Leseabschnitt Seite 1 bis 289 -entspricht Band 1

Tiram

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4. November 2014
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Matthias Vater war zwar im Haushalt und in der Landwirtschaft nicht so bewandert, aber politisch interessiert war er. Und er wusste schon sehr früh, dass mit Hitler nichts Gutes auf sie zukam.
Jetzt habe ich auch gelesen, dass es in der Familie nicht nur Arbeit gab. Nein, es wurden auch Gesellschaftsspiele gespielt.
 
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Renie

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19. Mai 2014
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Den ersten Teil habe ich jetzt beendet. Bevor ich mich in den 2. Teil stürze, möchte ich zunächst meine Gedanken zu dem Gelesenen runterschreiben. Da einiges an Notizen zusammen gekommen ist, kann es sein, dass meine Kommentare ein wenig unstrukturiert wirken.:confused:

Mathias beginnt eine Ausbildung in Kempten. Von jetzt auf sofort ist seine Kindheit vorbei. Er durchläuft während der Ausbildung zum Gärtner eine harte Schule, die ihm anfangs Startschwierigkeiten bereitet. Aber langsam scheint er Fuß zu fassen, womit sicherlich auch sein Erfolg bei der Arbeit zu tun hat. Im Übrigen scheint Mathias das „Ehrgeiz-Gen“ seiner Mutter mitbekommen zu haben. Er ist sehr zielstrebig und es scheint, dass er das, was er sich in den Kopf gesetzt hat auch erreicht.

Bis jetzt hatte ich ehrlich gesagt Schwierigkeiten den Charakter von Mathias zu begreifen. Alle anderen Personen in dem Buch werden sehr detailliert beschrieben, so dass ich keine Probleme hatte, mir diese vorzustellen. Nur bei Mathias tue ich mich noch schwer, was aber nicht schlimm ist, weil eine Entwicklung zu merken ist. Ich vermute, dass ich Mathias im Verlauf der Handlung besser kennenlernen werde – ganz so, wie man einen fremden Menschen kennenlernt, der zum guten Bekannten wird und vielleicht irgendwann mal zum Freund. (Sorry, das ist schwulstig, ich wusste aber nicht, wie ich es sonst ausdrücken sollte.):confused:

Während Mathias‘ Zeit in Kempten greift die braune Gesinnung um sich. Auch vor seinem Heimatdorf macht diese Bewegung leider nicht halt. Teilweise haben mich die Streitereien der Dorfbewohner um die „richtige“ politische Einstellung an die Rivalität von Fanclubs gegnerischer Fußballmannschaften erinnert.

Die Nationalsozialisten haben mit ihrer Politik „offene Tore eingerannt“. Sie haben es clever verstanden aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung Profit zu schlagen. Dabei war die hohe Arbeitslosigkeit, die der Politik der Weimarer Republik anzukreiden war, nur ein Faktor. Unzufriedenheit gab es in allen Lebenslagen: die Kinder wollten vor ihrem harten Familienalltag, mit all seinen Pflichten entfliehen; die Lehrer hatten ein Problem mit ihrer schlechten Bezahlung; die Bauern hatten mit Misserfolgen zu kämpfen; und die Frauen suchten einfach nur gesellschaftliche Anerkennung. Und schon kamen die Nationalsozialisten und versprachen den Himmel auf Erden. Eigentlich erschreckend, wie einfach das geht. Manchmal habe ich auch in unserer heutigen Zeit den Eindruck, dass wir nicht weit von den damaligen Zuständen entfernt sind, zumal es in unserem Land leider zuviele Lamentierer und Nörgler gibt. Es braucht nur einer zukommen, der sich diese Einstellung zunutze macht und mit den richtigen Versprechungen zu überzeugen weiß….

Ob Mathias in der Lage war, sich vor dem braunen Spirit zu sperren, weil er während der Anfänge berufliche Erfolge und Anerkennung verzeichnen konnte? Zumindest hat es ihm die Verweigerung leichter gemacht. Heutzutage hat man die Vorstellung, dass jeder damals irgendwie von den Nazis indoktriniert worden ist. Insofern ist es wohltuend, zu erfahren, dass es auch Leute gab, die versuchten ihr Leben weiter zu leben und ihren Alltag zu gestalten, ohne auf der braunen Welle mitzureiten. Es war natürlich sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, sich nicht von den Nazis vereinnahmen zu lassen. Aber zumindest war es einen Versuch wert, die politische Situation als nebensächlich zu behandeln.

Bei einer Textpassage aus dem Kapitel „Die Geschichte der Müller-Brüder“ wird der Begriff „Blutauffrischung“ verwendet, und zwar im Zusammenhang mit der Viehzucht. Einige Kapitel vorher geht es ebenfalls um „Blutauffrischung“ (Kap. „Eine Klettertour“) – allerdings in anderer Form: hier wird „die Allgäuer Inzucht“ mit „norddeutscher Jugend“ aufgefrischt („braune“ Familienpolitik). Bei diesen Parallelen zwischen Viehzucht und Rassenlehre musste ich doch sehr schmunzeln.

Abschließend habe ich noch einen Kritikpunkt: manchmal sind mir die Beschreibungen zur Natur oder auch Pflanzenpflege aus dem Gärtnerleben zu detailliert und ausführlich. Für mich war z. B. der Ausflug in die Pflanzenkunde, zur Vermehrung und Zucht von Gladiolen des Guten zuviel.

Oh je, jetzt habe ich mehr geschrieben, als ich wollte. Ich versuche mich bei den anderen beiden Teilen kürzer zu fassen.;)
 

Tiram

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4. November 2014
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Und schon kamen die Nationalsozialisten und versprachen den Himmel auf Erden. Eigentlich erschreckend, wie einfach das geht. Manchmal habe ich auch in unserer heutigen Zeit den Eindruck, dass wir nicht weit von den damaligen Zuständen entfernt sind, zumal es in unserem Land leider zuviele Lamentierer und Nörgler gibt. Es braucht nur einer zukommen, der sich diese Einstellung zunutze macht und mit den richtigen Versprechungen zu überzeugen weiß….

So denke ich auch schon sehr lange, @Renie. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen auf so einen wieder reinfallen würden. Wir lernen halt nicht aus unserer Geschichte.
Und die Lamentierer sind halt wunderbar zu hören. Wenn ich jetzt an die Flüchtlingsproblematik denke. Es sind wieder die Hetzer, die es auf die 1. Seite bringen.
Ich sehe da unsere Politik und die Medien in der Pflicht. Sie müssen sich eindeutig positionieren.

Mir wird gerade Matthias Mutter immer unsympathischer. Nachdem er monatelang nach dem Brand beim Vetter ausgeholfen hat, sich drangsaliert lassen hat, ist ihr einziger Kommentar. "Der Mateis ist jetzt ein braver Bua gworda."
 
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Renie

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19. Mai 2014
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So denke ich auch schon sehr lange, @Renie. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen auf so einen wieder reinfallen würden. Wir lernen halt nicht aus unserer Geschichte.
Und die Lamentierer sind halt wunderbar zu hören. Wenn ich jetzt an die Flüchtlingsproblematik denke. Es sind wieder die Hetzer, die es auf die 1. Seite bringen.
Ich sehe da unsere Politik und die Medien in der Pflicht. Sie müssen sich eindeutig positionieren.

Mir wird gerade Matthias Mutter immer unsympathischer. Nachdem er monatelang nach dem Brand beim Vetter ausgeholfen hat, sich drangsaliert lassen hat, ist ihr einziger Kommentar. "Der Mateis ist jetzt ein braver Bua gworda."
Man kann nur hoffen, dass wir aus unserer Geschichte gelernt haben, @Tiram . Aber ich habe meine Zweifel, wenn ich sehe, was momentan in Deutschland los ist:(
 
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21. September 2014
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Bredstedt
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Liebe @Renie,
das hast Du wunderbar geschrieben.Das Du Matthias noch nicht einschätzen kannst war beabsichtigt, ich wollte hier einen gewissen Spannungsbogen aufbauen.Ich versprach Dir das Du Matthias von Band zu Band besser kennen lernen wirst :) Die botanischen Ausflüchte bitte ich zu entschuldigen, ich hatte diese schon um 50% gekürzt :)
 

thenight

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3. Juni 2015
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So ich bin mit dem ersten Buch auch durch, im Großen und Ganzen hat es mir sehr gut gefallen, ich weiß jetzt auch eine Menge über Botanik ;o) Ich glaube ja Matthias hat noch Glück gehabt in seinem Leben, er konnte zur Schule gehen und eine Ausbildung machen und musste nicht wie viele andere in Stellung bei einem Bauern gehen der ihn evtl. nicht gut behandelte, also noch schlimmer als die jungen Leute damals eh schon behandelt wurden.
Eine Frage nebenbei, als wir hier her zogen wunderten wir uns über die vielen *Kleinbauern* also von den Nachbarn wurde immer erzählt,wem welches Äckerle gehörte, die Felder waren zudem auch oft ziemlich klein, im Heimatmuseum erfuhren wir dann, das es in Schwaben üblich war den Hof an alle Kinder (vielleicht auch nur an die Söhne) zu vererben, in der Gegend aus der du stammst schien das anders gewesen zu sein, richtig?

Renie hat schon viele meiner Gedanken niedergeschrieben ;o) Ich schließe mich ihr mal fast vollständig an

Ich glaube ja auch nicht das wir viel gelernt haben aus der jüngeren Geschichte unseres Landes, mittlerweile glaube ich eher das genau wie damals der Großteil der Menschen hier *Hurra* schreit wenn wieder einer kommt und ein Tausendjähriges Reich in Wohlstand verspricht. Und am Ende hat wieder keiner etwas mitbekommen. Ich erinnere mich noch gut, wie stolz wir waren, wenn in der Schule von den Naziverbrechen die Rede war, das uns das niemals passieren würde, wir wären tolerant jedem Einzelnen gegenüber, egal welches Geschlecht, welcher Religion oder aus welchem Land er käme,wir dachten doch tatsächlich, sobald die letzten Nazis weggestorben wären hätten wir sie ein für alle mal überwunden.Was waren wir Naiv.
 

Tiram

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Moin, lieber @Autor-Martin-Buehler,

vier Jahre hast Du an dem Werk gearbeitet. Darf ich fragen, wie das Manuskript Deines Vaters aussah? Wollte er eventuell selbst ein Buch daraus machen? Oder war es eher in Tagebuchform geschrieben? Und was und wie musstest Du eventuell noch recherchieren?
 
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Maritahenriette

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5. Juli 2015
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Sorry das ich jetzt erst wieder dazu stoße.
Am Anfang des Buches habe ich während des Lesens oft an meine ländliche Kindheit gedacht und viele Erinnerungen sind bei mir wieder hoch gekommen. Zuerst einmal danke dafür Martin. Auch wenn ich das natürlich nicht mit dem Inhalt vergleichen möchte.
 

Caro

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Landau
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Lieber @unclethom, ich hab lange mit mir gerungen ob ich den Dialekt verschwinden lassen soll.Vor kurzem hatte ich ein Buch mit rheinländischer Mundart und ich muss sagen das es mich teilweise störte das Worte dabei waren die ich nicht kannte und auch nicht verstand.
Die schwäbischen Ausdrücke machen das Buch zu etwas Besonderen und es wirkt authentischer, mir dies besonders gut gefallen.
 
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Caro

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Landau
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In Teil 1 zitterte ich mit, habe gelitten, mich gefreut und saugte alles geschichlliche regelrecht auf, denn man bekommt ja genug Info´s über das Leben der damaligen Zeit ob auf dem Land oder der braunen Zeit. Ich bewundere den Protagonisten sehr, dass er seinen Weg trotz widrigen Umständen gegangen ist, auch gegen das braune Regime. Welch schreckliche Zeit dies war! Habe das in meiner Rezension auch zum Ausdruck gebracht.
 
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Tiram

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Moin, ihr Lieben,

ich gebe es zu: Ich hänge derzeit ein bisschen. Kam die letzten Tage nicht richtig zum Lesen. Habe mich viel bei Facebook getummelt und die Entstehung von Blogger für Flüchtlinge verfolgt.

Und, lieber Martin, obwohl ich Biografien unheimlich gerne lese, habe ich mich derzeit in den vielen Details verloren. Was die Gärtnerei anbbelangt.
Ansonsten lese ich mit Unbehagen weiter. Weil ich mir vorstellen kann, dass wir noch erfahren werden, wie sich Menschen entwickeln können, wenn sie die Macht in Hände bekommen.
Ich habe die letzte Zeit so einige Bücher "Gegen das Vergessen" gelesen und bin immer wieder erstaunt, zu was für Monster wir werden können.

Ich klicke mich nun für ein paar Tage aus, da ich ja ab 1. eines jeden Monats mit meiner Lesefreundin gemeinsam ein Buch lese. Bis dahin also.