Für mich war das Nachwort auch durchaus etwas erhellend. Ich muss allerdings sagen, so groß die Begeisterung von Teresa Präaus für die Geschichten Lispectors ist, dass es mich auch wieder genervt hat, dass da jetzt selbst die Nachwortverfasserin wieder ganz genauso schreibt, wie die zu besprechende Autorin. Von einem Nachwort erhoffe ich mir einen außenstehenden Blick und gern auch einen neutraleren Stil. Wer die vorherigen Geschichten sehr genossen hat bezüglich des Stils, wird auch das Nachwort genießen, wer jetzt endlich mal "Tacheles" erwartet, muss schon wieder durchhalten bis zu einem merkwürdigen Ende...
Im ersten Moment fand ich den Kunstgriff, sich wie Clarice als lästige Nachwortschreiberin zu bezeichnet, auch ganz witzig. Aber beim nochmaligen Überlegen gefällt mir das doch nicht. Ich habe ja selbst einmal als Hobby-Rezensentin hier im Forum eine Rezi im Stil von Gerda Blees' "Wir sind das Licht" geschrieben. Das geht meines Erachtens mal durch, wenn man anderen Lust auf den außergewöhnlichen Stil einer Autorin machen will und die Lektüre in der eigenen Rezension empfiehlt. Als professionell engagierte Nachwortschreiberin erhoffe ich mir aber ein bisschen weniger profanes Fan-Dasein/Fantum (ihr wisst, was ich meine) und mehr neutraler Blick von oben (oder eben zurück) auf die Texte. Eine noch knackigere biografische Einordnung hätte mir gefallen, wenn es ja nun auch (semi)biografische Bezüge gibt in den Geschichten.
Insgesamt hätte mir als Stütze für die Lektüre im Rahmen einer solchen Sammlung (zusätzlich oder für sich allein stehend) ein Vorwort sehr geholfen, um dann mit den Erzählungen etwas mehr Geduld zu haben. Außerdem fehlten mir eindeutig die Jahreszahlen zur Veröffentlichung der einzelnen Geschichten. Wenn schon nicht unter jedem Kurzgeschichtentitel innerhlab des Buches, dann doch wenigstens am Ende im Inhaltsverzeichnis vielleicht in Klammern dahinter. Die Aussage ganz zum Schluss, dass die Geschichten chronologisch geordnet sind, ist zwar nett zu wissen, reicht mir dann aber nicht aus.
Zum Fazit: Ich muss sagen, dass im Rückblick für mich als einizge "Perle" der Geschichtensammlung "Die Flucht" im Gedächtnis geblieben ist. Ich merke schon jetzt, dass mir viele der Geschichten bereits entfallen sind. Die Lektüre war nicht nur anspruchsvoll und fordernd, sondern leider auch recht zäh. Häufig war mir unklar, wo es hingehen soll mit einer Geschichte und wenn ich dann einmal dachte, eine Vorstellung zu haben, war für mich das Ende einer Geschichte vollkommen unerklärlich und hinterließ sehr viele Fragezeichen. Aber leider keine "guten" Fragezeichen, sodass ich mich gern noch länger gedanklich mit einer Geschichte habe beschäftigen wollen. Viele Geschichten wirkten mir wie intellektuelle Fingerübungen. Innerhalb der Geschichten habe ich aber durchaus auch kleine intelligente Miniaturen für mich entdecken können, die auch sehr ansprechend formuliert waren. Leider führten häufig darauffolgende Sätze wieder zu einem Knoten im Kopf und es blieb nicht bei dem verzauberten Moment.
Ich muss zugeben, dass ich nur bei einer Bewertung von 2,5 Sternen für das gesamte Büchlein mit Bezug auf die Anmerkungen, Nachwort, Präsentation etc. gelandet bin. Nun ist ja für mich für die Entscheidung zwischen 2 oder 3 Sternen immer ausschlaggebend, ob ich ein Buch weiterempfehlen würde. Und dieses würde ich mit vielen "Gebrauchshinweisen" für eine sehr spezielle Personengruppe durchaus weiterempfehlen. Mir fällt zwar niemand in meinem literarischen Bekanntenkreis ein, der diese Voraussetzungen erfüllen würde, aber es gibt diese Menschen auf jeden Fall. Und wenn sie unter den Literaturwissenchaftlern zu finden sind.
Nachtrag: Findet jemand von euch irgendwo im Buch oder auf dem Schutzumschlag irgendwelche biografische Angaben zu Lispector? Ich bin entweder blind oder es gibt keine! Das finde ich dann merkwürdig. Ich möchte doch nicht Google befragen müssen, wenn ich das Buch einer Autorin in die Hand nehme. Wenn ich im Buchladen stehe, als Nicht-Smartphone-Besitzerin, sollte es doch auf den ersten Blick möglich sein, im Buch Infos zur Autorin zu finden. Sonst wüsste ich ja im Zweifelsfall nicht einmal, dass es eine bereits verstorbene Künstlerin ist. Ich suche gleich noch einmal, finde ich dann nichts, muss ich sagen, dass das für mich ein Minuspunkt wäre. So schwanke ich mit Blick auf die gesamte Ausgabe doch an meiner Entscheidung für das Aufrunden auf 3 Sterne... Schwierig.