Auf Wunsch vom Hexle hier mein Privatfazit, ich habe das Buch gerade außerhalb der Runde gelesen:
Der Erzähler erwähnt mehrmals, dass er in einem privaten Notizbuch Sentenzen über die Liebe sammelt: was die Liebe ist, was sie nicht ist. Diese streicht er meistens nach einiger Zeit wieder durch. Die Parallele zum Titelbild ist offenkundig, aber ich sehe darin auch etwas anderes. Man kann ja erkennen, dass sie handschriftliche Überschreibung fleckig und verkleckst ist. Ich glaube, es ist damit auch ein Überschreiben der Erfahrung selbst gemeint. Es wird mehrmals erwähnt, wie unterschiedlich Paul seine Erfahrungen bewertet, je nach zeitlichem Abstand. Was er erzählt, ist (im ersten Abschnitt) lange vergangen. In diesem ersten Abschnitt erscheint er forsch, ein rechter Hallodri. Einem alten Herrn, der ihn wegen einer Unachtsamkeit im Straßenverkehr anpampst, antwortet er: "Sie werden vor mir sterben", und seine Geliebte sucht er auf gewagte Weise auf, indem er über das Garagendach in ein offenes Fenster springt, obwohl sie die Hintertür für ihn offen gelassen hat! Ich hatte mehrmals den Eindruck, dass das letztlich anekdotisches Erzählen ist. Er erzählt das, was er noch weiß, und es ist unglaublich viel ausgespart. Man erfährt nur wenig darüber, was ihn eigentlich an Susan fasziniert, überhaupt erfährt man über sie nur wenig: was sie zusammen tun, worüber sie sprechen ... Das, was diese erste Phase ausmacht, ist (nach meinem Gefühl, ich kann nur über meine eigenen Eindrücke sprechen) der Rausch der Eroberung, und zwar konventionell erzählt, wie ein Liebesroman halt.
Im zweiten Teil beginnt die Beziehung zu bröckeln und hier wird der Kern der Geschichte quasi überschrieben, die Geschichte ist hier weniger emblematisch und sinnbildhaft (wie halt ein typischer Liebesroman), sondern wird individuell, einschließlich des Leidens. Deshalb wird der Titel jetzt handschriftlich "korrigiert", einschließlich der Kleckse und Unsauberkeiten, die wir auf dem Umschlag sehen. Hier wird auch nach und nach deutlich, wie der Erzähler versagt Ich will nicht ins einzelne gehen, das habt ihr ja in der Runde gemacht. Ich fand diesen Abschnitt sehr traurig. Paul macht keine gute Figur darin. Er weiß das selbst, da er vom "Ich" zum anklagenden "Du" wechselt.
Im letzten Abschnitt, der mit der "Er"-Perspektive und merklicher Distanz geschildert ist, bekommen wir ein abgeklärtes Resümee. Eine andere Leserin als ich würde vielleicht sagen, dass Paul in gewisser Weise durch seine Jugendliebe vernichtet wurde: er hat nie wieder eine längere und innige Beziehung, und beruflich bleibt er offensichtlich auch unter seinen Möglichkeiten. Ich sehe das Resümee mehr mit den Augen des Alters (ich bin ja selbst nicht so viel jünger als Paul) und sehe ihn als zufriedenen Menschen, in dem Sinn, dass er sich im Leben hat entfalten können - wenn auch wohl nicht in dem Sinn, wie man es in einem Liebesroman erwarten würde.
Mir hat Susan entsetzlich leid getan, aber die Wurzeln ihres Suchtproblems sind Paul nicht zugänglich - verglichen mit ihr ist er ja ein Bubi. Vermutlich fühlt er sich trotzdem schuldig. Mir ist jetzt übrigens gerade die trunksüchtige Tochter in "Stoner" eingefallen - ich glaube, sie hieß Grace? - das ist auch so eine Figur, wo man sich denkt, am Schwächsten der Familie bleiben die Probleme halt hängen und er oder sie zeigt die Symptome, die eigentlich alle haben müssten, in geballter Form.