Fazit

Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Es ist schwierig, einem Roman etwas abzugewinnen, dessen Hauptprotagonist dermaßen unsympathisch ist. Da war ja jetzt nichts, was mir Arturo näher gebracht hätte. Eigentlich ist dies mutig von einem Autor, dass er sein Buch mit einem Kotzbrocken besetzt. Das zielt auf gar keinen Fall auf den Geschmack der Leser. Hier ging es dem Autor nicht darum, eine große Leserschaft zu finden, sondern sich etwas von der Seele zu schreiben, ohne Rücksicht auf Verluste. Alex Capus beschreibt es in seinem Nachwort sehr treffend: ein "typischer Erstling - originell, roh, spontan, leidenschaftlich, rücksichtslos und frei von jeder Altersmilde".
Ich war im Übrigen noch nie so erleichtert über ein Nachwort, wie in diesem Fall. Ich kann zwar die Begeisterung für diesen Roman nicht mit Capus und Bukowski teilen. Aber der Hinweis, dass das Manuskript im Verlag ohne Lektorat durch gewunken wurde, macht vieles verständlicher. Dank des Nachworts sehe ich diesen Roman jetzt als Teil eines Gesamtwerkes. Fante hatte noch viel Luft nach oben, was er mit seinem "1933 war ein schlimmes Jahr" bewiesen hat. Beide Romane haben eines gemeinsam. Das ist für mich der Sprachstil. Fante schafft es in beiden Romanen Stimmungen zu schaffen, die dem Leser ein Gespür für die Umgebung vermitteln. Damit meine ich z. B. das Gewusel in der Hafengegend, natürlich die Fischfabrik, die man als Leser mit fast allen Sinnen "genießen" kann. Oder aber auch das Krabbengemetzel, das dermaßen detailliert geschildert wird, dass man das Gefühl hat, mittendrin zu stehen.
Ich glaube, dass ich unter dem Einfluss des Nachwortes, diesen Roman gar nicht so schlecht bewerten werde. Wahrscheinlich werde ich in meiner Buchbesprechung das Gesamtwerk mit einbeziehen. Mal sehen, ich muss noch darüber nachdenken.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Das klingt gut @Renie. Ich habe mir auch überlegt, welche Bewertung ich dem Buch geben soll bzw. Wie die Gesamtbewertung wohl ausfallen wird. Aber ich muss auch nochmal drüber nachdenken. Bin auf das Nachwort gespannt.
 
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Leseglück

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7. Juni 2017
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Gerade habe ich das Fazit von @Renie gelesen und kann nur sagen, dass ich mich da voll und ganz anschließe.
Über die Sprachkunst in dem Buch haben wir nur wenig gesprochen, das wurde überdeckt von unserer Empörung über das Verhalten von Arturo.
Es ist ein rohes Buch, in dem ein junger Mann gegen sich und besonders gegen die Welt wütet. Wie @Literaturhexle mal erwähnt hat, sind wir vielleicht nicht die richtige Zielgruppe für diesen Roman.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Alex Capus beschreibt es in seinem Nachwort sehr treffend: ein "typischer Erstling - originell, roh, spontan, leidenschaftlich, rücksichtslos und frei von jeder Altersmilde"
Das Nachwort erhellt die Sache wirklich. Ich kann aber den Verlag nicht verstehen, dass er sich auf dieses Risiko eingelassen hat.

Über das Buch wurde vieles gesagt und im Kern herrscht Einigkeit in Bezug auf die Schwächen der Lektüre. Einige Stellen sind wunderbar formuliert. Das trägt aber nicht über die rüde, gespaltene Persönlichkeit des Arturo hinweg. Die Liste der Schimpfworte allein ist erschreckend! So etwas mag ich in ernsthafter Literatur nicht lesen.

Sind wir bei WR vielleicht die falsche Zielgruppe? Wer sind dann die potentiellen zufriedeneren Leser?

Von der äußeren Aufmachung her wird das Buch eindeutig eher das literarisch interessierte Publikum ansprechen. Ich kenne auch ältere Frauen, die die Romane von Alex Capus gelesen haben. Bukowski gehört auch zu den amerikanischen Klassikern.
Das Cover sieht nicht wie das eines Coming-Off-Age Romans aus, auch nicht wie ein Jugendroman. Irgendwas ist da falsch gelaufen...

Ich bereue dieses Buch nicht. Es hat mir mit euch gemeinsam Spaß gemacht. Wenn ich aber eine ehrliche Rezension schreiben soll, werde ich über 2 Sterne nicht hinaus kommen. Das tut mir wirklich leid, zumal es sich um ein Leseexemplar handelt.
 
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Tiram

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Bei Adressat unbekannt von Kressmann Taylor hatte ich mich geärgert, dass es ein Vorwort von Elke Heidenreich gab. Sie hatte zu viel vom Inhalt vorweggenommen.

Vielleicht hätte es mir bei unserem Buch geholfen, wenn ich das Nachwort von Alex Capus vorher gelesen hätte. Vielleicht wäre ich anders an das Buch herangegangen. Und vielleicht wäre es besser gewesen, die anderen Teile vorab nicht lesen zu wollen.
So konnte ich diesem Buch - abgesehen von dem guten Schreibstil Fantes - nichts Positives abgewinnen.
 

Literaturhexle

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So konnte ich diesem Buch - abgesehen von dem guten Schreibstil Fantes
Aus meiner Sicht ist auch das übertrieben. Wirklich nur sehr partiell fand ich den Stil eindrucksvoll. Diese sämtlichen Wiederholungen, die polemischen Beschimpfungen, das Holprige, das Ungereimte.... gehört doch zumindest in Teilen auch zum Stil und nicht nur zum Inhalt?
 

Tiram

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4. November 2014
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Er war aber mindestens so gut, dass ich, wenn Arturo nicht so unsympathisch wäre, gerne gelesen hätte. Ich wäre gespannt drauf, wie das Buch endet, während es mir so irgendwie egal war. Da hat auch sein Schreibstil nichts gerissen.
 
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Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Sind wir bei WR vielleicht die falsche Zielgruppe? Wer sind dann die potentiellen zufriedeneren Leser?
Das glaube ich nicht, @Literaturhexle . Ich glaube schon, dass wir eben genau die Zielgruppe für solche Bücher sind. Das spätere Werk von Fante, "1933 war ein schlimmes Jahr", das wir vor einem Jahr gemeinsam gelesen haben, ist ja sehr gut hier aufgenommen worden.

Das Nachwort von Alex Capus erklärt einleuchtend, warum "Der Weg nach Los Angeles" nun so ist und nicht anders. Der Autor ist tot, deshalb konnte er es natürlich auch nicht zusammen mit einem Lektor überarbeiten. Einem anderen wollte man es scheinbar auch nicht anvertrauen.
[zitat]So hat sich in der amerikanischen Originalausgabe nicht nur die jugendliche Frische des Autors, sondern auch das Ungelenke, Unsorgfältige und Fehlerhafte des Manuskriptes erhalten[/zitat], schreibt Capus.

Aber bei dieser Relativierung sage ich nun als Leser "Stopp". Der Hinweis, dass Fante später gut, ja exzellent geschrieben hat, ist für mich bei der Bewertung dieses Buches irrelevant. Und bei aller Sympathie und Bewunderung für den späteren Fante will ich nicht darüber hinwegsehen, dass ich den Protagonisten unerträglich fand, die Geschichte eher unspannend und den Stil eher holprig.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Und bei aller Sympathie und Bewunderung für den späteren Fante will ich nicht darüber hinwegsehen, dass ich den Protagonisten unerträglich fand, die Geschichte eher unspannend und den Stil eher holprig.
Da kann ich mich voll und ganz anschließen! Genau so erging es mir auch. Für mich persönlich bleibt eben ein schlechtes Gewissen, weil ich das Buch ja als Leseexemplar erhalten hatte. Da hätte ich wirklich gern etwas Positives geschrieben :(
 
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Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Für mich persönlich bleibt eben ein schlechtes Gewissen, weil ich das Buch ja als Leseexemplar erhalten hatte. Da hätte ich wirklich gern etwas Positives geschrieben
Geht mir auch so. Aber schlechtes Gewissen müssen wir keines haben. Das sollten wir eher haben, wenn wir automatisch alles bestens bewerten würden. ;)