Ich plaudere so vor mich hin ...

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Die Erfindung der Sprache ist die grundlegendste Erfindung ever.

Ohne sie ist keine Gesellschaft denkbar. Man kann keine Regeln definieren - hurra, die Anarchisten freuen sich!

Aber auch keinen differenzierten Protest (das habt ihr davon, Querdenker).

Oh, klar, man kann sich mit Gesten und Lauten bis zu einem gewissen Grad verständigen. Das sehen wir im Tierreich. Oder auch, wenn wir doch mal im Ausland landen, da, wo wir wirklich keine gemeinsame Sprache haben. Wo vielleicht mal nicht englisch gesprochen wird. Tina Übel in "Übel unterwegs" fand heraus, dass man, bewegt man sich östlich und östlicher, man eher mit Russisch weiterkommt als mit Englisch und war über jeden Fetzen Russisch, den sie im Wortschatz hatte, dankbar.

Ohne Sprache keine Schrift, darum ist Sprache für uns Viellleser besonders bedeutsam. Das versteht sich von selber, beinahe hätte ich es nicht gesagt.

Unterhalten wir uns heute über Sprache. Das kann man in vielfältigster Weise.

In meiner Lesezeit spielt das Thema insbesondere eine Rolle, weil ich gerade Paul Austers New York Trilogy höre. Paul ist ein Spinner. Ich liebe diesen Schriftsteller immer mehr. Obwohl ich selber überhaupt gar kein Spinner bin. Kein bisschen weiche ich von der Norm ab.

Vom ersten Wort an liebte ich die New York Trilogy. Ich habe noch keine Ahnung, wohin mich dieser Roman führen wird. Es geht im weitesten Sinn um den Turmbau von Babel und die einsetzende Sprachverwirrung. Ein anderer Spinner (Peter Stillman) im Buch versucht, eine neue allgemeingültige Sprache zu erfinden und ich amüsiere mich grenzenlos. Das Ganze wird keinen Sinn ergeben, es ist so ähnlich wie bei Heinrich Steinfest? Wobei mich Heinrich Steinfest leider grenzenlos langweilt.

Zum Beispiel spintisiert man in New York Trilogy darüber: Ein Schriftsteller, Daniel Quinn (warum da wohl ein Schriftsteller die Hauptrolle spielt) gibt sich für einen Detektiv aus und nimmt einen Auftrag an. Einen seltsamem Auftrag natürlich. Dieser Detektiv hat den Namen Paul Auster. Als der falsche Paul Auster nicht weiterkommt, versucht er, den richtigen Detektiv zu finden, damit er ihm hilft, und findet Paul Auster. (Es würde mich nicht wundern, wenn die angegebene Adresse im Buch tatsächlich die Adresse wäre, unter der Paul Auster eine zeitlang lebte oder immer noch lebt?). Der Detektiv ist aber keiner. Er ist Schriftsteller. Falls noch weitere Paul Austers auftauchen, werde ich den Faden verlieren, also lass gut sein, Paul.

Vielleicht sollten wir nicht über Sprache, sondern über verrückte Schriftsteller quatschen. (Das kommt noch).

Es gibt viele Möglichkeiten, über Sprache, über Sprache und Schrift, über Steinfest und Auster, zu reden.
Lassen wir es angehen.
Es ist heiß und ich kann heute nicht alles alleine reißen.

Eure Donnerstagswanda



@MRO1975 @Xirxe @Amena25 @RuLeka @Barbara62 @ulrikerabe @Naibenak @katzenminze @sursulapitschi und alle anderen.
 
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sursulapitschi

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18. September 2019
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Wer hätte gedacht, dass ich die New York Trilogie lesen muss? Muss ich wohl. Sowas...
Also Sprache, ja natürlich, gute Sache... Ich habe mich mal mit einer Brasilianerin unterhalten, sie sprach Jiddisch und ich Deutsch, das ging. Ganz erstaunlich. Da fällt mir ein Gedicht ein...

 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
Vor vielen Jahren las ich in einem privaten Blog einen Eintrag von einer Frau, die mehrere Tage lang mitgeschrieben hatte, wie die Bauarbeiter einer nahegelegenen Großbaustelle miteinander kommunizierten.

Ich wollte, ich könnte das noch wiedergeben; ich hab mich scheckig gelacht. Alle Arten gutturaler Geräusche, Kräh- und Knacklaute und dazu wilde Gesten. Richtige Worte waren wohl kaum dabei, aber irgendwie klappte die Zusammenarbeit.
Ich habe keine Langzeitbeobachtungen gemacht, glaube aber bestätigen zu können: körperlich arbeitende Menschen verständigen sich mit Grunzen. Ich nehme mich dabei selbst keineswegs aus.
 

Emswashed

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Hier nicht... ich meine, hier ist es nicht heiß, aber heiß an meiner Leseliste. Ich lese gerade den letzten Band von Oryx und Crake, "Die Geschichte von Zeb" und frage mich die ganze Zeit, was für ein Super-Genie-Hirn Frau Atwood da im Kopf beherbergt und wer das ganze so genial übersetzen konnte.
Da ist es geradezu Vorsehung, dass der Anschluss auf meiner 21er-Liste, "Was macht der Fisch in meinem Kopf" von David Bellos ist. Es befasst sich mit Übersetzungen.;)




Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.

 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Du hast die Zeichensprache vergessen, mit der sich gehörlose Menschen unterhalten können. Ich habe größten Respekt vor denen, die die Sprache erfunden haben und sie beherrschen. Einer meiner Söhne hat die Gebärdensprache in seiner Schule von der Pieke aus gelernt und kann sich mit seinen schwerhörigen Klassenkameraden ohne Probleme unterhalten. Auch hier: mein größter Respekt!
 

Naibenak

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Zum Thema: ich habe jetzt mit "Shuggie Bain" begonnen, was hier auch demnächst Thema sein wird. Die Leseprobe hat es bereits gezeigt: er nutzt auch einen Slang aus den Armenvierteln in Glasgow... Ich finde so etwas prinzipiell gut und sehr atmosphärisch. Hier merke ich aber, dass dadurch mein Lesefluss sehr ins Holpern gerät. Klar, man gewöhnt sich. Aber ich habe überlegt, ob es (wie Himmi schon irgendwo erwähnte) nicht vielleicht auch an der Übersetzung liegt. Ich lese nicht auf Englisch, deshalb habe ich keinen Vergleich. Vielleicht gibt es aber unter euch wen, der es tut und mal ein Feedback dazu geben kann? Wäre schon interessant! :)
 
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kingofmusic

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Zum Thema: ich habe jetzt mit "Shuggie Bain" begonnen, was hier auch demnächst Thema sein wird. Die Leseprobe hat es bereits gezeigt: er nutzt auch einen Slang aus den Armenvierteln in Glasgow... Ich finde so etwas prinzipiell gut und sehr atmosphärisch. Hier merke ich aber, dass dadurch mein Lesefluss sehr ins Holpern gerät. Klar, man gewöhnt sich. Aber ich habe überlegt, ob es (wie Himmi schon irgendwo erwähnte) nicht vielleicht auch an der Übersetzung liegt. Ich lese nicht auf Englisch, deshalb habe ich keinen Vergleich. Vielleicht gibt es aber unter euch wen, der es tut und mal ein Feedback dazu geben kann? Wäre schon interessant! :)
Wanda herself hat es schon im Original gelesen.
 

Renie

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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Was mich in diesem Zusammenhang immer völlig fasziniert, ist das Thema "Übersetzung". Wie schafft es ein Übersetzer, genau diejenige Stimmung zu treffen, die ein Autor in seiner Muttersprache vermittelt. Wenn ich bspw. den Roman eines englischsprachigen Autors in er deutschen Übersetzung lese und von seinem Sprachstil angetan bin, ist es doch eher das, was der Übersetzer aus dem Original gemacht hat. Nehmen wir z. B. einen Kent Haruf oder eine Elizabeth Strout, deren Erzählweise mich in eine Art Tiefenentspannung versetzen. Erlebt dies ein amerikanischer Leser genauso?
Ich habe vor einiger Zeit folgendes Buch gelesen
Klaus Reichert ist eine Übersetzerkoryphäe, die in seinem Leben (Baujahr 1938) bereits einiges an Literatur übersetzt hat, u. a. James Joyce und Shakespeare. Er war jahrelang Lektor bei Suhrkamp. Heute ist er emeritierter Professor für Anglistik (Goetheuni Frankfurt) und Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Ich hatte mir von diesem Buch erhofft, einiges über seinen Anspruch an sich als Übersetzer zu erfahren. Leider bringt er dies nur im Ansatz rüber und verliert sich in Ausführungen über die Bibel, Homer usw., und freut sich selbst darüber, wen er alles in der Literaturbranche kennt. Daher bin ich nach diesem Buch leider nicht schlauer geworden.
 

Wandablue

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Du hast die Zeichensprache vergessen, mit der sich gehörlose Menschen unterhalten können. Ich habe größten Respekt vor denen, die die Sprache erfunden haben und sie beherrschen. Einer meiner Söhne hat die Gebärdensprache in seiner Schule von der Pieke aus gelernt und kann sich mit seinen schwerhörigen Klassenkameraden ohne Probleme unterhalten. Auch hier: mein größter Respekt!
Oh, ja, OHJA!!! Und das ist auch total interessant. Ich wollte, ich würde auch bisschen was davon können. Sehr geheimnisvoll und dazu fast akrobatisch. Was für ne Schule! Das finde ich großartig! Sollte Nachahmer finden. Ganz viele.
 

Renie

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Da fällt mir noch ein Buch ein, das ich gerade gelesen habe und in dem es ebenfalls um Sprache geht: ein historischer Roman, der sich mit den Anfängen von Übersetzungen befasst, mit Geheimsprachen und der Ursprache.

Darin kommen auch so coole Sachen wie Gebärdensprache und Pfeifsprache vor.
 

Wandablue

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Wie schafft es ein Übersetzer, genau diejenige Stimmung zu treffen, die ein Autor in seiner Muttersprache vermittelt.
Tut er nicht. Leider. Es gibt ganz ganz viele schlechte Übersetzer. Was natürlich, zu deren Entlastung, auch am Zeitdruck liegt. und woher der kommt, weiß ich nicht. Es greift immer mehr um sich, dass einfach wörtlich übersetzt wird. Da ist nichts mehr von Atmosphäre zu finden und speziellem Stil. Also nicht mehr viel .
Dann gibt es die Begnadeten. Die es wirklich können. Ich finde, man merkt es selbst dann, wenn man kein Original zum Vergleich hat. Nimmt man z.B. den ollen Schiwago. Den ich mir und einige andere in einer modernen Übersetzung per ebook günstig anschufen. Da war ich gleich ratlos, warum holpert das so und ist irgendwie nicht rund. (Abgesehen davon, dass man heute den Literaturnobel nicht mehr nachvollziehen kann). Weil der Übersetzer nahezu wörtlich übersetzte. Als ich endlich (und andere vor mir) die alte Übersetzung eines echten Übersetzers vor mir hatte, las sich das Buch ganz anders. Wie Schiwago eben.
Das kann man an vielen Romanen feststellen.
Einst las ich im Original den Roman "The Chemist" von Stephenie Meyer (ist noch gar nicht so lange her) und lachte mich scheckig, dann wunderte ich mich, warum er überall so schlechte Noten bekam und las im Buchhandel in die deutsche Übersetzung: eine Platitüde nach der anderen. Dann war alles klar.
 

kingofmusic

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Oh, ja, OHJA!!! Und das ist auch total interessant. Ich wollte, ich würde auch bisschen was davon können. Sehr geheimnisvoll und dazu fast akrobatisch. Was für ne Schule! Das finde ich großartig! Sollte Nachahmer finden. Ganz viele.
Die Schule ist eine Förderschule für Hören und Kommunikation. Aber es würde auch nicht schaden, an "normalen" Schulen solchen Unterricht anzubieten; würde vielleicht einige Hemmungen und Vorurteile abbauen.
 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
Tut er nicht. Leider. Es gibt ganz ganz viele schlechte Übersetzer. Was natürlich, zu deren Entlastung, auch am Zeitdruck liegt. und woher der kommt, weiß ich nicht. Es greift immer mehr um sich, dass einfach wörtlich übersetzt wird. Da ist nichts mehr von Atmosphäre zu finden und speziellem Stil. Also nicht mehr viel .
Manchmal ist eine Übersetzung sogar richtig sinnentstellend. Ich war ja mal großer Zola-Fan und habe immer wieder in Antiquariaten nach Zola gesucht (neu gab es die Bücher damals nicht). Von "Nana" hatte ich drei verschiedene Ausgaben, in denen oft nicht nur sprachliche, sondern auch inhaltliche Unterschiede festzustellen waren. Bei Nanas legendärem Abendessen, das um Mitternacht beginnt, heißt es in einer Übersetzung: "Jetzt, wo sich alle gesetzt hatten, wurde gelacht und gescherzt", in einer anderen "Die Herren sahen einander an, die Damen blieben still". Wie kann sowas passieren? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.
 

Wandablue

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Brandenburg
Was mich in diesem Zusammenhang immer völlig fasziniert, ist das Thema "Übersetzung". Wie schafft es ein Übersetzer, genau diejenige Stimmung zu treffen, die ein Autor in seiner Muttersprache vermittelt.
Also, wenn ein Übersetzer es aber trifft. Wie macht er/sie das? ich glaube fast, das kann man nicht lernen. Man hat es oder man hat es eben nicht. Es ist mehr so ein Gefühl ... eine Ahnung, eine Musik. Hat auch was mit Rhythmus zu tun. Gute Übersetzer sollten viel Lyrik lesen während ihrer Ausbildung! eigentlich. wer später gute Übersetzungen abliefern will, sollte viel Lyrik gelesen haben.

wie man Gedichte adäquat übersetzen kann - und manche können auch das - ich habs nachgeprüft da und dort bei französischen Gedichten bei Baudelaire z.B. - da bin ich nur baff.
 

Naibenak

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2. August 2021
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Also, wenn ein Übersetzer es aber trifft. Wie macht er/sie das? ich glaube fast, das kann man nicht lernen. Man hat es oder man hat es eben nicht. Es ist mehr so ein Gefühl ... eine Ahnung, eine Musik. Hat auch was mit Rhythmus zu tun. Gute Übersetzer sollten viel Lyrik lesen während ihrer Ausbildung! eigentlich. wer später gute Übersetzungen abliefern will, sollte viel Lyrik gelesen haben.

wie man Gedichte adäquat übersetzen kann - und manche können auch das - ich habs nachgeprüft da und dort bei französischen Gedichten bei Baudelaire z.B. - da bin ich nur baff.
Ich glaube auch, dass einige Übersetzer durchaus die zu übersetzende Sprache sehr gut kennen (im Sinne von nahezu komplett) und ggf schon in den entspr Ländern gelebt haben. Also wenn ich jetzt nicht zu naiv bin so etwas zu glauben, dann würde das jedenfalls viel ausmachen. Und da kommt dann für die Übersetzung noch deine besagte Sprachmelodie/Musik hinzu. Sehe ich auch so, als Gefühlsding. Und dann kann man es möglicherweise wunderhübsch hinbekommen. Ist aber ganz bestimmt auch so ein Ding von Leidenschaft im Job, oder andersrum Zeitdruck, den du bereits nanntest... wie in vielen anderen Berufen auch ;)
 

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