Nachwort und Fazit zu "Das Fräulein"

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.473
50.034
49
Welche Bedeutung hat das Nachwort von Michael Martens auf euch?

Wie hat euch das Buch als Ganzes gefallen? Bitte schreibt ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.649
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47
Ich habe das Nachwort von Michael Martens mit Gewinn gelesen, denn man erfährt nicht nur über den Roman und seine Entstehung etwas, sondern auch über den Autoren. Gelungen, wie Martens das Leitmotiv des Romans, den Geiz, mit Ivo Andrić verknüpft und Vorurteile aus dem Weg räumt.

Insgesamt hat mir "Das Fräulein" sehr gut gefallen, was vor allem an der Sprache und der Erzählkunst Andrićs liegt. Ihm gelingt es dadurch nicht nur, einen unmittelbaren atmosphärisch Einblick in das Sarajevo und Belgrad jener Zeit zu bekommen, sondern man lernt als Leser auch noch hinzu.

Auf der Handlungsebene finde ich es stark, wie Andrić seine Ausgangsidee des lebenslangen Sparens zu einer Groteske steigert, die letztlich zum Tod führt, auch wenn manchmal wenig passiert. Die Figur des Fräuleins ist psychologisch wunderbar ausgeleuchtet, zeigt aber im Gesamtverlauf mit einer Ausnahme wenig Entwicklung, was wohl auch so sein sollte. Der Rest der Figuren ist ein buntes Ensemble, das aber klar im Schatten der Protagonistin steht. Auf der emotionalen Ebene konnte mich der Roman nicht so oft erreichen.

Ich komme insgesamt auf 4,5/5 Sterne, die ich aufrunden werde. Der Roman hat Lust darauf gemacht, weitere Werke von Ivo Andrić kennenlernen zu wollen.
 

GAIA

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2021
2.269
10.698
49
Thüringen
Das Nachwort hat mir unter dem Aspekt des Geizes und wie dieses Thema in anderen Büchern des Autors auftaucht bzw. inwieweit es etwas über den Autor selbst aussagt, sehr gut gefallen. Das Nachwort ist wirklich erhellend und verständlich geschrieben und gibt einen guten Einblick in die anderen beiden Werke aus der inoffiziellen "Trilogie". So konnte ich aber auch für mich abschätzen, ob genau diese beiden Werke etwas für mich sein könnten. Wie gesagt unter der Prämisse ist das so passend, ich persönlich hätte mir aber noch eine andere Ebene gewünscht, nämlich wie schon im 2. LA angedeutet, hat der Autor ja eine aktive Rolle in den gesellschaftspolitischen Geschehnissen gespielt, die auch im Buch in den 1910ern, 20ern, 30ern dort geschehen. Für mich wäre es das i-Tüpfelchen gewesen, wenn das Nachwort Verbindungen zwischen der Biografie des Autors und den Schilderungen hergestellt hätte. So musste ich all das von Wikipedia erfahren. Und da dies scheinbar der einzige Roman des Autors gewesen ist, der sich genau mit diesem Zeitraum beschäftigte, hätte es sich doch sehr gut angeboten im Nachwort zu "Das Fräulein" darauf einzugehen.

Insgesamt hat mir der Roman sehr gut gefallen. Mich konnte der Autor mit seinen genauen Beschreibungen des "geizigen" Verhaltens der Protagonistin sehr gut einfangen. Das Psychogramm ist ihm auch mithilfe der Erzählperspektive gelungen, welche ich weiterhin als auktorial empfinde, obwohl - wenn ich mich recht erinnere - im Nachwort gesagt wird, in diesem Buch verlasse er erstmals die auktoriale Ebene. Einen besonderen Mehrwert konnten mir die Beschreibungen im Mittelteil mithilfe der unüblichen Perspektive auf das Attentat und die Folgen inklusive dem Krieg sowie die Belgrader Zeit zwischen den Weltkriegen geben, da mir diese so noch nicht untergekommen sind. Diesen gesamten Themenblock hatte ich so überhaupt nicht erwartet im Buch, weshalb dieser Bereich mich besonders überzeugen konnte. Ich mag es, wenn etwas unerwartet Interessantes in einem Buch auftaucht.

Der gesamte Schreibstil des Autors konnte mich überzeugen und ich werde zukünftig nach anderen Büchern von ihm Ausschau halten.

Somit lande ich tatsächlich bei glatten 5 Sternen. Ein wirklich sehr lesenswerter Roman.
 

petraellen

Aktives Mitglied
11. Oktober 2020
428
1.242
44
Das Psychogramm ist ihm auch mithilfe der Erzählperspektive gelungen, welche ich weiterhin als auktorial empfinde, obwohl - wenn ich mich recht erinnere - im Nachwort gesagt wird, in diesem Buch verlasse er erstmals die auktoriale Ebene.
Er verläßt nicht die auktotriale Ebene, sondern die auktoriale Ebene zur Vergangenheit. Seine Romane davor spielten immer in der Vergangenheit, weit vor seiner Zeit. Hier bei dem Fräulein befindet er sich in der Gegenwart, einer Zeit, die er selbst erlebt hat. " Die Handlung des Romans endet kaum neun Jahre, bevor Andrić sie aufschreibt, die Lebenszeit seiner Protagonistin deckt sich weitgehend mit der bisherigen Lebenszeit des Autors zur Zeit der Niederschrift des Roman." S. 266
 

petraellen

Aktives Mitglied
11. Oktober 2020
428
1.242
44
Das Nachwort ist eine informative Ergänzung , die sich eng an das Thema Geiz und seine möglichen Folgen hält. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls der Autor durchleuchtet, inwiefern dieser ein Geizhals gewesen sein könnte. In anderen Romanen von Andrić tauchen ebenso Geizhälse auf wie bei anderen Schriftstellern. Das besondere in seinem Roman ist die weibliche Figur des Geizhalses. Hier hätte ich mir mehr Informationen gewünscht, warum er eine Frau gewählt hat. Eine Frau am Rande der Gesellschaft, die sich mit männlichen Attributen behauptet, Geldgeschäfte macht und nur auf sich selbst bezogen lebt. Ihm ist alles in allem eine interessante Charakterstudie gelungen.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.473
50.034
49
Das Nachwort hat mich ehrlich gesagt nicht überzeugt. Andric hat mit dem Fräulein eine glaubwürdige und überzeugende Protagonistin geschaffen. Warum sucht die Welt immer nach persönlichen Parallelen zum Schöpfer solch einer Figur? Der überwiegende Teil des Nachworts beschäftigt sich mit der Entkräftung im Laufe der Zeit entstandener Gerüchte rund um Andrics angeblichen Geiz...
Ich fand die Einordnung in sein Gesamtwerk interessanter und hätte mir noch ein wenig mehr Infos über die Rezeption des Fräuleins gewünscht, vielleicht auch eine Interpretation vor dem Hintergrund der Zeit.

Der Roman selbst hat mir sehr gut gefallen. Andric hat einen wunderbaren Stil, mit dem er sowohl seine Figuren als auch die Handlungsorte sehr anschaulich ausleuchtet. Über weite Teile hat mich allein der Schreibstil fasziniert. Im Mittelteil hat sich für mein Empfinden die Figur des Fräuleins etwas verloren. Dafür gab es höchst eindrücklich Tagespolitik: die Schilderung der Ereignisse, die zum Ausbruch des Großen Krieges führten, einmal hautnah direkt aus Sarajewo geschildert zu bekommen, ist brillant gelungen.

Begeistert bin ich vom dritten Teil! Hier hat Andric noch einmal wunderbar die Kurve gekriegt. Sein Fräulein hat den Pfad des Geizes verlassen und ist auf einen Tunichtgut reingefallen. Die Liebe macht eben inkonsequent;).

Glatte 5 Sterne werden es für mich nicht. Aber der Gesamtgenuss war für 4 Sternchen eigentlich zu groß... Mit Klassikerbonus werde ich wohl aufrunden.
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.741
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49
Selten war ein Nachwort für mich so nötig, wie in diesem Fall. Ich konnte das Werk besser auf verschiedenen Ebenen einordnen. Interessant war da auf jeden Fall die Erwähnung der "Bosnien-Trilogie", die Parallelität zu Andrics eigener Biografie und die Entscheidung, warum der Geizhals eine Frau ist.
Kritisch sehe ich diese Perspektive nach wie vor. Es fällt mir als Frau schwer, das Fräulein als glaubwürdigen Charakter anzuerkennen, zumal zum Schluss klar war, dass die Mutter der Tochter durchaus Liebe zuteil werden ließ.
Zeitweise war ich versucht, das Hauptmotiv, den Geiz, ganz auszublenden und mich auf die geschichtlichen Umbrüche der Balkanländer zu konzentrieren. Aber auch auf dieser Seite blieb vieles ungeschrieben, was ich der Zeit, in der dieser Roman verfasst wurde, anlasten möchte.

Ohne Erklärung und Einordnung könnte ich dieses Buch keinesfalls so würdigen, wie es dies verdient hat. Doch auch mit dieser Ergänzung bleibt es wohl eine Lektüre für Spezialisten.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.545
24.645
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Das Nachwort war für mich nicht ganz befriedigend. Wir erfahren etwas über den Autor, aber auf den vorliegenden Roman wird wenig eingegangen.
Dass Andric nicht, wie öfter behauptet, geizig war, ist schön zu erfahren. Stattdessen wird seine Großzügigkeit gelobt . Das macht ihn sympathisch.
Dazu passt eines der vorangestellten Zitate: „ Verflucht ist und bleibt das Geld, das man nicht zum allgemeinen Nutzen des Volkes verwendet.“
Das andere Zitat passt zur Hauptfigur: „ Wenn du etwas tust, möge Gott dir verzeihen! Doch wenn dein Herz mit totem Wachs versiegelt ist, dann lastet ein Fluch auf Dir.“

Der Roman war meine erste Begegnung mit dem Autor und ich bin froh, ihn gelesen zu haben.
Andric entwirft hier das interessante Psychogramm einer Frau, die Sparsamkeit als oberstes Gebot aufgestellt hat und deren Geiz ihr ein befriedigendes Leben verwehrt und letztendlich den Tod gebracht hat. Es ist keine Figur, zu der man ein emotionales Verhältnis aufbauen konnte. Wenn ich von dem bisschen Mitleid mal absehe, das ich empfunden habe, als sie so betrogen wurde von Ratko.
Aber eigentlich bleibt sie mir fremd in ihrem Wahn, Geld zu horten.
Sie war nicht nur geizig mit Geld, sondern geizte auch mit jeglicher Gefühlsregung.
Andric stellt hier den bekannten Geizigen aus der Literatur eine Frau zur Seite, das stimmt. Allerdings weist sie garnicht so viele weibliche Eigenschaften auf. Sie kleidet sich eher männlich, wirkt sehr herb in ihrem Verhalten. Dann aber wird betont, sie habe wenig Risikobereitschaft in ihren Geschäften, es fehlt ihr also an dieser männlichen Eigenschaft. Was heißt das nun?
Sprachlich ist der Roman auf hohem Niveau, das habt ihr ja alle auch betont. Aber auch kompositorisch finde ich ihn sehr gelungen. Ihn mit dem Tod des Fräuleins beginnen und enden zu lassen, gefällt mir. Wobei die tatsächliche Todesursache sich erst am Schluss klärt.
Die historischen Geschehnisse, die in die Romanhandkung eingebunden sind, habe ich aufgrund des Klappentextes nicht erwartet. Doch gerade die fand ich sehr interessant.
Ob ich bei vier oder fünf Punkten landen werde, sehe ich nach dem Schreiben der Rezension.
 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
848
3.402
44
Warum sucht die Welt immer nach persönlichen Parallelen zum Schöpfer solch einer Figur?
Exzellenter Punkt. Die Biografie ist letztlich unerheblich.
Ich fand die Einordnung in sein Gesamtwerk interessanter und hätte mir noch ein wenig mehr Infos über die Rezeption des Fräuleins gewünscht, vielleicht auch eine Interpretation vor dem Hintergrund der Zeit.
Genau das fehlt mir auch. Ich finde das Nachwort insofern gelungen, als dass es doch recht nah am "Fräulein" und am Thema des Geizes bleibt, aber der Ausflug zur Vita des Autors ist einfach sehr "altbacken". Hinzu kommt, dass es wohl sein mag, dass es in Andrics Werk keine andere Figur gibt, die "ausführlicher und gründlicher geschildert wurde" als Rajka, doch ich kann nicht sehen, dass der Autor sie "in allen Schattierungen und Facetten ausleuchtet". (S. 267) Facettenreich ist auch nicht das Adjektiv, das ich für Rajka verwenden würde.

Ich finde den Roman nicht schlecht, habe ihn auch ganz gern gelesen, aber vielfach Langeweile empfunden. Da ich - weil ich kein weiteres Werk Andrics kenne - mich jetzt am Nachwort orientieren muss, könnte ich die Hypothese aufstellen, dass der Fokus auf eine Figur möglicherweise nicht Andrics Stärke ist, dass er vielleicht eher ein Autor der großen Panoramen ist. Mir für meinen Teil fehlt die stärkere (psychologische) Auseinandersetzung mit der Titelfigur, ich habe die Charakterisierung durch die Zuspitzung auf Sparsamkeit und Geiz als recht flach und oberflächlich empfunden - dies gelingt ihm in Bezug auf die Gesellschaft Belgrads sehr viel besser. Hinzu kommt, dass ich auch gerne selbst Interpretationsspielraum beim Lesen habe - hier wurden wir ja doch auf einiges "gestoßen".

Klassiker zu kritisieren empfinde ich ja stets als eine gewisse Form der Anmaßung - aber eine "Charlotte Löwensköld" ist "Das Fräulein" nicht. Man kann es lesen, aber ich glaube, es wird mir nicht in Erinnerung bleiben.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.473
50.034
49
Facettenreich ist auch nicht das Adjektiv, das ich für Rajka verwenden würde.
Hm. Die Figur bleibt sich selbst eben über weite Teile des Romans treu. Diese Treue (zur Sparsamkeit, zum Geiz) wird schon detailliert ausgeleuchtet. Man bekommt ein Gefühl von Rajkas Durchsetzungskraft, ihrem Starrsinn, der Borniertheit - auch in schweren, außergewöhnlichen Zeiten.
Rajka mag nicht viele Facetten haben, die jedoch werden sehr kleinteilig ausgeleuchtet.
hier wurden wir ja doch auf einiges "gestoßen".
Ja. Manches war für mich allerdings ganz gut.
Ich hatte manches "Aha-Erlebnis" dank der Erläuterungen. Im Interpretieren habe ich noch Optimierungspotential;).
 

dracoma

Bekanntes Mitglied
16. September 2022
1.729
6.696
49
Ich habe im Nachwort Interessantes über den Autor erfahren, dass ich in dieser Ausführlichkeit aber nicht gebraucht habe. Na gut, jetzt weiß ich, dass Andric nicht geizig war.
Enthält denn jeder Roman zwangsläufig autobiografische Elemente?

Vor Jahren habe ich "Die Brücke über die Drina" gelesen, von daher war mir Andric nicht ganz unbekannt.

Zum Roman:
Die Figur des Fräuleins bleibt wie die Brücke über die Drina zeitlebens statisch, sie zeigt keine Entwicklung und bleibt sich und dem Rat des Vaters treu. Und aus Stein ist das Fräulein auch, irgendwie.
Trotzdem ist sie für mich eine fast tragische Figur. Als sie ihren Grundsätzen ein einziges Mal untreu wird, endet das mit einem Zusammenbruch, und damit bewahrheitet sich die Warnung ihres Vaters vor Gefühlen, vor Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Wie Andric diese bittere Erfahrung darstellt, hat mir sehr gut gefallen. Weniger gut gefallen hat mir mir die Art und Weise, wie er seine Leser führt. Zum Beispiel charakterisiert er einige Personen ausführlich und lässt dem Leser hier keinen Raum.
Eine Ausnahme macht er bei Ratko: da hält er sehr konsequent die Perspektive des Fräuleins ein und erzeugt damit Spannung.

Ich habe meine Rezension eingestellt.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.351
10.654
49
49
Auch wenn das Verhalten des Fräuleins sehr viel Unverständnis in mir hervorgerufen hat, hat mir der Roman doch gut gefallen. Die Kombination aus den historischen Ereignissen, die in die Handlung einfließen, und der Erzählstil machten es für mich dann am Ende doch zu einem Buch, das mir positiv in Erinnerung bleiben wird.
Gewundert hat mich ein wenig, dass es sich um eine Trilogie handelt, aber das Buch steht auch gut für sich alleine, zumindest habe ich es so wahrgenommen.
Meine Rezension ist auch schon online, da ich immer noch auf das Buch zur Leserunde Maud Martha warte, hatte ich Zeit, denn ein neues Buch anzufangen erschien mir unnötig. Hat also manchmal auch etwas für sich, wenn nicht direkt die nächste Leseverpflichtung parat liegt.
 

Lesehorizont

Bekanntes Mitglied
29. März 2022
2.577
9.746
49
53
Mainz
Das Nachwort fand ich durchaus informativ, besonders die Einordnung in Andric's Gesamtwerk und die Gründe für die Wahl einer weiblichen Geizhälsin. Evtl. hätte das Nachwort tiefer in die Analyse des vorliegenden Werkes einsteigen können. Das hätte ich persönlich interessanter gefunden als Parallelen zu Andrics Biografie. Ich denke, dass das reingepackt wurde, da es da wohl oft zu falschen Einschäätzungen gekommen ist.
Den Roman fand ich sehr gut, besonders von der Aufteilung her. Den dritten Teil fand ich besonders gelungen, wo anschaulich beschrieben wird, wohin das Fräulein mit ihrem übertriebenen Sparsinn letztlich geführt wird: nämlich in den Tod. Sehr gelungen finde ich in diesem Kontext die Wahl einer Herzkrankheit. Die hätte sich kurieren lassen, nicht aber die Folgen übertriebener Sorgen um den eigenen Wohlstand und Geld. Diese treibt das Fräulein in den Tod.
Ich werde meine Lektüreerfahrung noch etwas sacken lasse vor der Rezension. Mal sehen, wie viele Sterne es dann letztendlich werden bei mir.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
1.640
4.799
49
62
Essen
Der Roman hat mich damit überrascht, dass er viel stärker die Züge eines historischen Romans trägt als ich erwartet habe. Nachdem ich mich darauf eingelassen habe, konnte ich es sehr genießen, in diese Zeit und an diesen Ort, das heißt in ein Völkergemisch mit vollkommen unterschiedlichen Interessen im Verbund des Habsburgerreichs und in dem Kriegsgeschehen des 1. Weltkriegs, einzutauchen. In diesem Völkergemisch in den schwierigen Kriegs- und Nachkriegszeiten versucht es das Fräulein, durch erlernte Lebensstrategien (vor allem Sparsamkeit bis hin zum Geiz) ihr Leben zu gestalten. doch mit der Veränderung der Zeiten und veränderten Übergewichten im Machtgefüge ihrer Umgebung verliert auch ihre Lebenserfahrung und ihre Lebensstrategie an Wertig- und Wirksamkeit. Das wird von Andric wundervoll in Szene gesetzt.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.545
24.645
49
66
Ein ganz kleines Bißchen musste ich jetzt doch feministische Kritik üben, ich hoffe es stößt nicht allzu übel auf:
https://whatchareadin.de/community/...-zu-das-fraeulein-roman-von-ivo-andric.34168/
Nein, garnicht. Aus unserer heutigen Sicht ist es ein fragwürdiges Frauenbild, das wir hier vorgesetzt bekommen. Einerseits stattet der Autor sie mit sehr männlichen Zügen und Attributen aus ( vielleicht weil ein so mitleidloser Geiz nicht bei Frauen vermutet wird), an anderer Stelle sind es weibliche Eigenschaften ( zu große Vorsicht z.B. ), die ihr auf dem Weg zum Reichtum im Weg stehen.
 

Lesehorizont

Bekanntes Mitglied
29. März 2022
2.577
9.746
49
53
Mainz
Schlussendlich sind es beim Reread 5 Sterne für das Fräulein geworden, das ich nun viel besser verstanden habe und hoffentlich auch in Erinnerung behalten werde. Ich muss endlich mal mehr von Andric lesen, "Die Brücke über die Drina" steht auch schon ewig hier...