Fazit

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.196
49
Bei diesem Buch hat es sich wieder bewährt, dass ich mich vor dem Lesen nicht mit Inhalt oder Klappentext beschäftigt habe. Dadurch geht man ganz neutral in die Lektüre.

Zunächst hatte uns der tragische Tod Augusts beschäftigt. Früh spürte man, dass der Protagonist Karl psychisch nicht stabil war. Als Ursache würde schnell die lieblose Kindheit manifestiert.
Dann das besondere Verhältnis zu Tanja. Ist Karl ein Stalker?
Dann die eigenwillige Mutter-Sohn-Beziehung... Immer wieder Tanja...

Am Ende lösen sich die Knoten. Das Ganze mündet in einer wirklich ansprechend geschriebenen, wenn auch nicht einfachen, Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen mit großem Altersunterschied, die beiden aber gut tut.

Viele Themen wurden angesprochen, deren Entwicklung ich so nicht vorausgesehen hatte. Hinzu kommt ein schöner Schreibstil der Autorin: viel Symbolik, ohne gestelzt zu sein, klare Formulierungen, die auch Raum für eigene Gedanken lassen.

Ein tolles Leseerlebnis!
 

Krischan

Mitglied
6. März 2018
43
59
10
Hechthausen, Cuxland
www.christa-laas.de
Jetzt bin ich noch gespannter auf das Buch, muss aber erst mal selbst noch ein bisschen vorlesen, was übrigens auch zu den schönen Dingen des Lebens bei mir gehört, ist immer wieder anders und oft auch sehr lustig! Ich freue mich auf Leinsee und weitere Lesetipps!
 

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.635
4.771
49
62
Essen
Das Buch hat mich literarisch (und überhaupt) sehr überzeugen können. Es ist sprachlich interessant und gut, führt ungewöhnliche, aber stimmige Charaktere ein, mit denen man mitlebt und es erzählt eine menschlich besondere Geschichte mit einer wirklich ungewöhnlichen Figurenkonstellation. Der Held des Romans ist zwar alles andere als ein Charakter, der Nähe lebt und anbietet, dennoch schafft es die Autorin, dass der Leser sich mit ihm identifiziert und mit ihm mitlebt. Und das schafft sie auf ganz unaufgeregte und sinnliche Weise. Der geschilderten Künstlerwelt angemessen ist der Sprachstil und insbesondere der Kunstgriff, Farben stark in den Mittelpunkt zu stellen. Das bringt neben der anregenden Handlung und den anregenden Charakteren eine weitere Ebene in den Roman ein, auf der der Leser immer auf der Suche nach Bedeutung und Rolle besonderer Farbgebungen in der Geschichte ist. Insgesamt: eine spannende Lektüre und ein vielversprechendes Debüt.
 
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Bibliomarie

Bekanntes Mitglied
10. September 2015
2.092
3.205
49
Das Buch hat mich wirklich gepackt. Es hat alles was für mich Literatur ausmacht: ein interessantes Thema, Protagonisten die mich überzeugen und eine tolle Sprache. Ich kann es gar nicht richtig einordnen, Familiendrama, Liebesgeschichte, Entwicklungsroman - es war alles dabei
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Dieser Roman war ein echter Glücksgriff. Er ist originell und facettenreich: von farbenfrohem Künstlerroman, Selbstfindungsroman und natürlich Liebesroman ist alles dabei. Ich wünschte, es gäbe mehr solcher Bücher ... gibt es wahrscheinlich auch, aber sie sind nicht immer leicht zu finden.;)
 
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Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.196
49
Ich wünschte, es gäbe mehr solcher Bücher ... gibt es wahrscheinlich auch, aber sie sind nicht immer leicht zu finden.;)
So ist es leider. Dadurch müssen wir uns durch so viel Mittelmäßiges lesen..... :(
Doch vielleicht wissen wir so auch diese Perlen besser zu schätzen ;)?
 
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Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Künstlerroman, Liebesgeschichte, Drama?

Das Buch lässt sich in keine Schublade stecken: mal ist es im allerbesten Sinne unbequem und schwer zu fassen, dann wieder locker-leicht und unterhaltsam, sogar lustig. Diese Ambivalenz macht für mich einen großen Teil des Reizes aus. Hier kann viel Widersprüchliches nebeneinander existieren, denn man nimmt die Geschichte aus Sicht eines Protagonisten wahr, der im Wandel begriffen ist – ob er das selber will und wahrnimmt oder nicht.

Karl ist kein Mensch, der sich über harte Fakten definieren lässt. Er ist Künstler, und damit fängt die Ambivalenz schon an:

Mit ungläubigem Staunen nimmt er zur Kenntnis, dass er sich mit seinen Werken einen Namen in der Kunstszene gemacht hat. Seine Selbstwahrnehmung ist geprägt von einem Gefühl der Unzulänglichkeit, gleichzeitig verraten seine Gedanken ein sehr feines Gespür für Formen und Farben.

Regentageblau – Gottweiß – Erstehilferot – Föhnblond

Seine Eltern sind ebenfalls Künstler. Aber August und Ada Stiegenhauer sind nicht einfach erfolgreich, sie sind Kult. Ihre Liebe ist legendär: August gibt es nicht ohne Ada, Ada gibt es nicht ohne August. Sonst brauchen und wollen sie nichts von der Welt – und das schließt ihren Sohn mit ein, der im Alter von 10 Jahren ins Internat abgeschoben wurde.

"Kinder muss man loslassen!" – dazu sollte man sie erstmal festgehalten haben, aber in der Zweisamkeit seiner Eltern war kein Platz für Karl.

Das Buch beginnt mit dem totalen Zusammenbruch des Status Quo.

Ada hat einen Hirntumor, ihre Überlebenschancen sind gering. August will nicht leben in einer Welt ohne Ada und bringt sich um. Und Karl kehrt zurück nach Leinsee, den Ort seiner Kindheit, um die Angelegenheiten seiner Eltern zu klären.

Überhaupt ist Rückkehr ein zentrales Thema des Buches, in vielerlei Hinsicht: Rückkehr in die Heimat, Rückkehr in die Kindheit, Rückkehr in alte Verhaltensmuster. Doch die Rückkehr bietet für Karl zunächst nur wenig Tröstliches oder Heilsames. Für vieles ist es zu spät, anderes erweist sich als Selbstbetrug.

Rückkehren. Festhalten. Später Loslassen. Manchmal Zerstörung, um auf den Trümmern etwas Neues bauen zu können.

Die Autorin findet viele Bilder für das, was in Karl vorgeht. Oft ist die Verbindung so offensichtlich, dass sie plump wirken könnte – wäre Karl sich dessen nicht zumindest ansatzweise bewusst. Letztendlich findet er darüber eine Brücke zurück zu seiner eigenen Kunst, die er erst.selber zu begreifen lernt.

Für mich ist einer der interessantesten Aspekte des Buches, wie viel ihre Kunst über Karl und seine Eltern aussagt – aber das sollte jeder Leser für sich entdecken und interpretieren, deswegen möchte ich das so stehen lassen.

Aber ich kann nicht über dieses Buch sprechen, ohne über Tanja zu sprechen.

Karl fühlt sich verständlicherweise um seine Kindheit betrogen. In trotzigem Aufbegehren gegen diesen Verlust baut er sich ein Nest in seinem alten Zimmer und versucht, wieder die Rolle eines kleinen Kindes einzunehmen.

Als die 8-jährige Tanja eines Tages in seinem Kirschbaum sitzt, fühlt Karl sich daher unweigerlich von ihr angezogen und beginnt eine Freundschaft, die sich zunehmend intensiv über Jahre erstreckt. Nach meinem Empfinden bewegen sich die beiden dabei aufeinander zu, was ihre emotionale Reife betrifft:

Tanja wird zunehmend erwachsener und reifer, Karl jedoch will seine Kindheit nachholen. und das geht zwangsläufig mit einer gewissen emotionalen Rückentwicklung einher. Schließlich erreichen sie einen Punkt, irgendwo im Niemandsland zwischen Kindheit und Erwachsensein, an dem sie fast auf Augenhöhe sind.

Dennoch ist diese Freundschaft nicht ohne Spannungen, und es wird immer fragwürdiger, wo die Grenzen verlaufen – oder verlaufen sollten.

Letztlich wird jeder Leser selber entscheiden müssen, wie er diese Freundschaft / Beziehung empfindet. Auf jeden Fall wirf das Buch da interessante Fragen auf, und die Entwicklung der beiden Charaktere wird glaubhaft und schlüssig geschildert.

Abschließend noch ein paar Worte zum Schreibstil: er ist mal locker und leicht, dann wieder beinahe poetisch, oft voller interessanter Bilder, aber nie belanglos. Die Autorin verleiht Karl eine sehr starke, einzigartige Stimme, wobei er oft einen überraschenden Humor zeigt.

Fazit:

Die Liebe von Ada und August Stiegenhauer ist legendär: die beiden Künstler sind unzertrennlich, das scheinbar perfekte Paar – aber in ihrer Zweisamkeit war nie Platz für ihren Sohn Karl. Der ist inzwischen 26, hat sich selber einen Namen als Künstler gemacht und pflegt keinerlei Kontakt mehr zu seinen Eltern. Als deren Zweisamkeit jedoch auf tragische Weise zerbricht, muss Karl zurückkehren ins Haus seiner Kindheit und versuchen, mit dieser abzuschließen. Ganz unerwartet tritt dort die 8-jährige Tanja als Muse und kindliche Freundin in sein Leben.

"Leinsee" ist von allem ein bisschen: Künstlerroman, Drama, Liebesgeschichte. Ich fand es durchaus unterhaltsam, aber es ist meines Erachtens kein Buch, dass man nebenher runterlesen kann, ohne darüber nachzudenken. Lohnend fand ich es trotzdem, alleine schon wegen der wunderbar geschilderten Entwicklung der Charaktere.
 

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.713
2.674
49
Vielen Dank, dass ich mit der Rezi etwas warten durfte. Ich fand das Buch nicht schlecht, allerdings ist es mir zu einer ungünstigen Zeit begegnet.

:)