Geleit und Fazit

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ein toller Roman, der mich tief bewegt hat.
Das Geleit hatte es dann nochmal ins sich. Für mich war der Gedanke schrecklich, dass das kleine Mädchen doch noch deportiert wurde, und nicht bei diesem Unfall getötet wurde.
Das Menschen wie Dr Marder Erwähnung finden ist toll, denn alleine hätte Reinhold es nicht geschafft.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Ethisches Handeln in unmenschlichen Zeiten. Das große Thema dieses kleinen Romans, das Hackl auf sehr authentische und dadurch bewegende Weise übermitteln kann. Journalistische Recherchearbeit liegt dem Buch zugrunde. das scheint immer wieder durch. Durch viele Gespräche mit den handelnden Personen hat sich Hackl die Geschichte erarbeitet. Und einen wichtigen Zusatz zu unserer Geschichtsanschauung geschaffen. Anne Frank, das jüdische Mädchen im Versteck, das uns allen zuerst einfällt, wenn wir an das Schicksal von im Versteck lebenden Juden denken, ist rezipiert worden als Mädchen, das durch Intelligenz, Ausdrucksvermögen, Weltsicht sehr weit herausragt aus der Schar der normalen Kinderschaft. Das ist bei Lucia nicht der Fall. Ein durch und durch normales Kind gerät ganz ohne eigenes Verschulden und eigenes Verständnis in diese prekäre Lage und richtet sich darin ein. Sie hat dabei - durch Reinhold als Retter - Glück im Unglück. Soviel Glück wie der Großteil der Juden damals leider nicht hatte.
Reinhold ist der Retter, aber keinesfalls ein Supermann und auch kein Superheld, er ist einfach ein Mensch, der Verantwortung für den Anderen spürt und annimmt. Das führt ihn als Bergsteiger auf die Berge und das bringt ihn ganz selbstverständlich dazu, Lucia und Regina ein Versteck zu bieten. Dafür braucht es keine Superintelligenz, keinen besonderen Reichtum, keine besonderen Fähigkeiten, sondern einfach nur Moral, Herz und ethisches Verständnis.
Du bestimmst selbst, ob du ein A.... bist oder nicht.
Das galt in der Geschichte. Das gilt heute. Diese anspruchsvolle Botschaft steht vor uns nach Lektüre des Buches. Machen wir etwas draus!
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Das Buch wirkt auf mich wie eine sehr gute und stimmige Zusammenfassung von Gesprächen, die der Autor offensichtlich mit den Menschen im Umfeld von Reinhold Duschka geführt hat. Frei erfunden scheint in dieser Erzählung nichts zu sein. Der Autor hält sich strickt an das was er erfahren hat, einschließlich der berichteten Erinnerungslücken.
Ich habe die Geschichte als sehr authentisch erlebt.

Dieser Roman hatte ja eine Auftraggeberin sozusagen. Der Autor sollte im Auftrag von Lucia von ihrem Retter, Reinhold, erzählen um sein Leben zu würdigen und auch um Mut zu Zivilcourage zu machen.
Ich finde dies ist Erich Hackl sehr gut gelungen.

Ich habe im Internet über die sog. "Judenretter" gelesen. In Deutschland waren nach unsicheren Schätzungen ca. 15000 Juden versteckt. Ca. 5000 haben das Kriegsende erlebt. Man schätzt, dass jeder Versteckte ca. 7 Helfer hatte, denn oft mussten die Juden ja auch das Versteck wechseln. Die Mehrzahl der sog. "Stillen Helden" waren Frauen. Die Retter kamen aus allen Schichten, die Motive waren sehr unterschiedlich.
Todesstrafe beim Entdecktwerden musste man in Deutschland nicht befürchten (nur in Polen) man wurde Inhaftiert, schlimmstenfalls kam man für ein Jahr ins KZ (was ja auch schrecklich ist)
In den Niederlanden und Belgien war die Bereitschaft, Juden zu verstecken, ungleich größer als in Deutschland. In den Niederlanden überlebten 25000 Juden...
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Nach den Anfangsschwierigkeiten hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Zwar ist es etwas trocken geschrieben, aber wenn man beginnt, sich die Szenen vorzustellen, dann packt es einen einfach.
In der heutigen Zeit, die leider nicht sehr freundlich, freiheitlich und demokratisch ist, ist es so wichtig, dass die Erinnerung wachgehalten wird und dass es Menschen wie Reinhold Duschka gab, an denen man sich ein Beispiel nehmen kann.
 
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Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ein großartiges Buch. Ich bin fasziniert, was Hackl aus dieser spektakulären Geschichte gemacht hat.
Lucia berichtet von ihren Kindheitserinnerungen. In den Momenten, in denen sie sich nicht sicher ist, oder es Erinnerungslücken gibt, wird dies auch kenntlich gemacht.
Es ist die Zusammenfassung eines Interviews. Entsprechend ist der Sprachstil gehalten. Und doch berührt die Geschichte. Das ist großes Kino, wenn ein Autor es schafft, mit einem eigentlich nüchternen Bericht soviel Emotionen hervorzurufen.
Danke für die Leserunde. Es hat mal wieder Spaß mit Euch gemacht, auch wenn ich erst später eingestiegen bin. Aber ich freue mich immer, wenn wir ein Buch besprechen, dass viel Diskussionspotenzial hat, was "Am Seil" definitiv bietet.
 
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