Kapitel 1-4 (S.15-59)

wal.li

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Wenn man zu lesen beginnt, hat man natürlich die Bilder des Films im Kopf. Die Musik werde ich mir nochmal raussuchen und vielleicht das eine oder andere Kapitel damit begleiten. Interessant fand ich, dass die Erzählung eigentlich nicht unbedingt zur Veröffentlichung bestimmt war und dass der Autor den Film als Endfassung der Erzählung betrachtete. Die eigentliche Geschichte fesselt von Beginn an, obwohl es in den ersten Passagen hauptsächlich darum geht, Martins in Wien ankommen und misstrauisch werden zu lassen.
:)
 

Querleserin

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Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die den Film nicht kennt. Den werde ich mir nach der Lektüre anschauen, so kann ich jedoch "unbelastet" an die Erzählung herangehen, die laut Greene ein Rohmaterial für das Drehbuch gewesen ist.
Im 1.Kapitel spricht ein Ich-Erzähler die Leser/innen direkt an:
"Wenn Sie diese seltsame, ziemlich traurige Geschichte verstehen wollen, müssen Sie wenigstens einen Eindruck vom Hintergrund bekommen - von der zerstörten, trostlosen Stadt Wien,...." (S.16)
Der Ort wird uns vorgestellt, Wien im Februar 1945, wie @wal.li schon beschrieben hat. Und die Protagonisten tauchen ansatzweise auf. Rollo Martins wird als sympathischer "fröhlicher Trottel" beschrieben und wir erfahren, dass Harry Lime mit Mühe auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben wurde.
Von Entführungen ist die Rede - insgesamt werden wir sehr neugierig gemacht.
Der Ich-Erzähler teilt uns mit, dass er das folgende Geschehen, das sich im Februar 1945 ereignet hat, aus seiner Sicht ein Jahr her, aus den Akten rekonstruiert hat, aus dem Erinnerungsvermögen Martins heraus. Man darf gespannt sein.
 

Querleserin

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2.Kapitel:
Rollo Martins scheint tatsächlich ein Frauenheld zu sein:
"er versuchte stets, Frauen als "Zwischenfälle" abzutun, Dinge, die ihm ohne eigenes Zutun einfach zustießen" (S.18).
Daneben schreibt er billige Western-Heftchenromane und wird von seinem alten Schulfreund Harry Lime nach Wien eingeladen. Harry verspricht ihm seine Ausgaben zu bezahlen.
Angekommen in Wien steht Martins aber allein da und so sucht er Lime in dessen Wohnung auf, um zu erfahren, dass er verstorben ist - von einem Auto überfahren - und gerade beerdigt wird.
Nach der Beerdigung spricht ihn der Ich-Erzähler, der für Scotland Yard arbeitet an, um Informationen von ihm über Harry zu erhalten, der als Schieber inhaftiert worden wäre.
Was er veschoben hat, erfahren wir noch nicht.
Rollo reagiert aggressiv auf diese Eröffnung und will dem Ich-Erzähler, Calloway, beweisen, dass seine Anschuldigungen haltlos sind. Eine Ankündigung, die der Agent nicht ernst nimmt.

Sehr spannend bisher und eine wunderbare Sprache, mit trockenem Humor durchsetzt:
"ein Schneetoupet war über ein Engelsgesicht verrutscht, ein Heiliger trug einen dichten, weißen Schnurrbart, und ein Tschako aus Schnee saß in beschwipsten Winkel auf der Büste eines höheren Staatsdieners namens Wolfgang Gottmann." (S.27)
 

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3. Kapitel
Jetzt wird es etwas komplizierter. Nachdem Paine, der Fahrer von Calloway oder Callaghan, wie ihn Martins nennt, diesen im Hotel Sacher abgesetzt hat, erwartet ihn ein gebuchtes Zimmer auf den Namen Dexter und ein Mann namens Crabbin, der sich entschuldigt, ihn nicht vom Flughafen abgeholt zu haben. Es scheint, dass Rollo Martins, der seine Western unter dem Pseudonym Buck Dexter veröffentlicht wird, mit dem bekannten Autor Benjamin Dexter verwechselt wird. (Bereits in Frankfurt am Flughafen ist er darauf angesprochen worden) Er soll am übernächsten Tag an einer Diskussion zum zeitgenössischen Roman teilnehmen. Crabbin hat aber auch Lime gekannt und verrät Martins, wer die junge Frau am Grab Harrys gewesen ist - mutmaßlich eine ungarische Schauspielerin.
Im Hotel erhält Martins einen Anruf von einem gewissen Kurtz, angeblich ein Freund Limes, der bei ihm gewesen ist, als er gestorben ist. Da passt einiges nicht zusammen. Sagte Calloway nicht, Limes sei sofort gestorben??
Am nächsten Morgen will Rollo den Freund treffen, wir dürfen gespannt sein.
 

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4.Kapitel
Das Kapitel beginnt mit einem Gespräch zwischen Rollo und Calloway, an das sich jener zurückerinnert. Rollo beschreibt ihm Kurtz und erzählt, dass Anna Schmidt, die Schauspielerin, die Freundin Harrys gewesen ist.
Von Kurtz hat Rollo an jenem Vormittag erfahren, dass Lime vor seinem Haus überfahren wurde, als er auf die andere Straßenseite zu seinem Bekannten, dem Amerikaner Cooler (!) hinübergehen wollte. Im Sterben habe er Kurtz gebeten, sich um Rollo zu kümmern und ihm ein Rückflugticket zu besorgen.
Martins äußert die Vermutung, mit dem Tod stimme etwas nicht und erzählt Kurtz, dass die Polizei glaubt, Harry sei in Schiebereien verwickelt gewesen. Kurtz reagiert erstaunlich cool;). Er gibt Rollo jedoch die Adresse von Cooler und seine eigene. Und doch ist er verdächtig, denn beim Abschied fährt seine Hand über den Mund

"und [wischte] das Lächeln weg, als wäre es nie da gewesen." (S.59)

Diese verschiedenen Zeitebenen sorgen für zusätzliche Spannung, da der Colonel Calloway rückblickend von den Ereignissen erzählt, kann er Vorausdeutungen und Andeutungen machen, kann falsche Spuren legen und Ereignisse bewerten. Ich finde es bis jetzt klasse!
 

wal.li

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Ich habe allerdings auch schon gedacht, ich möchte mir den Film nochmal anschauen, um vielleicht auch die Unterschiede noch genauer zu erkennen.
:)
 

parden

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Sehr spannend bisher und eine wunderbare Sprache, mit trockenem Humor durchsetzt:

Das ist mir hier auch an vielen Stellen aufgefallen - oft musste ich richtig auflachen. Das passt nicht wirklich zu dem Film (jedenfalls so weit ich mich daran erinnere). Der ist einfach düster - ich würde ihn fast als Film Noir bezeichnen. Die tollen Illustrationen im Buch allerdings passen wieder hervorragend zum Film. Allein deshalb muss man sich den Film im Anschluss wohl noch einmal anschauen - wie sehr hat sich die Zeichnerin vom Film wohl inspirieren lassen?

 

Literaturhexle

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Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die den Film nicht kennt.
Da kann ich dich trösten: ich kenne ihn auch nicht! Trotzdem habe ich ein paar Bilder im Kopf: das Schwarzweiße und die Titelmusik sagten mir schon etwas. Wie es aber in meinen Kopf kam, kann ich nicht sageno_O
wie sehr hat sich die Zeichnerin vom Film wohl inspirieren lassen?
Sie hat sich wohl recht stark daran angepasst. Das verwundert aber nicht, da es sich bei dem Buch ja wirklich um "das Buch zum Film " handelte.
 
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Literaturhexle

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Jetzt wird es etwas komplizierter.
Das ist mir auch aufgefallen. In relativ kurzer Zeit werden augenscheinlich wichtige Charaktere eingeführt, die sich meist im Dialog unterhalten. Jedes Kapitel entspricht einer neuen "Szene". Jedes Kapitel bringt viel an Information, insofern finde ich die Zusammenfassung hilfreich, @Querleserin, besonders, wenn man den Film nicht kennt.

Man bekommt auch eine Ahnung, wer auf welcher Seite spielt. Dieser Kurtz scheint mir auch nicht ganz aufrichtig zu sein... wäre Martins gerne schnell wieder los.

Der Zufall mit der Namensverwechslung im Hotel- wirklich Zufall oder geplant?

Lustig auch die Trennung zwischen "Rollo" und "Martins" an einigen Stellen im 2. Kapitel:
[zitat]Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Martins der Volltrottel war, als den Rollo ihn hingestellt hatte." (S. 40)[/zitat]
 

Buchplauderer

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Kennengelernt habe ich Rollo Martins und Harry Lime in der siebten Klasse bei der Englisch-Lektüre von „The third man“!

Schon damals hat mich die Geschichte in den Bann gezogen, was bei Schullektüren ja meist nicht der Fall ist! ;-)

Natürlich habe ich mir dann auch die Verfilmungen angesehen und die Filmmusik, virtuos auf der Zither gespielt, wurde ein Ohrwurm, den man nicht vergisst.

Nun halte ich das wunderschön illustrierte Buch der Büchergilde in Händen, das ich im Rahmen unserer Leserunde gewonnen habe.

Und schon bin ich wieder mitten im Geschehen:

Im zerstörten Wien nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt liegt am Boden. Amerikanische, französische, englische und sowjetische Demarkationslinien prägen das Geschehen in der Stadt.

Diese Kulisse betritt Rollo Martins, der von seinem alten Schulfreund Harry Lime eingeladen wurde. Bei seiner Ankunft erfährt Martins, dass sein Freund bei einem Autounfall um´s Leben gekommen sei. Er kommt gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung. Dort spricht ihn nach der Beisetzung der Polizeichef von Scotland Yard, der Ich Erzähler Calloway, an.
Er möchte von Rollo Martin Informationen über Harry Lime erfahren, den er der Schieberei verdächtigt.
Rollo Martin will nicht, dass das Andenken seines Freundes in den Dreck gezogen wird und will dem Polizeichef beweisen, dass seine Anschuldigungen haltlos sind. Er weist dessen Aufforderung, wieder zurückzufahren wütend zurück und lässt sich zu einem Hotel bringen.
Nun betritt Kurtz die Bühne und behauptet ein Freund Harrys gewesen zu sein. Er teilt Rollo Martin mit, dass Harry ihn noch nach seinem Unfall gebeten habe, sich um ihn zu kümmern!
Aber hatte Calloway nicht behauptet, Lime sei sofort tot gewesen …

Graham Greene gelingt es seine Leser mit einer gewählten Sprache, die mit einer Prise trockenen Humors versetzt ist, sofort zu fesseln!










sei. Noch dazu bezichtigt der Polizeichef den Toten schwerwiegender Verbrechen im Zusammenhang mit einer Penicillin-Mafia im Untergrund. Martins geht dem Rätsel um den "dritten Mann", einen mysteriösen Zeugen des angeblichen Unfalls, auf eigene Faust nach. Was er dabei aufdeckt, gefällt ihm ganz und gar nicht ... Von der Ankunft in Wien bis zur spektakulären Verfolgungsjagd durch die Abwasserkanäle der Stadt wurde Greenes Roman von Carol Reed mit Orson Welles und Joseph Cotten kongenial verfilmt. Greene selbst sah den Film als das eigentliche Werk und den Roman nur als Vorstufe dazu an. Das Ergebnis: Einer der größten Thriller der Nachkriegszeit und ein Klassiker des Film noir. Die Filmmusik, vom Volksmusiker Anton Karas komponiert und auf einer Zither gespielt, wurde ein Welthit.