Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.741
9.814
49
Allmächtiger, lass den Kelch, hierfür eine Rezension schreiben zu müssen, bitte an mir vorübergehen!

Am Ende des Buches habe ich leider die guten Absichten und Verprechungen für eine echte Debatte um die Israel-Frage völlig aus den Augen verloren.
Die philospischen Ansätze in den Gedanken um Recht und Unrecht, um Leben und Tod und wieviel Glauben man in seinem Leben zulassen kann, gingen leider im Gewehrfeuer der Absurditäten unter. Erst war es amüsant mit einer gewissen Spannung auf einen erklärenden Knaller, dann aber entwickelte es sich immer mehr zu einer Abfolge von Unsäglichkeiten, komponiert von durchweg schrägen Charakteren.

Wenn es Satire wäre, könnte ich eine Parallele zur Realität ziehen, die ich aber hier nicht finden kann.

Ist Michette die Rahmenhandlung, oder der Zirkusdirektor, der uns dezent darauf hinweist, dass, wenn man diesen Roman nicht versteht, "zu oberflächlich gelesen" hat?? Braucht man Vorlauf mit Grünbergs Romanen, um seinen Humor, oder seine Sinnvermittlung zu verstehen?
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.545
24.645
49
66
Ich muss erst mal tief durchatmen und das Ganze sacken lassen.
Ich kannte Grünberg schon und wusste ungefähr, was auf mich zukommt. Und ich habe ziemlich bald aufgehört, hier eine realistische Geschichte zu sehen.
Allerdings hatte ich gehofft, hier mehr über die Situation in Israel zu lesen.
Nun ja . Einerseits gab es manche Sätze und Sequenzen, die ich mir angestrichen habe, weil ich darin etwas Allgemeingültiges gesehen habe und ab und zu musste ich auch lachen. Doch in der Summe war es mir zu viel, zu viel Absurdes, zu viel Ekliges, zu viel Sex und und und ...Als Lektor hätte ich auch manches an Wiederholungen gestrichen.
Ich frage mich auch, wie ich das Buch beurteilen soll. Da geht es mir wie @ Wanda. Literarisch, Inhaltlich, nach Lesefreude ?
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.691
22.086
49
Brandenburg
Da wir schließlich und endlich doch bei Israel - von Feinden umgeben - gelandet sind und die Conclusio des Romans ein bisschen der meinen ähnelt, "es gibt keine Lösung" oder auch mit Worten des Romans "man kann nichts tun und wenn man sich nicht umbringen will, muss man einfach weitermachen", verzeihe ich den Weg, den wir bis zu dieser Erkenntnis genommen haben ein ganz klein wenig. Wir hätten auch anders dahin gelangen können.

Man kann ganz trefflich darüber philosophieren, warum es so viel Sex brauchte - man könnte sagen, Sex sei nun einmal das Ding, bei dem der Mensch am wahrhaftigsten ist oder auch, wo er seine Masken verliert - aber man kann auch sagen, Sex sells und das vorgezeigte Frauenbild bleibt nun einmal abscheulich.

Ich muss nun in mich gehen für die Rezension. Gern gelesen habe ich dieses Buch nicht. Seinen depressiven Grundgedanken, seine Grundströmung, kann ich jedoch ohne weiteres nachvollziehen.
 

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.640
4.795
49
62
Essen
Ja, was ist nun mein Fazit?
Das Fazit ist: Es bleibt bei mir ein großes Fragezeichen: Was will der Autor uns eigentlich sagen?
Einfach vor Augen führen, wie man politisch unkorrekt mit dem Schreiben über den Staat Israel und das jüdische Leben umgehen kann (zumindest als selber Jude)?
Mir fehlt insgesamt so ein bisschen der Draht zu satirisch-humoristischer Darstellungsweise. @Renie hatte irgendwann in diesem Chat das Stichwort "Monty Python" gegeben. Kunstwerke, was diese Künstlergruppe an Filmen herausgegeben haben, ohne Frage. Aber ich habe eben den Draht dafür nicht. Ich funke auf einer anderen Frequenz, sorry.
So ähnlich ist es hier wohl auch. ich erkenne, das Gute in dem Werk und lese es auch gern, aber am Ende bleiben mir nur Fragen und keine Erkenntnisse. Das lässt mich halt einfach etwas unbefriedigt zurück, obwohl mir das Lesen viel Spaß gemacht hat und ich auch sehr flüssig und schnell durch dieses Buch gekommen bin, da es mich immer wieder angezogen hat.
Was mache ich jetzt daraus für meine Rezension ?????
Erstmal noch drüber schlafen und sacken lassen.
Ihr findet eine reichlich verwirrte Anjuta vor. :reader3o_O
 

sursulapitschi

Aktives Mitglied
18. September 2019
645
1.568
44
Anfangs dachte ich, ich hätte ein 5 Sterne Buch erwischt. Der Stil ist toll, die Figuren skurril, ein spannendes Thema. Bis zum Schluss sind sie dann gepurzelt, ich denke, ich bin jetzt zwei Sternen.
Das war mir zu wüst, zu durcheinander, zu absurd, zu gewollt. Ich hätte dem Ganzen noch etwas abgewinnen können, wenn es denn dann einfach nur ein Spaß mit Tiefgang hätte sein sollen, aber nein, er holt hinten raus noch mit der Moralkeule zu, sehr plump.
Ich bin froh, dass ich dieses Buch hinter mir habe und werde nie wieder etwas von diesem Autor anfassen.
 

Renie

Moderator
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19. Mai 2014
5.904
12.640
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Mir hat der Roman ausgesprochen gut gefallen. Aber ich gebe Euch Recht: es ist brutal schwer in Worte zu fassen, was in diesem Buch passiert ist und welche Botschaft uns der Autor mitteilen möchte.
Der Roman ist eine groteske Satire mit einem Humor, der nicht jedermanns Sache ist (Gut das @Literaturhexle nicht mitgelesen hat. Was müssten wir uns jetzt anhören?!). Ich habe den Vergleich zu dem Monty Python Humor gezogen, der genauso derb ist und sich ebenfalls häufig an der Grenze zur Geschmacklosigkeit bewegt. Da ich mich bei der Lektüre köstlich (und laut) amüsiert habe, müsste ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass dies nicht mein Humor ist. Ich muss allerdings dazu sagen, dass bei den humoristischen Einlagen die Überraschungsmomente der Trigger für mein Gelächter war. Wenn die Situationen vorhersehbar gewesen wären, wären sie nicht komisch, sondern platt gewesen.
So, das war jetzt der leichte Teil meines Fazits.
Jetzt komme ich zu einem Punkt, der mich durchgängig vom Anfang bis zum Ende des Buches beschäftigt hat: was ist die Botschaft des Autors? Es ist eine Satire, aber was wird genau kritisiert? Und hier komme ich zu keiner umfassenden Antwort. Ich bin ratlos, wenn ich die Thematik dieses Romans in einem Satz zusammenfassen sollte. Allerdings könnte ich eine Riesen-Liste an Schlagwörtern erstellen, die mir während des Lesens eingefallen sind und bei denen ich jedes Mal gedacht habe: Stimmt ja, darum geht es auch.
Sicherlich würden die Wörter Judentum und Westjordanland ("Besetzte Gebiete") darauf stehen. Doch mir ist es zu wenig, diesen Roman darauf zu begrenzen. Ich sehe andere Aspekte. Um bei meiner Schlagwortliste zu bleiben: Standpunkte, Opfer/Täter, Selbstwahrnehmung, Gerechtigkeit, Moral, Doppelmoral, Glaube, Schubladendenken, Political Correctness, Leben und Lebenlassen ... und es gäbe noch viele viele mehr, je länger ich darüber nachdenke.
Aber ich schaffe einfach nicht, diese Schlagwörter miteinander in Einklang zu bringen. Obwohl sie doch irgendwie zusammengehören, kriege ich die Aussage dieses Buches nicht auf den Punkt gebracht, was ich aber nicht frustrierend finde, wie @Anjuta . Stattdessen weiß ich, dass mich dieser Roman noch ewig beschäftigen wird. Und ich mag Bücher, die mich nicht loslassen. Es gibt zuviele Bücher, die ich gelesen, für gut befunden habe und nach ein paar Wochen hatte ich schon wieder vergessen, warum mir das Buch gefallen hat. Bei diesem Buch wird mir das garantiert nicht passieren.
 

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
19.473
50.032
49
Der Roman ist eine groteske Satire mit einem Humor, der nicht jedermanns Sache ist (Gut das @Literaturhexle nicht mitgelesen hat. Was müssten wir uns jetzt anhören?!)
Ja, liebe Renie, du kennst mich eben schon ein Weilchen:)
Das Buch wäre für mich nahe an der Höchststrafe gewesen. Zum Glück wurde es vom Verlag auch entsprechend beworben. Wenn ich schräg und Humor höre, bin ich raus. Dagegen war "Fahrtwind" für mich ein Genuss:D

Schuster, bleib bei deinen Sohlen! In diesem Fall habe ich alles richtig gemacht. Eurer Diskussion bin ich aber gerade wegen der Polarisierung gerne gefolgt;)
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.741
9.814
49
Nicht einknicken! Rückgrat, dear!

Make my Rück great again.

Von meinen zwei Sternchen weiche ich kein Lichtjahr ab, haha, aber so manche Botschaften erschließen sich mir jetzt erst.

Israel als Gedankenkonstrukt, welches man auch aus New York, in der Erscheinungsform dieses Halbtoten Rabbis Zwi, beherrschen kann. Ist der Kopf erst einmal mit Visionen gefüllt, ist man auch unempfindlicher gegenüber der Realität.