"Heimkehr" - Parabel von Franz Kafka mit Bezug zur gleichnamigen Erzählung

kingofmusic

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Damit wir den Text "vor Augen haben" kopiere ich ihn hier rein. Gleichzeitig stelle ich ihn noch in den Thread Kurzprosa.

Heimkehr

Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiel um eine Stange gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche? Rauch kommt aus dem Schornstein, der Kaffee zum Abendessen wird gekocht. Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause? Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher. Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte. Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn. Und ich wage nicht an die Küchentür zu klopfen, nur von der Ferne horche ich, nur von der Ferne horche ich stehend, nicht so, dass ich als Horcher überrascht werden könnte. Und weil ich von der Ferne horche, erhorche ich nichts, nur einen leichten Uhrenschlag höre ich oder glaube ihn vielleicht nur zu hören, herüber aus den Kindertagen. Was sonst in der Küche geschieht, ist das Geheimnis der dort Sitzenden, das sie vor mir wahren. Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will.
 

Querleserin

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Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer.
Die Beschreibung des Setting ähneln sich. Die Trostlosigkeit der Umgebung und auch die Katze gibt es in beiden Erzählungen. Allerdings lebt sie in Kafkas Parabel noch.

Die Frage des Ich-Erzählers, ob ihn jemand erwartet, ist eine weitere Gemeinsamkeit, obwohl sich der Erzähler in Kriens Text denken kann, dass niemand mehr dort ist. Das ist ein Unterschied - für ihn wird es - im Gegensatz zum Gleichnis vom verlorenen Sohn - keinen Empfang geben.
Beide Erzähler fühlen sich fremd, abgeschnitten von ihrer Familie. Bei Kafka will der Ich-Erzähler nicht eintreten:

Was sonst in der Küche geschieht, ist das Geheimnis der dort Sitzenden, das sie vor mir wahren. Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will.

Ich sehe schon Parallelen und bin mir sicher, dass Krien Kafkas Parabel kennt ;)
 

kingofmusic

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Die Frage des Ich-Erzählers, ob ihn jemand erwartet, ist eine weitere Gemeinsamkeit, obwohl sich der Erzähler in Kriens Text denken kann, dass niemand mehr dort ist. Das ist ein Unterschied - für ihn wird es - im Gegensatz zum Gleichnis vom verlorenen Sohn - keinen Empfang geben.
Beide Erzähler fühlen sich fremd, abgeschnitten von ihrer Familie. Bei Kafka will der Ich-Erzähler nicht eintreten:
Ja, die Parallelen zu Kafka´s Parabel sind wirklich gut zu erkennen; das macht die Geschichte für mich natürlich noch einmal zu etwas Besonderem :cool:.
 
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Wäre interessant zu wissen, ob dem wirklich so ist. :cool: Aber die meisten Figuren von Kafka sind ja (ähnlich) wie die von Krien irgendwo "Verlierer", Ausgestoßene usw. - von daher...
Das stimmt - die Aussichtslosigkeit, Vergeblichkeit ihres Tuns stehen oft im Mittelpunkt. Das sind Berührungspunkte...der Zigarettensammler hätte auch eine Erzählung von Kafka sein können, wenn man sie zeitlich anpasst.
Allerdings sind Kafkas Parabeln vielfältiger deutbar, offener und nicht immer auf den ersten Blick zugänglich.
 

kingofmusic

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nicht immer auf den ersten Blick zugänglich.
Manches braucht sogar vier, fünf, unendlich...Blicke ha ha ha. Ich will ja im Rahmen der "20 in 20"-Challenge u. a. Kafka vom SuB befreien. Allerdings frage ich mich, wann - bei diesen vielen herausragenden Büchern, die ich im Moment lese und die anderen, zu denen noch Leserunden geplant sind :confused::D.