Kapitel 11-20

Helmut Pöll

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Die Beschreibung der Nacht, in der der Zug mit dem Zirkus kommt, finde ich fantastisch. Sie hören eine Orgel spielen, aber als sie unter der Eisenbahnbrücke stehen und der Zug an ihnen vorbeifährt sitzt niemand an der Tastatur der Orgel. Alles ist dunkel und schwarz.

Einer der beiden Zirkusbetreiber, Mr. Cooger, fährt auf dem Karussell und wird bei jeder Rückwärtsdrehung jünger. Als Jim und Will den zum Jungen gewordenen Mr. Cooger in die Stadt verfolgen spricht will von "Es" (S. 80)

[zitat]Es..warum denke ich immer an Es? Er ist ein Junge..[/zitat]
Hat Stephen King diese Geschichte gekannt. Das unterstelle ich jetzt einmal. Kommt daher der Name von Kings "Es" ?

Ich habe dazu mal ein wenig recherchiert. Stephen King hat mehrfach gesagt, dass er von Bradbury inspiriert wurde und dass er durch Bradbury erstmals mit Horror in berührung gekommen ist.
thekingofcastlerock.blogspot.de: Stephen King -The King of Castle Rock: The Stephen King - Ray Bradbury Paradox
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Mir gefiel die Beschreibung des Schlafes in Bezug auf den Tod sehr gut. 3 Uhr wird von Bradbury als sehr kritisch beschrieben. Musste bei der Vorstellung wirklich schmunzeln, zumal er Frauen ja besseren Nachtschlaf prognostiziert. Wo für mich aber auch wieder ein Punkt erreicht ist, an dem ich mich frage, was will mir der Autor damit sagen? Ist es nur eine Umschreibung für die Ein/Durchschlafprobleme von Charlie Halloway?
@Helmut Pöll mir fiel im ersten Abschnitt auch direkt King ein während des Lesens....wusste aber bisher nicht, das dieser Bradbury kennt und ihn das eventuell inspiriert hat. Das unterschwellige Grauen hat King jedenfalls ähnlich gut drauf wie Bradbury
 

Sebastian

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[zitat]Es..warum denke ich immer an Es? Er ist ein Junge..[/zitat]
Hat Stephen King diese Geschichte gekannt. Das unterstelle ich jetzt einmal. Kommt daher der Name von Kings "Es" ?

Ich habe dazu mal ein wenig recherchiert. Stephen King hat mehrfach gesagt, dass er von Bradbury inspiriert wurde und dass er durch Bradbury erstmals mit Horror in berührung gekommen ist.
thekingofcastlerock.blogspot.de: Stephen King -The King of Castle Rock: The Stephen King - Ray Bradbury Paradox

Danke für den Link! Ich habe auch schon mal kurz nach so einer Aussage gesucht, musste dann aber wegen familiärer Verpflichtungen abbrechen. Wie gesagt, der Eindruck, dass King die Geschichte kannte, verstärkt sich später noch einmal mehr. Die Querverbindung von der Bezeichnung Coogers zum Buchtitel habe ich aber offen gestanden nicht gezogen. Aber jetzt wo du es sagst, klingt es nur logisch und nachvollziehbar.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Mir ist auch ein Bezug aufgefallen. Kennt einer von euch "Herr der Diebe" von Cornelia Funke? Da gibt es in Venedig auf einer abgelegenen Insel auch ein Karussell, auf dem je nachdem ob es vor- oder rückwärts fährt, älter oder jünger wird. Ob Funke Bradbury kennt?
Ich finde die Atmosphäre auch extrem gruselig, obwohl immer noch offen gelassen wird, ob die Jungen sich das alles nicht nur einbilden. Zumindest schwingt meines Erachtens die Möglichkeit mit.
Und warum hat der Vater solche Angst vor dem Zirkus? Kennt er die Gefahren? Was haben die Lehrerin und Jim im Spiegelkabinett gesehen?
Obwohl die beiden Jungen zusammengehören, scheint die Erfahrung des Karussells sie zu trennen.
@Sassenach123 : Die Bemerkung, dass Frauen gut schlafen, fand ich auch interessant und sehr fragwürdig ;)
 

wal.li

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Oh ja, die Stimmung in dem Buch ist sehr gruselig. Da fällt mir ein, weshalb ich Zirkus, Clowns (da hat Stephen King mich verdorben), Spiegelkabinette, Geisterbahnen u. ä. nicht so mag. Die Jungen sind an der Schwelle zum Erwachsen werden, haben eine überbordende Phantasie und sind sehr neugierig. Will scheint der Vernünftigere zu sein, während Jim die Grenzen austestet. Mit der Ehe von Wills Eltern scheint es nicht so gut zu stehen. Hat es etwa mit der Vergangenheit zu tun, das Wills Vater so schlecht schläft. Bei der Schilderung der Todesstunde habe ich mich gefragt, ob es vielleicht tatsächlich die Zeit ist, zu der die meisten Menschen sterben. Als Film möchte ich die Geschichte echt nicht sehen, ich müsste mir wahrscheinlich die meiste Zeit etwas vors Gesicht halten und den Ton abdrehen. Trotzdem ist da Buch sehr spannend, die Sprache bremst mich nicht.
 

anne_weiss

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So wirklich viel ändert sich nicht. Ich finde das Buch immer noch sehr anstrengend, auch wenn Bradburys Schreibe auf der anderen Seite schon eine gewisse Atmosphäre schafft. Die ganze Story wirkt mysteriös und undurchschaubar, besonders die Dialoge der beiden Jungs muten mitunter ein ziemlich seltsam an.
Ich gebe dir absolut recht @Sebastian - mich reißt es immer wieder raus. Die Wortbilder finde ich oft übertrieben, irgendwie grob, so als hätte kein Lektor ihm zur Seite gestanden ;-) (Berufskrankheit, dass ich da sofort drauf gucke, was ich gestrichen/verbessert hätte ...)
"Nein. Wills Lippen formten das Wort. Sims Lippen sagten auch nein." Das ist einfach unelegant, finde ich, sorry, Klassiker hin oder her. Auch Sprecherverben sind oft keine: "keuchte er" - das nervt mich. Genau wie die vielen Bezeichnungen, die aus unterschiedlichen Richtungen stammen: Da hat Mr. Cooler "Puppenaugen", eine "Pekinesenzunge" (warum winzig, das Wort sagt es doch schon...), "Insektenpupillen" und das Ganze in einer "Karnevalsmaske". Das geht für mich alles nicht zusammen, wirkt zwar im Einzelnen schön, aber im Ganzen wirr... Frage mich, ob es noch jemandem so geht. Und den Move mit der Tante fand ich seltsam. Ob sie wirklich einen Neffen hat, der so heißt und den spielt Mr. Cooger nur? Oder hat sie gar keinen Neffen und glaubt nur unter Mr. Coogers Einfluss, sie hätte einen. Rätselhaft, wie so vieles in diesem Buch, das auf mich ein wenig traumartig wirkt, bisschen wie die Filme von David Lynch.

Gut gefallen hat mir wie @Helmut Pöll der Einzug des Zirkus in der Nacht, sehr atmosphärisch.

Dass mir das Ganze sprachlich so missfällt, könnte - um Bradbury ein wenig zu entlasten - zwei Faktoren geschuldet sein: Der Zeit und dem Übersetzer...
 

anne_weiss

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Ich glaube auch, dass Dir viel mehr Dinge auffallen als uns "normalen" Lesern. Aber die Sprache ist in jedem Fall ungewohnt, @anne_weiss . Meinst Du, dass das der Übersetzer zu verantworten hat?

Als Übersetzerin hätte ich wahrscheinlich nicht "keuchte er" geschrieben, sondern entweder ..." Er keuchte. "... oder "...", sagte er keuchend.
Als Lektorin hätte ich vermutlich aus "winzige Pekinesenzunge" nur "Pekinesenzunge" gemacht. Als Autorin weiß ich nicht, ob ich so viele unterschiedliche Begriffe wie Pekinesenzunge, Insektenaugen, Puppengesicht etc. alle auf zwei Seiten geschrieben hätte. ;-)

Heute kann das der Verlag natürlich nicht mehr so gut ändern, weil es Fans gibt, die das merken - und auch, weil man da ungern dran rührt, wenn es ein Klassiker ist.

Was ich damit sagen möchte ist, dass man als Übersetzer oder Lektor die Möglichkeit hat zum einen Kleinigkeiten, die in der deutschen Sprache störend wirken, auszugleichen. Zum anderen kenne ich den Originaltext nicht, es kann also auch durchaus sein, dass Bradbury einiges anders geschrieben hat und der Übersetzer etwas übertreibt.

Hier ein sehr interessantes Interview mit der vielgepriesenen Übersetzerin und Autorin Isabel Bogdan zum Thema: Übersetzen (Belletristik und Sachbuch): Isabel Bogdan - Birte Vogel
 

parden

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[zitat]Es..warum denke ich immer an Es? Er ist ein Junge..[/zitat]
Hat Stephen King diese Geschichte gekannt. Das unterstelle ich jetzt einmal. Kommt daher der Name von Kings "Es" ?

Ich habe dazu mal ein wenig recherchiert. Stephen King hat mehrfach gesagt, dass er von Bradbury inspiriert wurde und dass er durch Bradbury erstmals mit Horror in berührung gekommen ist.
thekingofcastlerock.blogspot.de: Stephen King -The King of Castle Rock: The Stephen King - Ray Bradbury Paradox

Der Gedanke kam mir auch sofort - interessant, was Du herausgefunden hast! :)
 

parden

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Und warum hat der Vater solche Angst vor dem Zirkus? Kennt er die Gefahren?

Es wirkt ein wenig so, als habe der Vater vor vielen Jahren eine ähnliche Erfahrung gemacht, dann aber mit allem abgeschlossen - es verschlossen - und darüber zu leben vergessen. Diese Sehnsucht in ihm, als er die Jungen rennen sieht... So war er früher vielleicht auch einmal, durch das Erlebnis mit dem Zirkus jedoch ist alles anders geworden - so jedenfalls meine Fantasie hierzu... :)
 

parden

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Mir ist auch ein Bezug aufgefallen. Kennt einer von euch "Herr der Diebe" von Cornelia Funke? Da gibt es in Venedig auf einer abgelegenen Insel auch ein Karussell, auf dem je nachdem ob es vor- oder rückwärts fährt, älter oder jünger wird. Ob Funke Bradbury kennt?

Ich kenn das Buch (noch) nicht, auch wenn es mich schon lange reizt... :) Aber offensichtlich haben sich etliche Autoren unerkannt von Bradbury inspirieren lassen - denn seien wir mal ehrlich: wer kennt schon diesen Roman von Bradbury? Das ist wohl eher ein illustrer Kreis, oder?
 
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An die Sprache gewöhne ich mich allmählich, habe aber ähnlich wie andere hier zum einen nach wie vor Probleme mit der überbordenden Bildhaftigkeit (es wirkt stellenweise wirklich überfrachtet) und zum anderen auch weiterhin mit dem Text hinter den Zeilen. Was ist die eigentliche Bedeutung? Ist alles wörtlich zu nehmen? Was ist Traum, Gedanken, Fantasie - was Realität? Gruselig ist es in jedem Fall, und ich bin gespannt, wer da künftig so alles mit dem Karussell fahren wird...
 
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@parden: Herr der Diebe ist ein sehr schöner Jugendroman, der sich darum dreht, dass ein Junge unbedingt älter werden möchte, um seinem tyrannischen Vater zu entkommen. Auch hier ist es ein Karussell, das das Alter verändert. Konnte aber nicht herausfinden, ob Funke sich von Bradbury hat inspirieren lassen.
 
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