Thema Mercy Seat von Elizabeth H. Winthrop ab 25.8.19

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich bin jetzt ganz am Anfang von Teil 3. (Seite 189 bis 293)
Eine Überlegung habe ich noch zum "überraschenden Ende" laut Klappentext. Bie dem Gewese dass hier gerade um den Aufbau des Stuhls gemacht wird, vielleicht funktioniert er am Ende nicht.
Das Buch spielt ja alles an einem Tag ab (bis auf die Rückblenden). Vielleicht endet dieser Tag nicht mit dem Tod von Will, weil der Stuhl Gnade zeigt (mercy seat)?
Was aber am Todesurteil an sich nichts ändern kann.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Meine Güte, was für ein tolles Buch :rolleyes:. Ich bekomme eine Gänsehaut nach der nächsten. Bin jetzt an der Stelle, als Frank aus seiner Ohnmacht wieder aufwacht und in der Hütte des Farmers ist. Als er sagt [zitat]ich bin ihnen sehr dankbar, aber mein Junge wird morgen früh beerdigt[/zitat]
hatte ich (mal wieder und wie so oft in letzter Zeit) eine religiöse "Eingebung", auch wenn ich nicht weiß, wie das zustande kommt :confused:. Auf jeden Fall musste ich an das Lied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" denken. Was hat das zu bedeuten???:confused:
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich bin etwas verspätet gestartet, da ich im Urlaub doch deutlich weniger zum Lesen komme als gedacht. Ich bin auf S. 48 und auch mir gefällt die multiperspektivische Erzählweise. Die Sprache passt zur Stimmung und ich bin gespannt wie es weitergeht.
 

ElisabethBulitta

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8. November 2018
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Ich bin jetzt ganz am Anfang von Teil 3. (Seite 189 bis 293)
Eine Überlegung habe ich noch zum "überraschenden Ende" laut Klappentext. Bie dem Gewese dass hier gerade um den Aufbau des Stuhls gemacht wird, vielleicht funktioniert er am Ende nicht.
Das Buch spielt ja alles an einem Tag ab (bis auf die Rückblenden). Vielleicht endet dieser Tag nicht mit dem Tod von Will, weil der Stuhl Gnade zeigt (mercy seat)?
Was aber am Todesurteil an sich nichts ändern kann.

Darüber habe ich mir just heute auch schon Gedanken gemacht. Andererseits weiß ich dennoch nicht, ob man von einem Gnadenstuhl sprechen kann, wenn die Exekution nicht klappt. An sich ist der elektrische Stuhl ja gar nicht so "menschlich", wie man anfangs dachte (von menschlich zu sprechen ist jetzt pervers, aber das waren ja tatsächlich schon öfters Überlegungen bei Hinrichtungsmethoden, aber auch dieser Stuhl schafft es oft nicht beim ersten Mal), und zweitens ist die Frage, wie "gandenvoll" es jetzt ist, wenn du auf dem Schafott stehst und dann doch nicht hingerichtet wirst. Scheinhinrichtungen gelten nicht umsonst als Foltermethoden. Der berühmtest Fall ist wohl der von Dostojewski, und einer seiner damaligen Mitverurteilten ist später wohl in geistiger Umnachtung gestorben. Auch unter Stalin und sogar in der DDR wurde diese Foltermethode praktiziert.
 

ElisabethBulitta

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Auf jeden Fall musste ich an das Lied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" denken. Was hat das zu bedeuten??

Was das zu bedeuten hat, weiß ich natürlich nicht, aber ich denke, da kommt einfach ein Glaube zum Ausdruck, um den man Dietrich Bonhoeffer einfach nur beneiden kann. Viele sagen ja, Religion habe nur was mit Passivität und Vertröstung zu tun, vielleicht noch mit Gewalt (was eine Freundin von mir immer sagt), aber hier kommt zum Ausdruck, was der Glaube den Menschen wirklich geben kann: Trost und Gelassenheit, Vertrauen in noch so schlimmen Situationen, die einfach nicht mehr in unserer Hand liegen.
 

ElisabethBulitta

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Die ersten beiden Teile habe ich jetzt auch gelesen und bin somit auf S. 185.
Nach wie vor bin ich fasziniert von dem Buch. Dale und Ora werden jetzt doch noch in den Fall involviert, indem sie nämlich Frank helfen, den Stein zu transportieren. Wobei Dale wohl eher hilft, weil Franks Sohn beerdigt werden soll und sein Sohn ja ebenfalls tot ist. Er bekommt auch ein schlechtes Gewissen, weil er an die Formalitäten der Beerdigung gar nicht gedacht hat. Trotzdem ist Dale ein Rassist (wobei ich das jetzt nicht mit dem moralischen Zeigefinger betrachte, denn ich weiß, dass ich einen anderen Hintergrund habe. Ich weiß auch nicht, wie ich mich bspw. im Dritten Reich verhalten hätte; da muss man immer vorsichtig sein.).
Gabe ist so ein richtiger Mitläufer, was man aber, denke ich, von ihm auch nicht anders erwarten kann. Aber immerhin zeigt er Rückgrat, als die Männer im Auto auf Frank losgehen wollen.
Die Abschnitte mit Frank sind auch immer sehr berührend.
Überhaupt nimmt das Buch mit schon arg mit, was an sich eher selten vorkommt, da ich in der Regel schon Distanz wahre.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Was das zu bedeuten hat, weiß ich natürlich nicht, aber ich denke, da kommt einfach ein Glaube zum Ausdruck, um den man Dietrich Bonhoeffer einfach nur beneiden kann. Viele sagen ja, Religion habe nur was mit Passivität und Vertröstung zu tun, vielleicht noch mit Gewalt (was eine Freundin von mir immer sagt), aber hier kommt zum Ausdruck, was der Glaube den Menschen wirklich geben kann: Trost und Gelassenheit, Vertrauen in noch so schlimmen Situationen, die einfach nicht mehr in unserer Hand liegen.
Danke für deine schöne Antwort :rolleyes:.
 
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Literaturhexle

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S. 103
Ich bin jetzt auch dabei und kann vieles, das ihr geschrieben habt, nur bestätigen. Ich hatte bislang auch keine Erfahrung mit Faulkners multiperspektivischem Schreibstil.

Die ganze Atmosphäre ist bedrückend. Niemand ist wirklich fröhlich und sorglos. Interessant finde ist die Familie des Staatsanwalts: der Sohn Gabe ist der (nach der Wahrheit ) Suchende . Die Mutter hat das Bedürfnis für den Todeskandidaten zu kochen und den Vater, der schwer erpresst wurde (herrlich, auf welche Art und Weise uns das mitgeteilt wird), beißt sein Gewissen.

Ebenso spannend das Paar Ora und Dale/Lane und Seward. Diese Südstaaten waren selbst in den 1940er Jahren noch vollkommen zerrissen und sind es bis heute - mit einem Süd-Nord-Gefälle vielleicht.

Ein beeindruckendes Buch, dass sich trotz seiner Schwere bis jetzt gut lesen lässt und durch die vielen Personen viele Perspektiven aufzeigt .
 

ElisabethBulitta

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Ich bin am Ende angelangt und muss sagen: Das Buch ist eine Wucht, es lohnt sich wirklich, es zu lesen. Und es lässt mich absolut nicht kalt. Ich wüsste eine Menge Leute, die es mal lesen sollten ...

Und das Ende ist genauso düster, wie das ganze Buch: Will wartet weiterhin auf seine Hinrichtung, Dale und Ora schweigen, der Priester ist auch am Ende und zweifelt, Gabe wird aus Rache zusammengeschlagen, Lane und Seward machen sich auf den Heimweg, Lane wieder in Fesseln. Und der Staatsanwalt? (Sein Name, Polly, verwirrt mich, zugegbenermaßen, sehr, da er für mich eindeutig weiblich ist.) Von Gabes Schicksal wissen er und Nell noch nichts.

Das Ende ist überraschend, aber schlimmer, als ich dachte.

Ich muss es erst mal sacken lassen.
 

Literaturhexle

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Die Handlung nimmt Fahrt auf, die verschiedenen Figuren berühren einander, wie weiter oben schon gesagt wurde.
Ich bin schwer beeindruckt von diesem Buch, das die Emotionen der Figuren wunderbar einfängt. Und es gibt so viele großartige Textstellen! Leider habe ich gerade nicht die Zeit zu notieren, welche genau ich meine. Aber bestimmt sind sie euch auch aufgefallen.
Ich bin so froh, dass dieses Buch noch den Weg zu mir gefunden hat. Ohne euch wäre es bei einem ewigen "will ich lesen" geblieben. :)
 

MRO1975

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Sehr gut fand ich, wie Wills Vater dargestellt wird, der sich Hoffnung auf ein besseres Leben für seine Kinder gemacht hat, es ist nur schwer umzusetzen. Ora und Dale teilen, wenngleich Ora noch nichts davon weiß, auch das Schicksal, ihr Kind verloren zu haben, und zwar auf nicht minder schlimme Art und Weise.
Ich sehe das auch so. Wills Eltern auf der einen Seite und Ora und Dale auf der anderen sind wie die zwei Seiten derselben Medaille. Eine Familie schwarz, die andere weiß. Beide verlieren ein Kind bzw. sollen ein Kind verlieren und in beiden Fällen ist es ein unnötiger/sinnloser Grund.
 

MRO1975

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Sehr Ansprechend finde ich zudem die Gespräche zwischn Hannigan und den anderen: Hier ist mal das Bild eines Priesters dargestellt, dass nicht dem allgemeinen entspricht, der nur darauf aus ist, "Seelen" für sich zu finden, sondern den menschlichen Aspekt sieht, was ja auch eigentlich so sein sollte. Auch dass er selbst immer wieder von Zweifeln heimgesucht wird.
Hannigan finde ich auch sehr sympatisch, vor allem, dass er zugibt, als Priester dennoch von Zweifeln geplagt zu sein. Auch seine Erklärung, warum er wohl dennoch an Gott glaubt, fand ich ehrlich und glaubhaft (S. 101).
 

MRO1975

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Ich bin jetzt auf S. 51 und habe mir erstmals eine Liste mit allen Namen gemacht, die auftauchen und dahinter geschrieben, wer wer und was ist :D. Aber fasziniert bin ich auch von dem Buch; diese auf der einen Seite bedrohlich und hoffnungslos wirkende Atmosphäre, auf der anderen Seite aber auch die Menschlich- und Herzlichkeit in einigen Abschnitten und Passagen - große Schreibkunst!
Habe auch so eine Liste. :D
 

MRO1975

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Ich konnte heute nicht aufhören zu lesen und bin gerade ans Ende gekommen. Die heiße drückende Schwüle habe ich fast körperlich gespürt. Alles stand unter Spannung wie vor einem sich lange ankündigenden Gewitter und dann? Es gab keine Entladung - obwohl Strom geflossen ist. Will hat überlebt, doch für wie lange? Wird Polly sich für ihn einsetzen? Was wird aus Gabe? Das Ende lässt viele offene Fragen zurück, dennoch finde ich das nicht unbefriedigend, sondern so erfüllt das Buch irgendwie seinen Zweck.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das Ende lässt viele offene Fragen zurück, dennoch finde ich das nicht unbefriedigend, sondern so erfüllt das Buch irgendwie seinen Zweck.

Ende!
Puh! Harter Tobak!
Natürlich hätte ich mir ein anderes Ende gewünscht, aber das hätte nicht gepasst. Brutal fand ich, dass die Männer rund um Cunningham (Der sich selbst die Finger aber nicht schmutzig macht- sehr bezeichnend!) ihren Frust über die verpatzte Tötung an Gabe ausgelassen haben. Das zeigt die Grausamkeit dieser Kreaturen, er ist doch noch ein Kind!!!

Einen Hoffnungsschimmer gibt es bei Ora und Dale. Mit einem Mal akzeptiert er den Hund, nimmt ihn mit ins Haus. Vielleicht kann das Tier den Verlust ein kleines bisschen abmildern? Das wäre schön.

Das Buch hat die Stimmung, die Gegend, die Figuren wunderbar glaubwürdig beschrieben. Die Zweifel, Ängste, der Hass - alles wurde sehr deutlich. Große Erzählkunst. Ein wichtiges Buch!
Es steckt viel drin, ich könnte es mir auch als Schullektüre gut vorstellen.

Etwas anderes als 5 Sterne kommen gar nicht in Frage.
 

ElisabethBulitta

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Einen Hoffnungsschimmer gibt es bei Ora und Dale. Mit einem Mal akzeptiert er den Hund, nimmt ihn mit ins Haus. Vielleicht kann das Tier den Verlust ein kleines bisschen abmildern? Das wäre schön.

Das halte ich jetzt ehr für unwahrscheinlich. Haustiere sind liebt und gut, aber ein Kind ersetzen? Das ist auch nicht ansatzweise möglich, denke ich.