Fazit

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.361
21.137
49
Brandenburg
Oskar Specks Lebensgeschichte kennenzulernen, war schön: Mit der Ichperspektive wäre sicherlich vieles besser gelungen, Oskar hätte Meinungen kund tun können zu den Celebrities seiner Zeit, klar, das hätte man erfunden, aber es wäre geschmeidig gewesen, so hat man auf das Kennenlernen der Person Speck verzichten müssen.

Da der Roman sich nicht entschließen konnte, was er sein will, Biographie, Reisebericht oder gar Abenteuerroman, ist er in meinen Augen kläglich gescheitert. Schade.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.552
16.305
49
Rhönrand bei Fulda
Ich habe mich stellenweise durchaus amüsiert.
Nur, wie schon unter dem letzten LA erwähnt: das, was ich gern hätte wissen wollen, hat der Roman nicht oder viel zu kurz erzählt, und das, was ich unter die Rubrik "unwesentliche Kleinigkeiten" abgelegt hätte, zog sich endlos hin. Was mir wirklich gefallen hat, waren die Szenen zwischen Oskar und Gili außerhalb der "Gespräche", vor allem das Geschehen und die Hochzeitszeremonie. Da gab es Andeutungen von Tiefe und Charakter. Dann kamen aber wieder endlose Aneinanderreihungen von albernen Wortwechseln, völlig aberwitzigen Zufällen und Szenen, die ich völlig überflüssig fand, wie etwa Konstantys "Liebesgeschichte". Vielleicht waren die beiden englischen Schwestern für den Autor interessant, weil sie wirkliche Personen der Zeitgeschichte waren - aber sie wirklich zu interessanten Personen auszugestalten, war dann ja wieder der Platz nicht da. Dann hätte man sie m.M.n. besser ganz gestrichen und dafür Oskars Fahrten mehr Raum gegeben.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass mir das Buch gar nicht gefallen hätte. Ich fand es leidlich spannend, Lokalkolorit war auch oft vorhanden (wenn auch nicht immer so, wie ich mir das gewünscht hätte) und vor allem Gili habe ich liebgewonnen. Nur - das, worüber ich gern mehr erfahren hätte, war zu knapp abgehandelt, und vieles andere dafür überflüssig breit getreten. Schade um den spannenden Stoff. Ich weiß noch nicht, wieviele Punkte ich geben werde; vielleicht drei - ich würde gern dreieinhalb geben, aber dann müsste ich auf vier aufrunden, und im Vergleich zu anderen Büchern, die ich mit vier bewertet habe, schneidet es doch deutlich schlechter ab.
 

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.635
4.771
49
62
Essen
Ich habe das Buch zur Lektüre gewählt, weil mich wirklich interessierte, wie man mit einem Faltboot um den Erdball reisen kann und wie sich das in den historischen Kontext des aufkommenden Nationalsozialismus einfügt.
Als Fazit muss ich sagen, dass den Autor bei der Auswahl seines Sujets wohl nicht alles das daran interessiert hat, was mein Interesse angezogen hat. Die Faltbootfahrt etwa kommt letztlich so gut wie gar nicht vor. Der Autor lässt Oskar Speck von einer Station zur nächsten hüpfen, schlittern oder irgendwie ankommen, ohne die wirkliche Reise in den Blick zu nehmen oder nehmen zu wollen. Immer wieder bricht er dafür den Erzählstrang auf, um sich im nächsten Augenblick irgendwo anders entweder mit oder ohne Oskar zu befinden. Das macht die Lektüre zumindest bis zur Hälfte des Romans mühsam und bisweilen sogar ärgerlich.
Als vollkommen überraschend Oskar dann ungefähr in der Mitte des Romans an seiner Endstation ankommt (zunächst Surabaya, dann eine Australien vorgelagerte Insel), erhielt ich den Eindruck, dass der Autor nun erst an dem Punkt angekommen ist, der ihn eigentlich interessierte: die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf deutsche Staatsbürger in den Weiten der Welt. Die Gefangenschaft in Lagerns selbst von deutschen Staatsbürgern, die jahrzehntelang ihr Heimatland verlassen hatten, ist schon eine groteske Situation, die es wert war, in einem Buch so beschrieben zu werden. Und das es auch noch jemanden traf, der auf so unkonventionelle Art und Weise an das Ende der Wellt (von Deutschland aus gesehen) gekommen ist, ist auch ein erzählenswerter Aspekt. Und so habe ich das Buch in der zweiten Hälfte zu schätzen gelernt.
Und trotzdem frage ich mich, warum der Autor das spannende Potential, das ihm diese Story in die Hände gelegt hat, so verstreichen lässt und so wenig daraus macht. In der ersten Hälfte macht der Roman auf mich einen zerfaserten, uneinheitlichen Eindruck, der mich immer wieder durch Strukturbrüche aus dem Konzept und aus dem Lesevergnügen gerissen hat. Bis zu meiner Rezension lasse ich mir noch ein paar Tage Zeit zum Nachdenken.
 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
836
3.350
44
Ich kann eigentlich kaum noch etwas hinzufügen. Ich habe den Roman in der zweiten Hälfte - ab Surabaya - deutlich lieber gelesen. Sugar, Peng Long, die Kupfers und Gili haben mir gut gefallen, aber insgesamt war mir die ganze Geschichte zu bruchstückhaft. Das Springen zu einer anderen Zeit unter Auslassung von allen Ereignissen der Zwischenzeit fand ich anstrengend und hat dem Roman nicht gut getan. Nicht dass ich es hätte lesen wollen, aber der Stoff wäre vielleicht eher etwas für eine Trilogie gewesen - immerhin besser, als am Ende mit einem Zitat von Speck zu sagen: Hmmm, das wäre eigentlich Stoff für einen richtig langen Roman gewesen...
Was mir zunehmend auf die Nerven gegangen ist, war der humorvoll-flapsige Ton. Ich mochte die Berliner Brüder zwar, aber sie und fast alle Insassen des Gefangenenlager neben vielen anderen Figuren, die den Roman bevölkerten, wirken fast wie Karikaturen. Ich mag es nicht besonders, wenn ein Text sein Personal nicht wirklich ernst nimmt - das ist aber Geschmacksache.
Auch wenn wir es hier also mit einer sehr speziellen Interpretation des historischen Romans zu tun haben, habe ich viele Passagen gern gelesen und wurde angenehm unterhalten - allerdings wirklich nur zeitweise. Vieles war zu absurd, zu viel Slapstick, zu abstrus...