Franz Kafka: "Wunsch, Indianer zu werden" (Eine Parabel)

Literaturhexle

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Die Parabel "Wunsch, Indianer zu werden" von Franz Kafka:

"Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glattgemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf."
 

Literaturhexle

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@Querleserin:

Für mich drückt sich in der Parabel der Wunsch nach Freiheit aus, alles hinter sich zu lassen, auch das Pferd als "Hilfsmittel" zur Freiheit. Zu erkennen, dass es weder Sporen noch Zügel braucht, die nur in der Einbildung existieren, dass es so einfach wäre, alles hinter sich zu lassen, wenn man es wagt, das freie Land - frisch gemähte Heide ?- zu betreten. Ins Gleichgewicht kommen, nicht mehr schief auf dem Pferd zu sitzen.

Ein erster Versuch der Annäherung ;)
 

kingofmusic

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@Querleserin:

Für mich drückt sich in der Parabel der Wunsch nach Freiheit aus, alles hinter sich zu lassen, auch das Pferd als "Hilfsmittel" zur Freiheit. Zu erkennen, dass es weder Sporen noch Zügel braucht, die nur in der Einbildung existieren, dass es so einfach wäre, alles hinter sich zu lassen, wenn man es wagt, das freie Land - frisch gemähte Heide ?- zu betreten. Ins Gleichgewicht kommen, nicht mehr schief auf dem Pferd zu sitzen.
Ein durchaus sinnvoller und logischer Ansatz. Kann den Indianer gerade nicht zeitlich zuordnen. Wenn er es zu der Zeit geschrieben hat, als er krank wurde und er berentet werden wollte...Oder er wollte Felice vergessen und "frei" sein. Ich will ne Zeitmaschine :D.
Aber vielleicht treffe ich ja seinen Geist nächstes Jahr in Prag...
 

Literaturhexle

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Im Grunde ist das doch nur ein Bild: Der Indianer auf dem rennenden Pferd ohne Sporen und Zügel. Beide rennen in die Freiheit.
Wenn er den Pferdekopf nicht mehr sieht, fliegt er ja fast und hebt ab?
Dazu passt die "glattgemähte Heide": Man mäht sie ja nicht, aber von oben (im Flug) sieht sie aus wie gemäht.
 

Querleserin

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Entscheidend ist für mich der Ausspruch, dass es weder Sporen und Zügel gab, die Beschränkungen der Freiheit also nur "eingebildet" sind. Es wäre so einfach der Künstlerexistenz zu folgen, wenn ihn seine bürgerliche Existenz nicht begrenzen würde. Von daher passt es zeitlich in die Phase seiner Frühpensonierung...allerdings ist es 1912 erschienen eher der Wunsch sich vom dominanten Vater zu lösen.
 

Literaturhexle

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Querleserin

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Wenn es aber eingebildet ist, kann man es doch hinter sich lassen und quasi abheben. Zumindest ist das der Wunsch.

Was soll das heißen? Zittern hat doch etwas mit Angst oder Kälte zu tun?
Genau, man kann es hinter sich lassen und die Angst, das Zittern, überwinden - man muss es aber wollen - psychologisch gesehen muss sich das Ich vom Über - Ich lösen, um seine Freiheit - das Es, die Triebe, ausleben zu können. Viele Grüße von Freud ;) Die Parabel ist nur eine Bildebene, hinter sich die eigentliche Bedeutung erschließen lässt, vergleichbar noch einen biblischen Gleichnis. Sorry, wenn gerade die Deutschlehrerin mit mir durchgeht :oops:
 

Literaturhexle

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Sorry, wenn gerade die Deutschlehrerin mit mir durchgeht :oops:
Nein Nein. Das ist gut! Ich will es ja verstehen und bin in derlei Dingen vollkommen aus der Übung.

Dunkel weiß ich noch, dass die Parabel einen Höhepunkt hat. Das ist wohl das Wegwerfen der Zügel als "Lösungsprozess"?

Und der Wunsch, überhaupt Indianer sein zu wollen, hat auch etwas Kindliches, eigentlich ja nicht Realisierbares. Eine Flucht aus der Realität.
 

kingofmusic

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Ist es nicht irre, dass man über einen einzigen Satz, den man bestimmt auch noch in seine Einzelteile zerlegen kann, schon so viel "philosophieren" kann? Und jeder trägt den Gedanken des bzw der Anderen weiter...Hach, schön ist es hier mit euch! :) Und @Literaturhexle : habe ich dir nicht gesagt, dass du noch zu Kafka kommst? :p:D
 

kingofmusic

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Entscheidend ist für mich der Ausspruch, dass es weder Sporen und Zügel gab, die Beschränkungen der Freiheit also nur "eingebildet" sind. Es wäre so einfach der Künstlerexistenz zu folgen, wenn ihn seine bürgerliche Existenz nicht begrenzen würde. Von daher passt es zeitlich in die Phase seiner Frühpensonierung...allerdings ist es 1912 erschienen eher der Wunsch sich vom dominanten Vater zu lösen.
Aber um ganz ehrlich zu sein (bei all meiner Verehrung für Franz): ich hätte ihn auch nicht gerne als Sohn gehabt.
 

Literaturhexle

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Ist es nicht irre, dass man über einen einzigen Satz, den man bestimmt auch noch in seine Einzelteile zerlegen kann, schon so viel "philosophieren" kann? Und jeder trägt den Gedanken des bzw der Anderen weiter...Hach, schön ist es hier mit euch! :) Und @Literaturhexle : habe ich dir nicht gesagt, dass du noch zu Kafka kommst? :p:D
Das stimmt! Aber das macht auch nur Spaß, wenn man mit euch darüber sprechen kann. Ich muss mich wirklich wieder in so etwas einfinden...
Kafka ist schon speziell aber ihr wart ja nett: der Einstiegstext ist übersichtlich :)
 

Literaturhexle

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Zwei Texte habe ich durch meine Kinder kennengelernt: bei dem einen gehen ein Junge und ein Mädchen an einer Straße entlang und da kommt ein Soldat.... Ein Schloss ist glaube ich auch dabei....

Bei der anderen steigt jemand aus dem Zug und findet den Weg nicht und die Kirchturmuhr zeigt eine falsche Zeit und er hat Angst zu spät zu kommen....

Nun, mein König: Wie heißen die Geschichten ?!?
 

kingofmusic

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Warum nicht? Interessant klingt das und es gibt genug Fachleute um mich herum, die mich dann zum Staunen bringen :D
Aber fangen wir langsam an: du kannst schon mal einen Text mit zwei Sätzen suchen ;)
Wir brauchen auch nur jede seiner Aphorismen nehmen und auseinander nehmen. Derer gibt es etwa 100 Stück :D.
 

kingofmusic

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Zwei Texte habe ich durch meine Kinder kennengelernt: bei dem einen gehen ein Junge und ein Mädchen an einer Straße entlang und da kommt ein Soldat.... Ein Schloss ist glaube ich auch dabei....

Bei der anderen steigt jemand aus dem Zug und findet den Weg nicht und die Kirchturmuhr zeigt eine falsche Zeit und er hat Angst zu spät zu kommen....

Nun, mein König: Wie heißen die Geschichten ?!?
Immer diese Fangfragen auf nem Samstag Abend um kurz vor dreiundzwanzig Uhr, wo der König geplättet vom Muskelaufbautraining und Schwimmen kommt und sich geistig schon auf Anna Amalia und ihre Bibliothek vorbereitet ha ha ha.
Ich kann sie dir leider momentan nicht beantworten :p:confused::D.