Ich werde die Diskussion mal versachlichen und auf die Geschichte zurückkommen.
Krien will uns meiner Meinung nach die Vorurteile, die immer noch existieren, in dieser Geschichte spiegeln. Sie sind sehr extrem, aber in solcher und abgeschwächter Form sicherlich noch in vielen Köpfen zu finden.
Interessant finde ich den Rat der Mutter, Anne solle sich anpassen. Das klingt zunächst einmal so, als ob sich nichts geändert hätte oder so, als solle sie sich nicht als "Ossi" outen, um nicht "verurteilt" zu werden.
Mit der Aggressivität und der Zerstörungswut der beiden habe ich auch so meine Probleme - vielleicht will uns die Autorin vor Augen führen, dass das eine mögliche Reaktion darauf sein kann, wenn man ständig beschimpft und verurteilt wird.
Die beiden nutzen es als Ventil - was ich persönlich nicht richtig finde, aber Krien will ja keine Friede-Freude-Eierkuchen -Geschichten schreiben. Der Schockmoment ist gewollt.
Gerade deswegen finde ich die Geschichte gut, da sie uns die Vorurteile spiegelt und auch zeigt, zu welchem extremen Verhalten sie bei Menschen führen können, wenn sie permanent mit Vorurteilen konfrontiert werden.
Ich dachte eher, er kommt auch aus der ehemaligen DDR, daher sein Verständnis für Anne und die Entschuldigungen für die unmögliche Patientin. Deren Verhalten ist völlig inakzeptabel - da kann ich Annes Aggression nachvollziehen - aber nicht, wie sie sie auslebt.
Ich teile deine Sicht in vielen Punkten. Mir hat die Geschichte sehr gefallen!
Anne und Mattis repräsentieren für mich zwei junge Menschen, die durch Ereignisse gezwungen wurden ihre Heimat zu verlassen. Denn sie wirken auf mich nicht so, als würden sie sich wohlfühlen. Genauso könnte man nämlich auch fragen, warum sind sie denn nicht zu Hause? Dieser Zwang, angepasst zu leben, um etwas dafür zu erhalten, löst gerade in jungen Menschen rebellische Gedanken aus.
Durch ihre Jugend, Anne lernt 1991 in Franken, arbeitet in der Zahnarztpraxis, kann sie sich vielleicht noch nicht vollkommen mit negativen Erlebnissen befassen, damit umgehen. Sie steht allein, ohne Familie, hat mit Mattis eine eingeschworene Gemeinschaft gegründet, grenzt sich ab, dass äußere Erscheinungsbild lässt dies etwas vermuten. Für ihre Umgebung sind sie nicht nur durch das Auto als Ossi zu erkennen, sondern auch durch ihre Kleiderwahl als Unangepasste. Schwarze Kleidung = sie kokettieren ebenso mit dem Begriff Satanisten.
Der Raum in dem beide sich aufhalten, das ländliche Franken, reagiert vielleicht auf Schwarzgewandete Menschen noch etwas anders als Gemeinden mit einer höheren Bevölkerungsdichte und einer besseren kulturellen Anbindung. So machen sie sich nicht nur durch ihre Ossi-Herkunft zu Auffälligen, sondern auch durch eine unangepasste Kleidungswahl.
Ich glaube auch nicht, dass die Autorin dass ländliche Franken umsonst gewählt hat. Gerade in der Zeit nach der Wende, vielleicht auch durch einen nicht enden wollenden Zustrom an Ossis, die den Westen aufsuchen wollten, kam es im genannten Gebiet schon zu Aggressionen gegenüber Ostdeutschen. Schade. Aber heilig ist glaube ich niemand von uns.