mengiste

Yolande

Bekanntes Mitglied
13. Februar 2020
1.801
6.622
49
Ein Heldinnenepos?

Inhalt (Klappentext):

Als Mussolini 1935 in Äthiopien einfällt, trifft er auf einen unerwarteten Widerstand: Krankenpflegerinnen, Köchinnen, Dienstmägde. Bereit, sich mit ihren Brüdern und Vätern gegen die Faschisten zu behaupten. Die junge Hirut, eine Waise in den Diensten eines Offiziers von Kaiser Selassie, ist eine von ihnen. Als Selassie sich ins englische Exil flüchtet, droht Äthiopien mit seinem Anführer auch die Hoffnung zu verlieren. Und ausgerechnet Hirut findet einen Weg, das Land zu inspirieren. An der Seite des Schattenkönigs, einem armen Musikanten, der dem Kaiser zum Verwechseln ähnlich sieht, rettet sie ihre Heimat vor der Selbstaufgabe und wird kurz zur Herrin ihres Schicksals.

Ich gebe ehrlich zu, dass ich von Äthiopien nicht viel weiß. Dabei gilt es als einer der Herkunftsländer des modernen Menschen (Wikipedia). Nachdem die Äthiopier im 19. Jahrhundert die italienische Kolonialmacht aus ihrem Land vertreiben konnten, blieb es lange einer der wenigen unabhängigen Staaten in Afrika. Italien versuchte unter der Herrschaft Mussolinis diese Schmach mit einem brutalen und grausamen Eroberungsversuch zu tilgen und in dieser Zeit spielt die Geschichte. Ich erzähle es hier, weil es in dem Buch leider keinen historischen Überblick gibt, dabei wäre es sehr hilfreich gewesen, um die Geschichte besser einordnen zu können. Natürlich kann man man sich in anderen Quellen informieren, aber für mich sollte ein Buch auch immer ohne solche Zusatzlektüren funktionieren.

Der Schreibstil ist ungewöhnlich, die Sprache teilweise sehr blumig und pathetisch. Die kurzen Kapitel wechseln zwischen Zeiten, Personen und auch Beschreibungen von Fotos hin und her. Es gibt außerdem einen „Chor“, angelehnt an die griechischen Tragödien, der die Leiden des Volkes „besingt“.

Dadurch und durch die etwas gekünstelte Sprache soll wohl der Eindruck eines Heldenepos entstehen, gesungen auf die Frauen Äthiopiens, die in diesem Krieg ebenso gekämpft haben wie die Männer.

Es gibt keinen richtigen „Erzählfluss“, vor allem zu Beginn, erst ab der Mitte des Buches wird es etwas zusammenhängender. Das Kriegsgeschehen wird oft nur blitzlichtartig geschildert, was aber die Grausamkeit des Krieges noch mehr betont. Das äthiopische Volk hat schwer gelitten, die italienische Armee sah die Menschen als ungebildetes Vieh ohne Intelligenz, ein leider verbreitetes Gedankengut zu dieser Zeit. Es war ein Kampf „David gegen Goliath“, mit Steinen und Speeren gegen eine militärisch hochgerüstete Übermacht, die vor keiner Barbarei zurückschreckte. Es gibt in diesem Buch viele Gewaltdarstellungen und unbarmherzige Handlungen, so dass es mir oft schwer fiel, weiterzulesen.

Leider blieben die handelnden Personen dabei seltsam flach, trotz allem Leid, dass sie ertragen mussten. Das gilt für Hirut, aber auch für den namengebenden „Schattenkönig“. Der italienische Fotograf Ettore, ebenfalls einer der Protagonisten, ist dafür da, die Propagandamaschine mit den passenden Bildern zu füttern. Und genau wie diese Fotos erscheint mir die ganze Geschichte. Man bekommt eine Reihe von Bildern gezeigt, die zwar den Moment zeigen, dabei aber flach und unbeweglich bleiben.

Das Buch war auf der Shortlist des Booker Preises 2020, wohl aufgrund des anspruchsvollen Aufbaus und der künstlerischen Sprache. Mich hat es wieder in meinem Vorurteil bestärkt, lieber die Finger von solchen preiswürdigen Büchern zu lassen. Wäre es kein Buch einer Leserunde gewesen, hätte ich es abgebrochen.

Fazit:
Ein Buch mit gehobenem künstlerischen Anspruch, das mich mit seinen grausamen Gewaltdarstellungen ziemlich abgeschreckt und mitgenommen hat. Zu viel Gewalt, zu viel Pathos, zu wenig Hintergründe und Handlung.

 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.100
49
Hm. Deine Kritik kann ich nachvollziehen. Allerdings finde ich einen Stern wirklich viel zu mager. Man muss die Konstruktion sowie die ausdrucksstarke Sprache würdigen. Also mit "man" meine ich mich, Geschmäcker sind ja unterschiedlich.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Emswashed

Yolande

Bekanntes Mitglied
13. Februar 2020
1.801
6.622
49
Hm. Deine Kritik kann ich nachvollziehen. Allerdings finde ich einen Stern wirklich viel zu mager. Man muss die Konstruktion sowie die ausdrucksstarke Sprache würdigen. Also mit "man" meine ich mich, Geschmäcker sind ja unterschiedlich.
Ich konnte mich mit der Konstruktion und der Sprache nie so richtig anfreunden, es war für mich also kein Pluspunkt. Aber wie Du schon sagst, das ist alles Geschmacksache :)