M/W/D: Wie gendergerecht habt ihr im Jahr 2021 gelesen?

otegami

Bekanntes Mitglied
17. Dezember 2021
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Da musste ich jetzt erstmal nachgucken;). Die letzten drei Absätze fassen meine Meinung gut zusammen.

Hmmmm, ich war ja total begeistert!

Ein Hoch auf die unerschütterliche Babuschka!

Minsk: Franzisk Lukitsch, der die meiste Zeit bei seiner Großmutter, Elvira Alexandrowna, lebt, ist ein typischer 16-Jähriger: ob im Lyzeum der Künste oder daheim – er macht keinen Handschlag zu viel!
Als er am Ausgang der U-Bahn-Station auf seine neue Liebe Nastja wartet, fängt es an zu regnen, sogar zu hageln: ‚Als hätte jemand den Himmel zerbrochen‘. Er flüchtet in die Unterführung, wie eine weitere aus allen Himmelrichtungen tausendköpfige Masse. Doch die Türen der U-Bahn-Station waren wegen der Großveranstaltung aus Sicherheitsgründen geschlossen worden! (Diese Beschreibung ist sehr drastisch und geht gewaltig unter die Haut!)
‚Zisk‘ ist nicht einer der 54 Toten, sondern fällt ins Koma! Man schreibt das Jahr 1999! Außer ‚Babuschka‘, ‚Ba‘, die der felsenfesten Überzeugung ist, dass ihr geliebter Enkel wieder aufwacht, glaubt niemand mehr daran. Sie alle – ob Freundin, Mutter, Chefarzt – vergessen ihn mehr oder weniger!
Und ich fand es faszinierend, wie sie jeden Tag bei ihm ist, sich sogar bei ihm einrichtet, mit ihm spricht: ihm nicht nur Geschichten aus ihrer eigenen und ihrer gemeinsamen Vergangenheit, sondern auch die laufenden Ereignisse (und Missstände) in Belarus erzählt. Und Franzisk erwacht und muss sich nach 10 Jahren wieder im Leben zurechtfinden!
Sehr hilfreich waren am Ende die Anmerkungen der Übersetzerin: ob es die Geschichte Belarus im Zweiten Weltkrieg und in der Sowjetzeit, die Flaggen, die Sprachen betraf, oder die Ereignisse, auf die im Buch Bezug genommen wird.
Mir hatte schon das 1. Buch des Autors (‚Rote Kreuze‘) gefallen, von diesem war ich restlos begeistert! Diese Sprachgewalt, diese eindringlichen Schilderungen, diese Eleganz, die Missstände in Belarus aufzuzeigen! Leider kann ich nur fünf Sterne von fünf vergeben. Ich wünschte, es gäbe mehr! Ich freue mich auf weitere Bücher dieses äußerst begabten Autors!
 

otegami

Bekanntes Mitglied
17. Dezember 2021
1.881
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So unterschiedlich lesen wir! Und das macht ja auch Diskussionen und Auseinandersetzung interessanter. Wie oft schon haben mir Mitleserinnen geholfen, ein Buch komplett zu verstehen. Am Ende spielt natürlich der persönliche Geschmack eine Rolle;)
Na und dann spielt ja immer noch die eigene Historie und die Lebensumstände in die Beurteilung mit rein! Als 5-fache Großmutter habe ich natürlich die Szenen von Babuschka und Zisk viel intensiver empfunden! (*Giggel* und deshalb kamen mir wahrscheinlich auch die Figuren nicht klischeebehaftet vor - wenn ich allein an die Großmütter, die ich kenne, oder die unreifen 16-Jährigen, denke......... *schmunzel*) Außerdem sauge ich jede Information, die aus Belerus kommt, wie ein Schwamm auf.
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
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Wie haltet ihr es mit der Gendergerechtigkeit?
Führt ihr eine diesbezügliche Statistik? (Falls nein, macht mal! Ist schnell ausgezählt;))
Bevorzugt ihr bewusst männliche/weibliche/diverse Schriftsteller*innen oder überlasst ihr alles dem Zufall?
Habt ihr diesbezüglich gute Vorsätze für 2022 ?
Könnt ihr Bücher unter diesen Aspekten (Gender, Migration,...) empfehlen?

Ich musste erst mal zählen, aber bei mir war es tatsächlich haargenau 50/50. Ich habe nicht bewusst darauf geachtet, dass es so ausgeglichen ist. Aber ich achte grundsätzlich schon auf Vielfalt.

Ich muss sagen, dass es mich fürchterlich langweilen würde, immer nur zu lesen, wie alte weiße Männer über andere (alte) weiße Männer schreiben. Das heißt nicht, dass ich sowas gar nicht mehr lese. Ich habe ja beispielsweise auch den neuen Schlink-Roman mitgelesen. Aber ich überlege mir auch diesbezüglich genau, was ich zur Hand nehme. Andererseits bin ich etwas genervt von der Flut an sehr plakativen Romanen, die sich gerade aufgrund der Migrations-, Rassismus- und Genderthematik gut verkaufen sollen.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
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Andererseits bin ich etwas genervt von der Flut an sehr plakativen Romanen, die sich gerade aufgrund der Migrations-, Rassismus- und Genderthematik gut verkaufen sollen.
Das geht mir auch so. Und wenn in jedem zweiten Buch (mindestens) ein schwules/lesbisches/diverses Pärchen vorkommt, finde ich das auch übertrieben. Nur weil es gerade "in" ist. Selbstverständlichkeit kann man so auch nicht erzwingen. Die Heteros bilden nunmal statistisch die Mehrheit. Sonst stürbe die Menschheit aus;)