Gruß an Bruce Willis

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Hi People,
angesichts der Katastrophe in Afghanistan kann man eigentlich nicht anders als darüber zu reden. Es beschäftigt uns alle. Anders als vemutlich viele, mache ich der deutschen Politik keinerlei Vorwürfe. Sie musste dorthin. Dorthin befehlen. Wir mussten dorthin. Die Soldaten mussten dorthin. Es wurde der Bündnisfall ausgerufen. Man kann eventuell bemängeln, dass die Berichterstattung nicht alle Aspekte der Problematik, die übrigens von Anfang an vorhanden war, abdeckte. Ja, sicher. Das ist (jedoch) ein Presseproblem.

So war mir zum Beispiel völlig unbekannt, dass in der aufzubauenden Army Afghanistans circa ein Drittel der Soldaten jährlich (!!!) nach Urlaub einfach nicht mehr zum Dienst erschien, desertierte, keine Lust mehr, whatsoever und man jährlich diesen Prozentsatz neu rekrutieren musste. Dass ein Teil dieser afghanischen Soldaten die erhaltenenen Waffen verkauften, dass um Ämter und Dienstgrade geschachert wurde, die Korruption blühte und man mehr den Warlords als der eigenen Army gegenüber loyal war. (Das hab ich nur im Web gelesen, ist nicht weiter verfiziert). Falls dem aber so ist, hätte man ganz woanders ansetzen müssen, nämlich am Anfang und dazu hatte man weder Auftrag, noch Zeit, noch Lust. Zwanzig Jahre sind da nichts.

Wenn die afghanischen Männer also nicht kämpfen für die Freiheit, für ihr Land und vor allem für die Freiheit ihrer Frauen, was sollen wir da tun? Sie werfen ihre Waffen weg, anstatt Widerstand zu leisten und wollen zum Dank dafür Asyl. Ja, hallo. Es ist völlig ok, dass wir uns zurückhalten. Die Taliban sind zahlenmässig der afghanischen Armee unterlegen gewesen. Für den Rückzug sind auch nicht wir es, die die Verantwortung tragen, sondern zeigen mit dem Finger über den Ozean. Dass ein militärischer Rückzug ungeordnet verläuft, ist jedoch nicht ungewöhnlich.

Und nun sollen wir, also Deutschland, die Welt retten? Das ist doch gar nicht unsere Aufgabe. Und außerdem eine Illusion. Was ist das für ein Quatsch, den ich da aus dem grünen Lager höre. Völlig überzogene, übertriebene Kritik.

Es herrscht grundsätzlich immer noch das Prinzip der Souveränität eines Staates. Gut, war jetzt lange nicht. Aber letztlich ist es so. Für Freiheit, Liberalismus und Demokratie ist noch immer Blut geflossen. Das war auch in Deutschland so. Man muss sich mal die 1848er Revolution reinziehen oder das Ende der Weimarer Republik. Blut in Strömen. Das muss ein Land/Staat selber machen. Das kann man von außern triggern, aber das wars auch schon. Momentan sinkt meine Sympathie für die Grünen einem nie da gewesenen Tiefpunkt entgegen.

Kann man sagen, dass Afghanistan selber schuld ist? Das Land bzw. seine Regierung hat Terroristen begünstigt. Jetzt ernten sie, was sie gesät haben. Das kann man sicher sagen! Dem einzelnen Afghanen, dem Politik und/oder Religion schnupps ist und immer schon gewesen ist, hilft das aber kaum.

Hat jedes Land, die Regierung, die es verdient? Hatte Deutschland Hitler verdient? Schon ein bisschen, oder. Adolf war demokratisch gewählt. Demokratie hat auch ihre Tücken! Wir leiden heute noch unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Ein Trauma, das tief in uns steckt. Es vergeht buchstäblich kein einziger Tag, an dem keine Sendung im Fernsehen kommen würde, die nicht in irgendeiner Weise darauf Bezug nimmt oder der Zweite Weltkrieg ganz direkt Thema ist.

Das Trauma der Afghanen wird noch länger währen als unseres. Kein Mensch hat das verdient. Doch Afghanistan ist leider nur ein dicker Tropfen auf dem heißen Stein. Nur ein Teil des Problems einer Völkerwanderung von Ost nach West.

Es gibt zu viele Staaten, wo das Leben zu beschwerlich ist. Oder unmöglich. Wo Bürgerkrieg herrscht. Religionsdiktatur. Rassismus. Und obwohl man es dem Einzelnen nicht vorwerfen kann, dass er einfach nur weg will, frage ich mich doch, was wir (Europa ist wir) mit diesem Überschuss an jungen Männern machen werden. Wie man es auch dreht und wendet, junge Männer en masse sind ein Problem. Zumal solche, die mit einer misogynen Haltung erzogen und aufgewachsen sind. Die Frauen, die die Leidtragenden sind in Afghanistan (und anderswo), werden nicht herauskommen. Das ist eine menschliche Katastrophe.

Wir sind wahrscheinlich alle mehr oder weniger entsetzt momentan. Mehr oder weniger vor den Kopf geschlagen, mehr oder weniger ratlos. Doch Europa kann mit Flüchtlingsströmen von überall her niemals fertig werden. Und ja, es sind Ströme, auch wenn sie aus Menschen bestehen. Die Zukunft sieht düster aus. Dystopien raus! Und da dachte ich, die Dystopie sei tot.

Über Afghanistan und die leerlaufenden Versuche, dem Land beizustehen, habe ich ein schrecklich bedrückendes Buch gelesen. Ehrlich gesagt, ich habe es nicht fertiggebracht bis jetzt, es zu Ende zu lesen.

Wenn jedoch quasi alle zu uns kommen, so dass es bei uns a little bit crowded wird, müssten dann quasi nicht wir zum Ausgleich dorthin gehen? Jede Menge europäischer Auswanderer nach Afrika. In den Orient. Die dort Herrschenden würden die Europäer nicht wollen, nicht nehmen. Umbringen. Die einheimische Bevölkerung wäre irritiert. Früher oder später aber wird es dazu kommen müssen. Ein Austausch wird stattfinden. Ich freue mich auf entsprechendes Romanmaterial und frage mich, in welcher Schublade die passenden Buchpläne liegen. Holt sie heraus. Sie werden reissenden Absatz finden.

Und wo ist denn nun Bruce Willis (oder seine Nachfolger), wenn man ihn mal wirklich bräuchte (oder seine Nachfolger), um die Welt zu retten. Was sitzt er gemütlich im Lehnstuhl in seiner gemütlichen Seniorenresidenz. Wer wird die Welt retten, da die üblichen Helden ausfallen. China? Russland? Warum haben wir keinen Ozean um uns herum? Die Grünen hätten es natürlich besser gemacht. Und die FDP. Die Linken. Die AfD. Und überhaupt alle. Sogar die SPD (lach). Wie schön muss Opposition sein. Schießen aus dem Hinterhalt. Doch ich bezweifle die Weltrettungspläne der Grünen. Annalena, deine Männer machen es mir schwer. Sie reißen das Maul weit auf. Ich weiß nicht mehr, wohin ich mein Kreuzerl machen soll.

Eure Donnerstagswanda

Buchinformationen und Rezensionen zu Das ferne Feuer: Roman von  Amy Waldman
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Bleibt am Ende nur diese Lösung? Siehe unten. Momentan sieht es so aus:


Was immer ihr dazu zu sagen habt - oder zu was anderem - ich leihe euch mein Wandaohr.

@Sassenach123 (lange nicht mehr gesehen), @sursulapitschi @RuLeka @Literaturhexle @buchregal @ulrikerabe @Barbara62 @Amena25 @Querleserin und alle anderen. Jeder darf mitdiskutieren.
 
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Emswashed

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Der Bündnisfall war der Fehler! Bisher ist noch jeder, der sich in Afghanistan eingemischt hat, geschlagenen Hauptes wieder abgezogen. Nur haben wir inzwischen vielen Menschen Hoffnung gemacht, vor allem den Frauen.
Ich habe die Hoffnung, dass diese Menschen im Exil weiter daran arbeiten, eine andere Heimat aufzubauen.
Die einheimischen Soldaten, die ihre Waffen gestreckt haben, sollen bleiben wo sie sind.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Warum hat man nicht von Anfang an die Opiumfelder zerstört und so den Taliban ihre Finanzierungsgrundlage entzogen. ( So wie man sich heute auch fragt, warum die Alliierten im Zweiten Weltkrieg nicht die Eisenbahnlinien zu den KZ’s bombardiert haben, oder die Rüstungsanlagen. Das hätte mehr Sinn gemacht als die Bombardierung der Städte .) Ein US- General antwortete auf diesen Vorschlag 2002 „ Wir sind keine Anti- Drogen- Task - Force, das ist nicht unsere Mission.“ So konnten sich die Taliban zu den größten Drogendealern der Welt entwickeln. 90% aller Drogen, die weltweit gehandelt werden, stammen aus Afghanistan, vor allem Heroin. Damit bezahlen die Taliban ihre Waffen. Hätte man , statt in den Aufbau dieser zweifelhaften Armee, das Geld lieber in den Aufbau einer funktionierenden ( Land-) Wirtschaft gesteckt, um so eine Grundlage für das Volk zu schaffen.
Wenn wir Menschen von dort Asyl geben - und ich bin der Meinung, dass wir das tun müssen- dann holt Familien hierher und nicht nur junge Männer.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Afghanistan hat, wie ich gestern gelesen habe, gigantische Bodenschätze von genau der Art, wie sie heute dringend benötigt (und hoch bezahlt) werden: Lithium, seltene Erden, Kobalt ...
Man hört, dass die Taliban sich bisher aus dem Verkauf von Drogen finanziert haben. Sollten sie es fertig bringen, eine funktionierende Infrastruktur aufzubauen - vielleicht mit Hilfe Chinas? - bin ich jetzt schon gespannt, wer mit ihnen zusammenarbeiten wird und wie.
In diesem Land ist unglaublich viel Geld und Goodwill in den Sand gesetzt worden. So wie es heute aussieht, komplett für die Katz. Mir tut es wie überall, wo diese Kutten das Sagen haben, um die Frauen und Mädchen leid.
 

Querleserin

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Wadern
querleserin.blogspot.com
Mir tut es wie überall, wo diese Kutten das Sagen haben, um die Frauen und Mädchen leid.
Sie werden zweifelsfrei die Leidtragenden sein! Vieles von dem, was Wandablue geschrieben hat, kann ich unterschreiben. Es fehlt mir aber an Kompetenz und Hintergrundwissen, um das Desaster entsprechend beurteilen zu können. Die Menschen, die jetzt in Gefahr sind, die dieses Regime nicht wollen, die tun mir unendlich Leid. Und ich sehe es so wie @RuLeka, Familien Asyl zu geben, ist ein Gebot der Stunde. Junge Männer, die unsere demokratischen Werte nicht teilen, die auf Frauen herabschauen und diese nicht als gleichberechtigt akzeptieren, die untereinander bleiben und in einer sogenannten Parallelwelt leben, en masse aufzunehmen, wird nicht gut gehen.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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China und Russland verhandeln schon mit den Taliban, Weißrussland freut sich auch auf Nachschub für die Erpressung Europas...
Nachdem wir unseren Part für den Bündnisfall geleistet hatten, hätten wir anfangen sollen zu denken, oder vielleicht einfach mal ein bißchen Geschichte lesen sollen.

Flüchtlingsbewegungen werden in Zukunft absolut normal sein. Wenn es nicht das Regime ist, dann sind es Krieg, Klima, Katastrophen, was die Menschen umtreibt. Erst wenn es in einem Land noch schlimmer ist, als das Herkunftsland, erhofft sich dort keiner mehr Rettung.
 

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