Hier wird die Geschichte aus Sicht von Stella aufgerollt.
Und auch hier wird wieder abgewechselt zwischen der Gegenwart und den Gedanken, die Stella sich zu ihrer (Familien-)Geschichte macht.
Die Ansichten zum Knast lesen sich bedrückend, im Prinzip sogar recht brutal. Mich würde wirklich interessieren, inwiefern die Schilderungen von Isolationshaft und Beobachtungszelle realistisch sind. Klar, im Gefängnis geht es brutal zu, aber letztendlich hat Stella eventuell einen Mord begangen (was nicht bagatellisiert werden soll), ist jedoch keine Schwerestverbrecherin, die bestialisch mehrere Menschen umgebracht, gequält, vergewaltigt … hat. Außerdem ist sie 19 und, wie es scheint, nicht nur innerlich zerrissen, sondern auch gestört. Irgendwie finde ich die Art und Weise, wie sie behandelt wird, nach wie vor seltsam und wohl auch unverhältnismäßig. Allerdings fehlen mir da absolut die Einblicke.
Interessant finde ich die Aussagen, dass es ihrem Vater und auch ihrer Familie in erster Linie um Kontrolle (den Eindruck hatte ich bei der Schilderung des Vaters ja auch schon) und das Wahren des Gesichts geht. Auch die Einsicht, dass es darum geht, Geheimnisse mit sich herumzutragen und die Fassade aufrechtzuerhalten, spricht für Stellas analytische Fähigkeiten. Allerdings muss ich auch feststellen, wie Stella selbst es ja auch tut, dass gerade Letztere bei den meisten Familien eine Rolle spielen. Dazu passt auch m.E. gut der Titel „Die Lüge“: Ich frage mich auch manchmal, ob viele Menschen (mich selbst eingeschlossen) nicht sich selbst belügen, nur um vor sich und anderen gut dazustehen.
Ein wenig habe ich den Eindruck, dass Stella gegen ihre Eltern und auch die Gesellschaft opponiert und sich selbst damit Probleme verschafft. Ich denke, mit dem „Anbaggern“ von Robin wollte sie sowohl ihren Vater resp. ihre Eltern als auch Robin selbst provozieren, und dann ist die Sache aus dem Ruder gelaufen (was natürlich Robins Rolle in keiner Hinsicht besser macht, er als Schutzbeauftragter, ob Kirchenmitglied oder nicht, hätte sich natürlich von ihr distanzieren müssen).
Die Begegnung mit Chris ist schon ein wenig gruselig, finde ich. Aber auch hier wird wieder Stellas Zerrissenheit deutlich: Auf der einen Seite reagiert sie irritiert, auf der anderen verursacht sein Verhalten bei ihr eine Gänsehaut. Aber dieses zwiespältige Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen, besonders gegenüber denen, die ihr (zu) nahe stehen, scheint sich durch Stellas Leben hindurchzuziehen. Ich finde teilweise auch ihren Umgang mit Amina sehr widersprüchlich, genau wie den mit ihren Eltern.
Interessant finde ich zudem, dass Stella sich selbst durchaus analysiert, aber offenbar nicht fähig ist, aus ihrem (Verhaltens-)Muster auszubrechen.
Jedenfalls bin ich sehr gespannt, ob wir nun Genaueres über den Mord erfahren.