Ich weiß noch gar nicht so recht, wie ich das Buch "bewerten" soll. Auch ich ging mit falschen Voraussetzungen ans Lesen: ich hatte von der Figur des Chevalier d'Eon bereits gehört, aber immer geglaubt, es habe sich um eine Frau gehandelt, die in Männerkleidern lebte. Irene Dische lässt ja diesen Punkt offen bis kurz vor dem Schluss, was vermutlich für das, was sie aussagen wollte, nur folgerichtig ist.
Das Buch präsentierte viele interessante Schlaglichter auf die Epoche, auch Zeit- und Lokalkolorit, wenn auch nicht ganz so viel wie ich mir erhofft hätte. Was ich bis zum Schluss nicht verstanden habe, war die merkwürdige Bindung des Erzählers an seine beiden Freunde, vor allem an Morande, der im Grunde nur als ekelhafter Kerl geschildert wird. Beaumarchais ist weit "schillernder" geraten und mag seine liebeswerten Seiten gehabt haben; an Morande bleibt kaum ein gutes Haar. Hier fehlte mir Motivation und Verständnis. Anderes fand ich wieder sehr gut durchleuchtet - vor allem die enorme Anpassungsfähigkeit des Erzählers, die darin gipfelt, dass er sich sogar ein Leben in einem Nonnenorden vorstellen kann.