Autor Friedrich Dürrenmatt (anlässlich seines 100. Geburtstags)

Barbara62

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Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Der Titel fiel jetzt schon mehrfach in der Runde, vielleicht auch deshalb, weil es eine klassische Schullektüre ist. Ich habe es sowohl als Schülerin gelesen und als Lehrerin mehrmals im Unterricht besprochen.
Einige Sätze zum Inhalt:
Die Multi-Milliardärin Claire Zachanassian besucht ihren Schweizer Heimatort Güllen, die Namensgebung ist Programm. Güllen ist ökonomisch am Ende, die Bürger*innen sind ebenso wie die Stadt selbst hoch verschuldet, leben von der Sozialhilfe. Sichtbar wird der Zerfall daran, dass nur noch ein Bummelzug am Bahnhof hält.
Von der Milliardärin erhoffen sie sich Geld, um die Stadt wieder zu ihrem einstigen Wohlstand zurückzuführen.
Der Krämer Ill spielt dabei eine besondere Rolle, da er einst der Liebhaber der jungen Kläri Wäscher (der Mädchenname Claires) gewesen ist - auf ihn setzen die Güllner ihre ganze Hoffnungen, der Bürgermeister bietet ihm bereits seinen Posten an.
Dann erscheint die Milliardärin, mit eine grotesken Anhang nebst schwarzem Panther und kündigt an, dass sie der Stadt eine Milliarde schenkt, eine halbe Million für die Stadt selbst und eine halbe Million verteilt unter den Bürger*innen. Bedingung ist jedoch, dass jemand Alfred Ill tötet.
Er hat sie einst geschwängert und vor Gericht zwei falsche Zeugen bestellt, die aussagen, auch mit Kläri geschlafen zu haben. Daraufhin musste sie Güllen verlassen und sich prostituieren. Das Kind ist gestorben, bevor der Ölmilliardär Zachanassian sie aus ihrer Armut befreit hat.
Jetzt möchte sie Rache nehmen, an Alfred, aber auch an Güllen, das sie mit Schimpf und Schande vertrieben hat.
Werden die Güllener, wie sie behaupten, an der Menschlichkeit festhalten, oder erliegen sie der Versuchung des Geldes?
Eine moralisch sehr interessantes Theaterstück, das zum Diskutieren einlädt und auch heute noch bei Schüler*innen sehr gut ankommt ;).
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Für mich eins der besten Schullektüren überhaupt. Die ungeschichtliche historische Komödie stellt den letzten Kaiser Westroms Romulus in den Mittelpunkt. Dürrenmatt hat seine Regierungszeit "verlängert", so dass er als Mitte 40-Jähriger in Erscheinung tritt - historisch gesehen wurde er als 17-Jähriger von Odoaker, dem Germanenfürst abgesetzt.
Romulus lebt auf seinem Landsitz und beschäftigt sich mit Hühnerzucht, seine Hühner tragen fast alle Namen römischer Kaiser, bis auf die Henne Odoaker, die am meisten Eier legt, obwohl ihr Namensvetter gerade Westrom erobert. Die militärische, ökonomische und soziale Lage Westroms ist desaströs und Romulus tut nichts - er weigert sich zu regieren, er weigert sich einen Boten zu empfangen, der ihm wichtige militärische Mitteilungen überbringen will. Als Zeno, der oströmische Kaiser, bei ihm Asyl sucht, versucht dieser ihn zu ermutigen, Stärke zu zeigen, sich auf die römischen Prinzipien zu besinnen. Doch es stellt sich heraus, dass alles hohle Phrasen sind. Auch den Hosenfabrikanten Cäsar Rupf, der ihm anbietet, das römische Imperium mit seinem Geld zu retten, wenn er ihm im Gegenzug seine Tochter Rea zur Frau gibt, weist er ab.
Im II. Akt taucht der Verlobte seiner Tochter Rea auf, der für sein Vaterland gekämpft hat und in Gefangenschaft geraten ist. Dieser ist im Gegensatz zu Romulus bereit, alles zu opfern, um Rom zu retten - auch seine Liebe zu Rea! Warum tut Romulus nichts? Diese Frage wird immer drängender und ihm folgenden Akt beantwortet.
Romulus möchte die historische Gerechtigkeit wieder herstellen. Indem er nichts tut, geht das römische Imperium, das auf Tyrannei und Gewalt gegründet ist, unter. Er nimmt dabei in Kauf, dass viele Unschuldige sterben, legitimiert dies aber dadurch, dass er selbst bereit ist zu sterben. Er verbleibt in der Villa in Erwartung Odoakers, der ihn richten soll. Romulus erhebt sich zum Richter Roms. Allerdings stellt sich heraus, dass Odoaker nicht willens ist, ihn zu töten. Statt dessen sprechen die beiden über Hühnerzucht - das Stück hat so herrlich groteske und witzige Szenen ;). Odoaker weiß, tötet er Romulus gewaltsam, wird sich sein Neffe Theoderich über ihn selbst erheben. Daher beschließen die beiden Herrscher gemeinsam, dass Odoaker Romulus pensioniert, und Romulus Odoaker zum Herrscher von Italien macht, um dem Land einige Jahre des Friedens zu schenken. Die Menschlichkeit siegt über seinen Wunsch, Gerechtigkeit herzustellen.
Auch dieses Stück lädt zum Diskutieren ein und gerade die sukzessive Auflösung der Intention Romulus erzeugt beim Lesen eine Spannung. Perfekte Schullektüre ;).
 

petraellen

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Der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen (Kanton Bern) geboren.
Dort machte der Pfarrerssohn auch sein Abitur. Dürrenmatt war ein eher durchschnittlicher Schüler, denn seine Interessen lagen mehr im künstlerischen Bereich. Zahlreiche Gemälde, Skizzen und Zeichnungen aus der Schulzeit belegen das.
1946 entschied sich Dürrenmatt für eine Schriftstellerkarriere, die durch Persönlichkeiten wie Max Frisch gefördert wurde.


Seine bekanntesten Werke:

- Der Richter und sein Henker (Roman, 1950)
- Der Verdacht (Roman, 1951)
- Der Besuch der alten Dame (Drama, 1955)
- Die Physiker (Drama, 1962)

Seine beiden Werke „Der Besuch der alten Dame“ aus dem Jahre 1956 und „Der Physiker“ von 1962 sind sehr erfolgreich und finden auch außerhalb des deutschsprachigen Raums Beachtung.

Seine zahlreichen Werke aufzuführen würde den Rahmen sprengen.

Für sein literarisches Schaffen erhielt Dürrenmatt zahlreiche Auszeichnungen. Es seien nur einige erwähnt:
1948 bekam er den Preis der Welti-Stiftung für „Es steht geschrieben“ . 1959 wurde er mit dem „Schillerpreis der Stadt Mannheim“, 1960 mit dem Grossen Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung und 1977 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille in Frankfurt ausgezeichnet. Darüber hinaus erhielt er 1983 den Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur, 1984 die Carl-Zuckmeyer-Medaille, 1986 den Georg-Büchner-Preises, sowie 1989 den Schiller-Gedächtnispreises.

Am 14. Dezember 1990 starb Dürrenmatt in Neuchâtel im Alter von 69 Jahren.

Die schöne Zusammenfassung habe ich von @Buchplauderer hierher kopiert :)
Vielen Dank dafür!

Diese Leserunde wird uns das ganze Jahr 2021 begleiten. Es wäre schön, wenn sich jeder mindestens ein Werk Dürrenmatts vornimmt und uns hier vorstellt, es dürfen gerne auch mehrere sein;)

@Anjuta @Buchplauderer @Die Häsin @Zunderköchin @Barbara62 @Bibliomarie @Emswashed @Yolande @Helmut Pöll @Renie @kingofmusic @KrimiElse @renee @milkysilvermoon @Mikka Liest @parden @MRO1975 @Querleserin @RuLeka @Sassenach123 @SuPro @sursulapitschi @ulrikerabe @wal.li @Wandablue @Tiram
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich werde auf alle Fälle diesen Kriminalroman Dürrenmatts lesen, den ich mir antiquarisch als illustrierte Ausgabe der Büchergilde besorgt habe.
Ein weiterer Sammelband mit seinen Krimis und "Die Physiker" befinden sich im eigenen Fundus - für den Fall, dass ich Dürrenmatt-infiziert werde;)
Ich hätte meine Dürrenmatt-Lektüre wohl mit einem anderen Werk beginnen sollen. Dieses war ein Flopp! Nach der Hälfte habe ich es nicht mehr ertragen. Es soll wohl eine Gesellschaftssatire mit massiver Kritik an der Justiz sein. Die Obrigkeit wird vorgeführt, der verurteilte Mörder lässt seinen Fall neu aufrollen, indem sein Anwalt so tun soll, als ob der Mord nicht passiert sei...
Der junge Anwalt umgibt sich mit leichten Mädchen, wäscht sich selten und säuft wie ein Loch. Warum er in dieses Fahrwasser kam, ist noch unklar, damit muss wohl der Mörder etwas zu tun haben. Dürrenmatt schreibt hier sehr sprunghaft und szenisch. Offenbar hat er über Jahre an dem Buch gearbeitet.
Wenn mich ein Buch von 220 Seiten Länge nach 100 Seiten noch nicht an der Angel hat - dann wird das nichts mehr. Eine Chance will ich Dürrenmatt aber noch geben.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Ich beteilige mich an dieser Runde mit einer Geschichte aus der Feder Dürrenmatts, die ich schon lange nochmals zur Hand nehmen wollte, da ich mich noch gut erinnere, wie sie mich beim ersten Lesen beeindruckt hat: es handelt sich um "Der Tunnel", veröffentlicht aktuell zum Beispiel in einer kleinen Dürrenmatt-Geschichtensammlung beim diogenes-Verlag:

Mir liegt sie in einer uralten Ausgabe mit einer Sammlung deutscher Geschichten der 50er Jahre aus dem dtv-Verlag vor. Damals zusammengestellt und herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki.
Diese Geschichte liefert eine Parabel darauf, wie das Chaos in die Normalität des Alltags einbrechen kann.
Wir steigen mit einem Schweizer Studenten gemeinsam in der Geschichte in einen Zug, der ihn auf dem gewohnten, oft gefahrenen Weg an seinen Studienort bringen soll. Alles ist zunächst Routine und Normalität, doch dann bemerkt der Student, dass etwas die Normalität bedenklich stört: der kurze Tunnel auf der Strecke hat diesmal an Länge gewonnen,. Die Fahrt durch ihn nimmt soviel Zeit in Anspruch, wie der Fahrplan und die Erfahrung der vergangenen Fahrten nicht zulassen wollen. Die anderen Fahrgäste sind zunächst nicht aus der Ruhe gebracht, kennen sie die Strecke doch nicht so genau und sind von einem Tunnel in der Schweiz nicht weiter überrascht. Der Zugführer beteuert lange Zeit, dass alles in Ordnung sei, man sei auf der richtigen Strecke, nur eben der Tunnel würde nicht aufhören. Was kann getan werden? Notbremse ziehen? Die Situation wird aus der Normalität heraus immer beängstigender. Dem Leser treibt das Gelesene in ein ungemein beklemmendes Gefühl hinein. Nach einer Kletterpartie des Studenten gemeinsam mit dem Zugführer in Richtung Führerstand müssen die beiden feststellen: der Führerstand ist verweist und ohne Lokomotivführer verblieben. Und spürbar wird: die Fahrt führt immer deutlicher abwärts. Wohin wird diese Zugfahrt der scheinbaren Endlosigkeit die Reisenden bringen? Wo und wie wird sie enden? Wird sie überhaupt enden? Diese Fragen drängen sich durch eine sehr geschickte sprachliche Gestaltung und ein permanentes Anziehen des Spannungsbogens dem Leser auf. Die Sprache in dieser recht kurzen Geschichte unterstützt fast hypnotisch diese Fragestellungen und die aufkommende Spannung. Es ist eine Sprache der verwobenen, schier endlosen Sätze, in denen man auch oft nicht zu wissen vermag: Wo wird das enden? Und doch sind die Teile davon sehr normal und durch konkrete Informationen gekennzeichnet. Ein Abbild des Erzählten! Hier ein Beispiel
[zitat]Die Plattform, die er betrat, besaß auf beiden Seiten ein Eisengeländer, woran er sich klammerte, doch war nicht der ungeheure Luftzug das Entsetzliche, der sich milderte, wie er sich der Maschine zubewegte, sondern die unmittelbare Nähe der Tunnelwände, die er zwar nicht sah, da er sich ganz auf die Maschine konzentrieren musste, die er jedoch ahnte, durchzittert vom Stampfen der Räder und vom Pfeifen der Luft, so dass ihm war, als rase er mit Sterngeschwindigkeit in eine Welt aus Stein.[/zitat]
Die anderen Geschichten, die im diogenes-Band abgedruckt sind, kenne ich leider nicht. Die nochmalige Lektüre hat mich aber dazu gebracht, das Bändchen auf meine Wunschliste zu setzen, um zu schauen, ob die anderen Geschichten ebenfalls eine solche Meisterschaft z. B. von
- Einklang von Sprache und Inhalt
- Spannungsaufbau
- Suggestion
vermittelt vom Autoren unter Beweis stellen können.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich werde auf alle Fälle diesen Kriminalroman Dürrenmatts lesen, den ich mir antiquarisch als illustrierte Ausgabe der Büchergilde besorgt habe.
Ich habe diesen Roman innerhalb einer Facebook Leserunde gelesen , das reicht mir für das ganze Dürrenmatt- Jahr. Bin bedient.
Wobei ich seine Theaterstücke wie „ Besuch der alten Dame“ und „ Die Physiker“ großartig finde.
Vor dem Band „ Justiz“ habe ich nochmals seine Kriminalromane „ Der Richter und sein Henker“ und „ Der Verdacht“ gelesen. Ich habe also mein Soll erfüllt.