III. Teil - Drinnen und draußen

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Jetzt aber - das Baby ist unterwegs und Thea quält Rudolf damit, dass sie es unter Umständen wegmachen lassen will.
Zum ersten Mal erfahren wir etwas über Rudolfs Kindheit, seine kulturellen und religiösen Wurzeln. Sehr interessant, dass er sich selbst als Jugendlicher Verletzungen zugefügt hat. Zusammen mit der Stimme in seinem Kopf, die ihn mit der Wahrheit über seine Beziehung zu Thea konfrontiert, hat das schon pathologische Züge. Oder?
 
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Pathologische Züge finden sich auch in der Familie Theas - von ihrem sadistischen Verhalten mal abgesehen. So tötet ihr Bruder qualvoll ein Katze, weil er angeblich geträumt hat, sie wolle ihn erwürgen - Quälereien - physisch und psychisch.
Und wieder findet sich Rudolf bei Lotte wieder, nachdem seine Frau ohne ihm Näheres mitzuteilen nach dem Familienessen verschwindet. Lottes freundliche Gesinnung zieht ihn an - sie bildet wie @Literaturhexle bemerkt hat, einen Kontrast zur herrischen Thea, die sich ein neues Spiel für Rudolf ausgedacht hat: Sie behauptet, das Kind sei nicht von ihm.
Er kann einem wirklich Leid tun, sie stellt sich die Frage, wie lange er dies alles erträgt, ohne sich zu wehren. Was würde geschehen, wenn er es versuchte?
 
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Zum ersten Mal erfahren wir etwas über Rudolfs Kindheit, seine kulturellen und religiösen Wurzeln. h
Ja, er empfindet eine "eigenartige Lust" und so was wie "Rache" wenn er sich eine Nadel ins Handgelenk gestochen hat.
Wenn christliche Jungen über ihn herfielen und er böse zugerichtet nach Hause ging empfand er "eine eigentümliche Befriedigung" eine Art "genussvolle Nervenberuhigung"

Oh je der Arme. Er hat da gelernt, dass ihm Selbstverletzung kurzzeitig hilft gegen seine Unruhe und Nervosität.
Ich sehe da auch einen Zusammenhang mit seinem Fable für Rasierklingen als Mann. Er genießt das schabende Geräusch auf seiner Haut...(vielleicht überinterpretiert?)
 
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So tötet ihr Bruder qualvoll ein Katze, weil er angeblich geträumt hat, sie wolle ihn erwürgen - Quälereien - physisch und psychisch.

Der Bruder von Thea wirkt auch psychisch krank. Das klingt ja wie Verfolgungsideen. Aber ich glaube, dass die Szene mit der getöteten Katze - der Bruder erwürgt sie ja, und hat vorher den Traum, dass die Katze ihn erwürgt hätte - auf eine weitere Gewalteskalation in der Beziehung von Rudolf und Thea hindeutet. Zumal Rudolf von dem Bruder nach dessen Geschichte ja eingeschüchtert ist und ihm doch noch Geld leiht. Außerdem hat er sich vorher eine Katze gewünscht, er steht in der Geschichte für die Katze. Denke ich.

Ich habe das Gefühl, dass in dem Buch vieles eine Anspielung ist auf Dinge die später kommen können.
 

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Er kann einem wirklich Leid tun, sie stellt sich die Frage, wie lange er dies alles erträgt, ohne sich zu wehren. Was würde geschehen, wenn er es versuchte?
An einer Stelle heißt es ja sie würde ihn mehr ins Herz schließen wenn er sich wehren würde, seine Unterwürfigkeit würde sie reizen ihn noch mehr zu quälen. Aber ob die Ehe dann besser wäre, wenn er sich wehren würde? Er könnte sich wehren. Er wehrt sich ja auch gegen einen Mann im Cafe, der ihm Rauch ins Gesicht bläst.
Ich denke, wenn er sich wehren würde, hätte er bald den Reiz für Thea verloren. Rudolf kann sich nicht wehren, weil er Thea irgendwie braucht, weil er von ihr abhängig ist.

Lotte sagt an einer Stelle, dass die Beziehung zwischen Thea und Rudolf nur mit einer Katastrophe enden könne. Das Orakel Lotte hat sicher recht...ich bin bespannt.
 

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Ich bin jetzt am Ende des dritten Kapitel angekommen. Da gibt es einen interessanten Dialog zwischen Thea und Rudolf.
Rudolf meint es mangelt an Erbarmen in dieser Welt. Thea kontert: Das ist die Sehnsucht der Schwachen...die Welt braucht kein Erbarmen...die Schwächlinge haben kein anderes Heil als schnellstens aus der Welt zu verschwinden...
Da musste ich an den Holocaust denken! Das liest sich richtig prophetisch. Vogel wurde ja tatsächlich von den Nazis ermordet. Thea befürwortet die Philosophie der Nationalsozialisten. Sie spricht von den Erlauchten, den Starken. Rudolf erkennt da Nietzsches Philosophie vom Übermenschen, auf den die Nazis sich bezogen haben.
Vielleicht ist das überinterpretiert. Jedenfalls kann man das im Nachhinein da reinlesen.

Im Roman selbst ist es eher so gemeint, dass Rudolf ja mit allen Mitleid hat, nur mit sich selbst nicht. Er versucht sich immer noch einzureden, dass bei ihm alles gut ist. Obwohl seine Frau ihn schlägt, fremdgeht und er nicht weiß ob das Kind von ihm ist. Das nenn ich mal Verdrängung.
 
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Der Bruder von Thea wirkt auch psychisch krank. Das klingt ja wie Verfolgungsideen. Aber ich glaube, dass die Szene mit der getöteten Katze - der Bruder erwürgt sie ja, und hat vorher den Traum, dass die Katze ihn erwürgt hätte - auf eine weitere Gewalteskalation in der Beziehung von Rudolf und Thea hindeutet. Zumal Rudolf von dem Bruder nach dessen Geschichte ja eingeschüchtert ist und ihm doch noch Geld leiht. Außerdem hat er sich vorher eine Katze gewünscht, er steht in der Geschichte für die Katze. Denke ich.

Ich habe das Gefühl, dass in dem Buch vieles eine Anspielung ist auf Dinge die später kommen können.

Da gebe ich dir Recht @Leseglück, allerdings verweist das meines Erachtens schon auch auf ein Gewaltpotential in der Familie. Vielleicht ist Thea von ihrem Bruder beeinflusst oder auch selbst gequält worden.
 
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Da musste ich an den Holocaust denken! Das liest sich richtig prophetisch. Vogel wurde ja tatsächlich von den Nazis ermordet. Thea befürwortet die Philosophie der Nationalsozialisten. Sie spricht von den Erlauchten, den Starken. Rudolf erkennt da Nietzsches Philosophie vom Übermenschen, auf den die Nazis sich bezogen haben.
Vielleicht ist das überinterpretiert. Jedenfalls kann man das im Nachhinein da reinlesen.

Im Roman selbst ist es eher so gemeint, dass Rudolf ja mit allen Mitleid hat, nur mit sich selbst nicht. Er versucht sich immer noch einzureden, dass bei ihm alles gut ist. Obwohl seine Frau ihn schlägt, fremdgeht und er nicht weiß ob das Kind von ihm ist. Das nenn ich mal Verdrängung.

Ich finde das nicht überinterpretiert. Der Bezug zu Nietzsche wird ja von Rudolf selbst hergestellt.
An der Verdrängung hätte Freud seine helle Freude gehabt ;)
Das ist wirklich erstaunlich bei Rudolf. Das Zwiegespräch mit sich selbst, das er in einer schlaflosen Nacht führt, lässt einen Blick in sein Unterbewusstsein zu, das sehr wohl erkennt, dass er gnadenlos von Thea ausgebeutet, gequält und gemein behandelt wird.
Ich gebe dir @Leseglück Recht, würde er sich wehren, hätte sie ihr Interesse an ihm verloren. Sie braucht einen "Untertan".
 

Leseglück

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Noch eine Frage zu Kapitel III
Warum heißt es drinnen und draußen?
Der äußere Schein der Ehe und die tatsächlichen Verhältnisse?
 

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Noch eine Frage zu Kapitel III
Warum heißt es drinnen und draußen?
Der äußere Schein der Ehe und die tatsächlichen Verhältnisse?
Vielleicht spielt das auch noch auf die Schwangerschaft an? Das mag jetzt überinterpretiert sein?
Oder auf das Zwiegespräch Rudolf mit sich selbst. Drinnen - im Unterbewusstsein weiß er, dass seine Ehe eine Quälerei ist - draußen verdrängt er es.
 

Literaturhexle

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Man bekommt in diesem Kapitel ja eine Menge Innensichten, @Leseglück und @Querleserin !
Manchmal wandelt sich die Perspektive und die Figuren teilen uns ihre Gefühle mit. So gesteht uns Lotte, dass sie G. Liebt, Theas Gedanken offenbaren, dass sie G. sehr gerne quält und ihre Stiche schon im Vorhinein plant, und anderes mehr.
Zu Anfang des Abschnitts das Zwiegespräch mit seinem Gewissen. Im Grunde weiß G. alles. Er hat nur nicht den Mut, den Kampf auszufechten, in Bezug auf Thea ist er schwach.

Ansonsten gibt es wirklich viele psychologische Momente: die Träume, das Abdriften in Selbstgespräche und in Vergangenes. Die "Seelenverwandtschaft" mit Lotte (als G. Ihre Gedanken lesen kann) erschien mir etwas unglaubwürdig, hat aber Symbolkraft.

Und dann die vielen von euch angesprochenen psychischen Defekte vieler Figuren. Das augenscheinlich krankhafte Fremdgehen Theas.

Was sollte das am Ende noch mit den Ohren/der Leber, die man verkaufen könnte?

Sehr interessant dein Bezug zu Nietzsche (Arturo lässt Grüßen;)) @Leseglück. Mit Sicherheit kann man da an die Nazis denken!
 
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Der Wechsel der personalen Perspektive @Literaturhexle zu Lotte und Thea hin erfolgt selten, ist aber sehr aufschlussreich. Bereits im 1.Teil und 2.Teil gibt es kurze Gedankensplitter Theas, die bemerkt, dass Lotte Gordweil liebt und ihr bewusst einen Strich durch die Rechnung machen will. Genau wie Lotte Thea durchschaut - aber beide wahren ihr Gesicht vorläufig.
Ist das in Teil 3 oder 4, als es zum offenen Streit kommt?
 

Literaturhexle

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Ist das in Teil 3 oder 4, als es zum offenen Streit kommt?
Auf S. 269/270 disputieren sie heftig: Lotte empört sich, dass Thea G. So schlecht behandelt und Thea erzürnt sich: "Du bekommst ihn nie...". Das Ganze geht unbemerkt von den anderen im Cafe vonstatten. Ist es dieser Streit, den du meinst?
"Wechsel der personalen Perspektive "- das muss ich mir merken ;)
Man braucht sonst so viele Worte, um es zu erklären...
 
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Auf S. 269/270 disputieren sie heftig: Lotte empört sich, dass Thea G. So schlecht behandelt und Thea erzürnt sich: "Du bekommst ihn nie...". Das Ganze geht unbemerkt von den anderen im Cafe vonstatten. Ist es dieser Streit, den du meinst?

Ja, die Stelle hatte ich gemeint. Besonders finde ich, dass der Roman ja überwiegend aus der Sicht Gordweils erzählt wird. Ab und an blitzt eben diese andere Perspektive auf, die uns auch die Gedanken der anderen Figuren verrät. Das gefällt mir gut.
 

Leseglück

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Was sollte das am Ende noch mit den Ohren/der Leber, die man verkaufen könnte?
Das Thema: Verlust von Körperteilen ist schon man vorgekommen. Im Traum wurde ihm ein Bein amputiert. Er dachte er schulde es der Schwester in Amerika. Vielleicht ist der Hut auch so ein Verlust im weitesten Sinn? Dann sie Vorstellung von seinem abgeschnittenen Ohr, das verschifft wird.
Ich habe überlegt, dass dies ein Symbol dafür sein kann, dass er sich im Laufe der Ehe immer mehr selbst verliert?
 

Helmut Pöll

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Zusammen mit der Stimme in seinem Kopf, die ihn mit der Wahrheit über seine Beziehung zu Thea konfrontiert, hat das schon pathologische Züge. Oder?
Irgendwie ist er Gefangener im eigenen Haus. Einerseits fügt er sich in der realen Welt, hat weder Kraft noch Mut, seine eigenen Grenzen zu setzen. Dann gibt es da aber die unbeugsame Stimme in ihm, die scheinbar alles Schlimme überlebt hat und sich in ruhigen Momenten wie in der Nacht Gehör verschafft.

"Stimmen im Kopf" klingt tatsächlich erstmal ein wenig abgedreht. Trotzdem halte ich diese Stimme eher für etwas Positives, die versucht ihm wieder auf die Sprünge zu helfen.

Theas Familie ist widerlich. Die würde ich eher als pathologisch ansehen. Kein Wunder, dass diese Familienumstände so ein charakterloses Scheusal wie Thea hervorgebracht haben. Vielleichct erfahren wir ja noch, was in dieser Familie so alles vorgefallen ist.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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"Ich für meinen Teil", sagte Thea, "verzichte auf Erbarmen. Ich brauche es nicht. Und ich bemitleide kein Geschöpf auf der Welt. Dieses Empfinden fehlt mir, Gott sei Dank, völlig." (S.295)
Das sagt so ziemlich alles aus über Thea. Der ganze üble Charakter in vier Sätzen.

Und auch diese Familie. Ich habe jetzt auch die Katzenszene mit Freddie gelesen. Freddie hat meiner Meinung nach nicht alle Tassen im Schrank.