Nachwort und FAZIT zu "Melnitz"

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.144
49
Hier bitten wir euch um ein spontanes Fazit zum Buch. Gibt es noch etwas zum Nachwort zu sagen?
 

sursulapitschi

Aktives Mitglied
18. September 2019
645
1.568
44
Nu, ein bisschen versöhnt mich das Nachwort mit Melnitz, aber nur ein bisschen. Natürlich ist es eine hübsche Idee, immer wieder den mahnenden toten Onkel erscheinen zu lassen, aber er hätte am Anfang mehr Auftritte gebraucht, um wirklich zur Geltung zu kommen. Außerdem hat er zu großen Teilen viel zu viel schwadroniert.

Trotzdem bin ich tief beeindruckt von diesem Buch. Es ist genial geschrieben, ich habe viel gelacht, war aber auch sehr berührt. Immer wieder enthält es geniale Formulierungen, die ich ehrfürchtig staunend gelesen habe.
Es hat geschafft, dass man über drei Generationen immer wieder gefesselt war mit originellen, sehr lebendigen Figuren, die Unerwartetes tun.
Ich glaube, es hat mir sogar noch besser gefallen als der Halbbart. Ich bin begeistert.
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Mir reicht die Erklärung zum Melnitz nicht aus. Sicherlich ist es eine hübsche Geschichte, die den Autor dazu veranlasst, Onkel Melnitz in diesem Roman unterzubringen.
Dennoch gefällt mir die Figur nicht. Der tote Melnitz, der seinen entfernten Verwandten erscheint, um was genau zu bewirken? Die Botschaft kommt bei mir nicht an.
Vereint der Onkel Melnitz alle Schlechtigkeit in sich, die Juden jemals widerfahren sind und, glaubt man seiner Prognose, auch weiterhin widerfahren werden? Es braucht doch keinen Melnitz, um zu verstehen, dass das jüdische Leben kein einfaches ist.

Aber, Schwamm drüber. Bei der Vielfalt an einzelnen Schicksalen und deren Geschichten in diesem Roman kann ich den Melnitz gut verschmerzen.
Daher mein Fazit:
Lewinksy in Höchstform. Der Roman ist von der ersten bis zur letzten Seite hohe Erzählkunst. Wie immer bei seinen Romanen fasziniert mich Lewinskys Fähigkeit, seine Charakter akribisch und detailgetreu zu zeichnen. Er lässt nicht viel Spielraum, sich ein eigenes Bild von den Figuren zu machen. Bei anderen Schriftstellern stört mich das, bei ihm überhaupt nicht. Ich schätze, dass das daran liegt, dass er keinen Unterschied zwischen Stärken und Schwächen einer Figur macht, sondern die Schwächen als zu der jeweiligen Figur dazugehörig. Bestenfalls zieht er die Schwächen dieser Figuren durch den Kakao, was aber nie gehässig wirkt. Ich erlebe Lewinskys Protagonisten daher immer so herrlich menschlich, was sie mir sympathisch macht.
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.674
9.511
49
Der Schluss saß! Ich bin noch total geflasht und muss das erst mal sacken lassen. Aber Melnitz ist meine Lieblingszutat, ein auktorialer Erzähler, der seine eigenen Auftritte bekommt.
Definitiv ist Melnitz noch ein Tacken besser als der Halbbart. Der Halbbart hat einen nicht so mit einbezogen, wie Melnitz. Schließlich gings hier ja auch um Deutschland, das die Judenfeindlichkeit nochmal richtig zum Aufkochen gebracht hat. Es muss nur einer aufstehen und anführen, dann machen plötzlich viele mit.
Ich hoffe das funktioniert irgendwann einmal auch in die andere Richtung, ich meine für eine richtig gute Sache, wie zum Beispiel Menschlichkeit, Tierwohl, Klimaschutz.

Lewinsky hat keinen weiteren Holocaust-Roman geschrieben, aber er hat die jahrhundertelange Judenfeindlichkeit in eine Familiengeschichte gepackt, die nichts glorifiziert, aber auch nichts verharmlost. Die 900 Seiten haben sich, in meinen Augen, wirklich gelohnt.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.144
49
Lewinsky hat keinen weiteren Holocaust-Roman geschrieben, aber er hat die jahrhundertelange Judenfeindlichkeit in eine Familiengeschichte gepackt, die nichts glorifiziert, aber auch nichts verharmlost.
Sehr treffendes Fazit!
Vor allem wird die Familie in keine Opferrolle gedrängt. Sie haben nicht nur heldenhafte Charaktere in ihren Reihen, sondern auch welche, die aus der Reihe tanzen und viele Fehler haben. Sie sind eben so "normal". Vor dem Hintergrund wirkt deren Verfolgung völlig abstrus.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.360
21.136
49
Brandenburg
Die schweizerische Oase, die der Autor uns erzählt hat in Form einer Familiengeschichte - hatte immer noch ihre Nadelstiche. 1947 macht mich vollends fertig:

In der modernen Zeit wird alles größer und besser und effizienter. Sechs Millionen neue Geschichten, ein dickes Buch, aus dem man eine Generation lang würde vorlesen können, ohne sich ein einziges Mal zu wiederholen. Geschichten, die nicht zu glauben waren, schon gar nicht hier in der Schweiz, wo man all die Jahre auf einer Insel gelebt hatte, auf trockenem Boden mitten in der Überschwemmung.
Plötzlich ergibt die alte Geschichte mit dem großen Fisch auf dem man picknickt und Feuer macht, Sinn. Der Fisch, auf dem die jüdische Gemeinde sitzt, kann jederzeit wegschwimmen, untertauchen und einen in den Untergang reißen. Man darf sich nie ganz in Sicherheit wiegen als jüdischer Bürger.

Charles Lewinsky ist ohne Zweifel ein großartiger Erzähler. Anhand einer generationenüberspannenden Familiengeschichte zeigt er jüdisches Brauchtum auf und die Einstellung der Welt gegenüber den Sündenböcken aller Nationen. Das ist erschütternd.

Gelegentlich waren es mir viel zu viele Details. Manchmal konnte ich mit den Menschen nicht mitgehen, weil man immer wieder schnell aus der Situation gerissen wurde und die Erzählung trotz aller Erzählkunst auch von Stereotypen lebt und selten eine richtige Innenschau gezeigt wird. Am besten gefiel mir noch das Chanele. Aber Mimi ist und bleibt für mich eine Schablone.

Der Halbbart hat mir um Längen besser gefallen. Lewinksy hat sich beim Halbbart selber übertroffen.
Bleibt die Aufgabe der Rezension ... .
 

sursulapitschi

Aktives Mitglied
18. September 2019
645
1.568
44
Mir reicht die Erklärung zum Melnitz nicht aus. Sicherlich ist es eine hübsche Geschichte, die den Autor dazu veranlasst, Onkel Melnitz in diesem Roman unterzubringen.
Dennoch gefällt mir die Figur nicht. Der tote Melnitz, der seinen entfernten Verwandten erscheint, um was genau zu bewirken? Die Botschaft kommt bei mir nicht an.
Ich bin sehr froh, dass es mir damit nicht alleine so geht.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.766
14.382
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ein unglaublicher Roman und die Figur des Melnitz ist das I-Tüpfelchen, ohne das die Geschichte nicht dieselbe wäre. Bei über 900 Seiten keine Sekunde Überdruss, das muss man erst mal schaffen. Für mich ist "Melnitz" eine noch größere Nummer als "Der Halbbart", auch wenn mir der sehr gut gefallen hat. Die schiere Menge an so plastisch geschildertem Personal und der Humor sind die großen Pluspunkte.

Hier meine Rezension:


Im Nachbargarten unseres derzeitigen Urlaubsquartiers steht übrigens Janki wie er leibt und lebt - aus Holz geschnitzt:
 

Anhänge

  • 20210808_102724 (2).jpg
    20210808_102724 (2).jpg
    30,2 KB · Aufrufe: 6

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.635
4.771
49
62
Essen
Ich habe die Geschichten der Meijers mit Jud sehr gern gelesen und geliebt. Die neutrale Schweiz als Handlungsort zur Illustration von täglichem Antisemitismus und der täglichen Angst davor ist für den Schweizer Autor naheliegend, aber eben auch total passend. Tägliche Angst vor täglicher Bedrohung ist angesagt, und sollte es dann irgendjemand aus der Familie dann doch mal vergessen und das Leben zu leicht nehmen, dann taucht eben Onkel Melnitz auf - das immerwährende Gedächtnis an die Judenverfolgungen jedweder couleur. Das ist schon sehr gut konstruiert und trägt sogar durch einen Roman von mehr als 900 Seiten. Der mitgegebene Familienstammbaum hat mir bei der Übersicht aber auch sehr geholfen. Der war notwendig!
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.400
23.940
49
66
Der Roman hält sehr gut einer Zweitlektüre stand. Lewinsky ist ein wunderbarer Erzähler und „ Melnitz“ bleibt eines meiner Lieblingsbücher. Ein 6 oder 7 Sterne- Roman, auch wenn ich nur 5 vergeben darf. Rezension folgt, sobald ich die Zeit dafür finde.
 

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Ich würde jetzt gerne schreiben: unvergesslicher Lesegenuss. Vielleicht klappte es jetzt nach dem zweiten Mal. Für mich war es ja ein re-read und ich habe kein Fitzelchen wiedererkannt. So konnte ich den Melnitz ganz neu lesen.
Ich bin ganz begeistert von Lewinksys Sprache. Klug, witzig, für mich gab es keine Längen. Alles hatte seinen Platz und die Zeit die es braucht.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.360
21.136
49
Brandenburg
@ulrikerabe : Wir haben ganz moderat kritisiert. auf hohem Niveau. Das Buch möchte ich sehen, bei dem gar nichts zu kritisieren wäre. Ah ja, 4 3 2 1. Aber da hat dann die Hexe bisschen gemotzt. Es gibt eben nicht das eine Buch. Hm, die Bibel schon. Aber dann wieder diese Atheisten, die motzen und behaupten, alles Märchen, Legende. So kann man sich halt eigentlich immer sagen, die anderen haben keine Ahnung. Wenigstens damit liegt man immer richtig. (frei nach Xirxe?).
 

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
@ulrikerabe : Wir haben ganz moderat kritisiert. auf hohem Niveau. Das Buch möchte ich sehen, bei dem gar nichts zu kritisieren wäre. Ah ja, 4 3 2 1. Aber da hat dann die Hexe bisschen gemotzt. Es gibt eben nicht das eine Buch. Hm, die Bibel schon. Aber dann wieder diese Atheisten, die motzen und behaupten, alles Märchen, Legende. So kann man sich halt eigentlich immer sagen, die anderen haben keine Ahnung. Wenigstens damit liegt man immer richtig. (frei nach Xirxe?).
Ich bin gerade ein bisschen verwirrt, warum du mir das schreibst. Liest du Kritik an eurer Kritik in meinem Beitrag? Im übrigen gebe ich dir recht was 4321 betrifft. Aber ich habe oft keine Ahnung, aber davon reichlich.
 
  • Haha
Reaktionen: Emswashed und RuLeka