Ich musste das Buch erst mal sacken lassen, bevor ich mir ein Fazit erlaube. Also, sprachlich grandios, eine Geschichte, die ins Herz trifft, weil sie viele Erinnerungen an die eigenen Kindheit weckt. Kaum zu glauben, aber ich habe den Eindruck, dass jeder von uns seine Kindheit auf dem Land verbracht hat. Zufälle gibt's
.
Und jetzt kommt mein Aber:
Für mich gab es 2 "Haupt"Protagonisten (ich weiß, Hauptprotagonisten gibt es nicht, aber da für mich irgendwie alle Protagonisten in diesem Buch waren, muss ich die Zwei, die ich mir ausgeguckt habe, besonders hervorheben). Diese sind
1. Brinkebüll: die Dorfgemeinschaft hat für mich ein Eigenleben und eine Seele entwickelt. Gefühlsmäßig war vieles dabei. Von liebevoll bis hin zu feindselig. Hier wurde eine breite Gefühlspalette aufgezeigt. Die Entwicklung des Dorfes über die Jahre war grandios dargestellt, von der Idylle, über die Folgen des Fortschritts bis hin zur heutigen Tendenz "Zurück zur Natur und dem Natürlichen". Natürlich habe ich aufgrund meiner eigenen Erinnerungen vieles durch die rosa-rote Brille betrachtet und dadurch den vermittelten Wohlfühlfaktor sehr genossen. Dadurch bin ich aber auch nachsichtiger gegenüber der Darstellung des 2. "Haupt"Protagonisten geworden:
2. Ingwer
Ich habe diesen Roman auch ein Stück weit als Selbstfindungsroman gelesen. Ingwer, der aufgrund seiner Historie als Landei in die Stadt geht und einen Weg einschlägt, der ihm, ginge es nach seinem "Groß"Elternhaus, nicht vorbestimmt ist. Irgendwann stellt er in der Stadt fest, dass dies doch nicht der richtige Weg war, zumindest zweifelt er, nimmt sich eine 1-jährige Auszeit und kehrt zurück zu seinen Wurzeln, auf der Suche nach sich selbst. Was macht dieses Jahr jetzt mit ihm? Hier fehlt mir eine befriedigende Antwort. Er kümmert sich aufopferungsvoll um seine Großeltern, empfindet das Landleben nicht mehr als negativ, wird nachdenklicher und reflektiert sein bisheriges Leben. Als Sönke gestorben ist und Ella in die Pflege kommt, geht er wieder in die Stadt. Ich kann jedoch keine Veränderung an ihm erkennen bzw. irgendwelche Erkenntnisse, zu denen er gekommen ist. Den letzten Satz
"Es ging hier gar nicht um das bisschen Mensch"
münze ich dabei nicht auf seine eigene Persönlichkeit, sondern auf das Land bzw. Dorf.
Daher bin ich ratlos, was das Ende angeht, genauso wie das Thema "Selbstfindungsroman". Meines Erachtens hat Ingwer gar nichts gefunden, ausser dass er vielleicht entspannter mit seiner Vergangenheit umgeht.