FAZIT zu: "Was es braucht in der Nacht"

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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In meinen Augen ist es ja offensichtlich, dass er sie gar nicht erlebt, weil er Suizid begeht bzw. zumindest diesen ankündigt.
Wenn man das für sich so verstanden hast, ist das natürlich eine andere Geschichte. Doch ich habe das für mich zwar in Erwägung gezogen, aber sicher bin ich mir da letztendlich nicht:cool:
 
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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Noch zwei Beispiele, ich verspreche, dass ich dann wirklich aufhöre:

"football-kebab-petitmangin"
"Wir werden bis zum Ende Zeugen dieser Familientragödie sein, die sich auch aus dem Niedergang einer Gesellschaft speist. Von dieser Tragödie, die die intimen Quellen von Vaterschaft, Übertragung und Vergebung in Frage stellt. Die Vergebung, die dem anderen gewährt wird, ist nur möglich, wenn wir zustimmen, uns selbst zu vergeben. Die Auflösung, schillernd, lässt wenig Hoffnung. Trotzdem haben wir es fast geglaubt."

bouquivore (was für ein toller Name für eine Bücherseite!)
"Die Geschichte ist in eine Tragödie gekippt und wird bis zu ihrem ergreifenden Ende, das wir auf den letzten beiden Seiten mit großer Mühe lesen, nicht wieder herauskommen. Und auch wenn wir hinterher denken, dass das Ende unausweichlich war, Hoffnung gibt Leben, sagen wir. Und hoffe, es ist da, sein kleines Licht auch."

Übrigens hatte ich gerade beim Mittagessen eine Diskussion mit Herrn Hase, die aufzeigt, wie schwierig es sein kann, aus einem so knappen Text "das Richtige" zu lesen. Ich habe ihn gefragt, was er unter "die Reißleine ziehen" verstehen würde, und er sagte sofort "aufhören - in ähnlichem Sinn wie die Notbremse ziehen". Ich dachte immer, mit der Reißleine wird ein Motor gestartet, es bedeutet also ein Loslaufen oder Weglaufen, wie es in der Aufforderung "zieh Leine" anklingt. Wictionary gibt Herrn Hase recht. Ich bleibe trotzdem bei meiner Interpretation, wohl hauptsächlich deshalb, weil ich mich damit einfach besser fühle.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Noch zwei Beispiele, ich verspreche, dass ich dann wirklich aufhöre:

"football-kebab-petitmangin"
"Wir werden bis zum Ende Zeugen dieser Familientragödie sein, die sich auch aus dem Niedergang einer Gesellschaft speist. Von dieser Tragödie, die die intimen Quellen von Vaterschaft, Übertragung und Vergebung in Frage stellt. Die Vergebung, die dem anderen gewährt wird, ist nur möglich, wenn wir zustimmen, uns selbst zu vergeben. Die Auflösung, schillernd, lässt wenig Hoffnung. Trotzdem haben wir es fast geglaubt."

bouquivore (was für ein toller Name für eine Bücherseite!)
"Die Geschichte ist in eine Tragödie gekippt und wird bis zu ihrem ergreifenden Ende, das wir auf den letzten beiden Seiten mit großer Mühe lesen, nicht wieder herauskommen. Und auch wenn wir hinterher denken, dass das Ende unausweichlich war, Hoffnung gibt Leben, sagen wir. Und hoffe, es ist da, sein kleines Licht auch."

Übrigens hatte ich gerade beim Mittagessen eine Diskussion mit Herrn Hase, die aufzeigt, wie schwierig es sein kann, aus einem so knappen Text "das Richtige" zu lesen. Ich habe ihn gefragt, was er unter "die Reißleine ziehen" verstehen würde, und er sagte sofort "aufhören - in ähnlichem Sinn wie die Notbremse ziehen". Ich dachte immer, mit der Reißleine wird ein Motor gestartet, es bedeutet also ein Loslaufen oder Weglaufen, wie es in der Aufforderung "zieh Leine" anklingt. Wictionary gibt Herrn Hase recht. Ich bleibe trotzdem bei meiner Interpretation, wohl hauptsächlich deshalb, weil ich mich damit einfach besser fühle.
Wahnsinn, wie nachhaltig dieses Buch beschäftigt.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ja, das stimmt, genau das habe ich auch Herrn Hase vorhin gesagt, als er Näheres über das Buch wissen wollte. Ich hatte es sehr schnell gelesen und spontan wenig Gefallen daran gefunden, aber einen halben Tag nachdem ich es weggelegt hatte, fing es an in mir zu rumoren und hat seitdem nicht aufgehört. Mich auf das sehr locker geschriebene nächste Leserundenbuch einzulassen, fällt mir richtig schwer.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ein Suizid ist im Grunde eine verdammt egoistische Angelegenheit, die die Angehörigen immer mit Schuld, schlechtem Gewissen, offenen Fragen alleine lässt.
Das stimmt, einerseits. Hier ist der Fall etwas anders gelagert. Dass sich Fus als Belastung empfindet für Vater und Bruder ist nachvollziehbar. Dass die beiden es eventuell anders sehen, ändert daran nichts. Einen Sohn, einen Bruder als Mörder- das ist ein Makel, der genauso viele Fragen nach Mitschuld und schlechtem Gewissen aufwirft.
Das wir hier so intensiv über das Ende diskutieren, spricht meiner Ansicht nach für die Qualität des Buches. Ich kann es nicht als Marketingtrick sehen.
Pathetisch, sentimental und tränendrüsig. Das, was ein großer Teil des Lesevolks sucht :p !
Ein hartes Urteil. Dann zähle ich mich mal zum Großteil des Lesevolks.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Das ist nun nochmal was ganz anderes, als ich aus dem Ende herauslese.
Fand ich jetzt gar nicht, denn das mit dem freien Willen könnte man doch auch in Richtung Suizid deuten.
Pathetisch, sentimental und tränendrüsig. Das, was ein großer Teil des Lesevolks sucht
Sei froh, dass es hier nicht diesen Smiley gibt, der das Nudelholz schwingt. ;) Bei mir hat das Ende jedenfalls voll gewirkt.

Und noch ein Dank an @Die Häsin für deine Recherche auf den genannten Seiten. Schön, dass wir alle davon profitieren.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Einen Sohn, einen Bruder als Mörder- das ist ein Makel, der genauso viele Fragen nach Mitschuld und schlechtem Gewissen aufwirft.
Dieser Makel bleibt ja unverändert bestehen, wenn Fus wirklich durch eigene Hand stirbt. Eher im Gegenteil - solange er lebt, bestünde noch die Chance, wieder Frieden zu finden, auch Frieden miteinander. Ich bin überzeugt, dass die Risse und Verwerfungen, die Fus' Geschichte in der Familie hinterlassen haben, durch einen Suizid eher größer als kleiner würden. Aber das ist eine persönliche Interpretation - aufgrund eigener Beobachtungen in meinem Umfeld.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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"Das herzzerreißende, schöne, liebevolle Ende wird Sie in Tränen ausbrechen lassen, bewegt von der Größe eines Mannes, der seinen freien Willen zurückerobert ."
Liebe RuLeka,
Mein von dir zitierter Satz bezog sich auf dieses direkt darüber stehende Zitat.
Ich meinte das nicht abfällig. Ein bisschen Pathetik schwingt schon mit - gerade weil die Eindeutigkeit (aus meiner Sicht) fehlt.
Das Buch ist ja ein gutes. Ich hadere nur mit dem Ende. Sieben Jahre gehen vorbei. Dann wäre er noch keine 30. Der Getötete war wahrlich kein Engel. Selbst dessen Familie hat keinen Druck gemacht...
Man fragt sich, warum der sensible Fus überhaupt in diese dumpfe Gesellschaft abdriften konnte. Abgesehen von dem Vorfall habe ich nichts Gewalttätiges, Unbeherrschtes an ihm gesehen. Eine ambivalente Figur.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich schreibe später noch in den Abschnitten, aber mein Fazit fällt eindeutig aus: Bewegende Vater-/Sohn-Geschichte, die mich als 3-fachen Vater äußerst nachdenklich zurücklässt.
Ich muss das Buch auch ein wenig sacken lassen; der dritte Abschnitt ist mir ziemlich nah gegangen.
 

Literaturhexle

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Mit der Tat muss man trotzdem weiterleben.
Genau. Deshalb würde Fus eine gute Therapie brauchen, die ihn aus der Depression heraus holt und ihm Perspektiven eröffnet. (Gelesen in "Alphabet", wie ich schon sagte). Vielleicht liegt darin der Grund für die Umlegung? Wir wissen es nicht.

Ich sehe es wie die Häsin: mit dem Freitod (wenn er denn gemeint ist) befreit er in erster Linie sich selbst. Seine Familie wird beständig grübeln, wie sie das hätte verhindern können. Die briefliche Erklärung dürfte nicht lange vorhalten. Der Klotz im Bauch ist schnell wieder da.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Die briefliche Erklärung dürfte nicht lange vorhalten. Der Klotz im Bauch ist schnell wieder da.
In der brieflichen Erkläung steht, dass er es tut, um seine Familie von der Last zu befreien, die er durch seine Existenz darstellt.
Für ihn selbst, unabhängig von der Familie, wäre ja ein Ende in Sicht, wenn er schreibt, die Zeit, die vor ihm liegt, sei nichts im Vergleich zu der, die hinter ihm liegt.
"Es sind zwar nur noch drei Jahre, und drei Jahre sind nichts im Vergleich zu dem, was ich schon hinter mir habe, aber es sind sicher eure drei besten Jahre. Und die möchte ich euch nicht verderben."
Wenn das wirklich die Ankündigung eines Suizids ist, dann ist dieser Brief fast schon ein Musterbeispiel dafür, den Angehörigen ein richtig dickes Paket zu hinterlassen. Ich würde ihm nicht unterstellen wollen, dass er es bewusst so formuliert, aber so würde es ankommen. Da bin ich direkt froh, dass das Buch damit endet und wir nicht mehr lesen müssen, was sich Vater und Bruder gedacht haben, als sie diesen Brief bekamen.
 

wal.li

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Für mich ist es ein wichtiges Buch, das sicher einen Platz in meinem Regal finden wird. Es ist in Teilen schwer zu ertragen, weil es keine Antworten gibt und man sich seine eigenen Gedanken machen muss. Dennoch bleibt es wie zu Beginn geschrieben, das andere hat mir besser gefallen.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Deshalb würde Fus eine gute Therapie brauchen, die ihn aus der Depression heraus holt und ihm Perspektiven eröffnet.
Ich bin ja generell für die Suizidvariante des Endes. Wollte hier nur noch einmal erwähnen, da du häufiger seine "Depression" erwähntest, die behandelt gehört: Nur weil er suizidal ist, muss er nicht depressiv sein! Es gibt durchaus Menschen, die eine sogenannte "Bilanzierung" ihres Lebens vornehmen und zu dem Schluss kommen, dass es das einzig Logische und Sinnvolle sei, sich das Leben zu nehmen. Im Falle von Fus passt die Bilanzierung sehr gut, weil er dies für sein Leben im Brief tut: Was bereut er oder bereut er nicht, war es ein gutes Leben oder nicht und was würde seines Erachtens (!) für seine Familie die beste Lösung sein. Menschen, die z.B. schwere Krankheiten haben und nicht depressiv sind, bilanzieren mitunter, dass es für ihre Angehörigen das Beste sei, wenn sie sich umbringen, damit die Angehörigen nicht noch länger leiden und sie pflegen müssen, usw.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Mir ging es hier mehr um die Therapie als um die Diagnose, aber du hast natürlich Recht.
Meines Wissens wird zumindest in Deutschland bei Gewaltstraftätern vor allem im Jugendstrafrecht aber auch später im Vollzug, wenn sie dafür in Frage kommen ein Antiaggressionstraining etc. angeboten. Wie das in Frankreich ist, keine Ahnung. Man möchte hoffen, dass es ein begleitendes psychologisches Angebot neben der reinen „Verwahrung“ gibt. In Deutschland ist als Ziel einer Haftstrafe die „Resozialisierung“ rechtlich festgehalten, somit muss sich ein Gefängnis darum zumindest bemühen, ein Angebot zu schaffen. Wenn allerdings im französischen Recht nur die reine Verwahrung und damit der „Schutz der Allgemeinheit“ festgschrieben ist, könnten Inhaftierte tatsächlich einfach nur ihre Haftstrafe „absitzen“, ohne diese Möglichkeit zu bekommen.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Meines Wissens wird zumindest in Deutschland bei Gewaltstraftätern vor allem im Jugendstrafrecht aber auch später im Vollzug, wenn sie dafür in Frage kommen ein Antiaggressionstraining etc. angeboten. Wie das in Frankreich ist, keine Ahnung. Man möchte hoffen, dass es ein begleitendes psychologisches Angebot neben der reinen „Verwahrung“ gibt. In Deutschland ist als Ziel einer Haftstrafe die „Resozialisierung“ rechtlich festgehalten, somit muss sich ein Gefängnis darum zumindest bemühen, ein Angebot zu schaffen. Wenn allerdings im französischen Recht nur die reine Verwahrung und damit der „Schutz der Allgemeinheit“ festgschrieben ist, könnten Inhaftierte tatsächlich einfach nur ihre Haftstrafe „absitzen“, ohne diese Möglichkeit zu bekommen.
Ich habe aus Neugier mal gegoogelt und kam auf diesen aktuellen Artikel, der nichts Gutes ahnen lässt.
Zumindest im Jugendstrafvollzug sollte (?) es aber nicht ganz so übel aussehen.

Frankreich: Die Gefängnisse sind tickende Zeitbomben (Deutschlandfunk-Link)
 

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
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Ich habe aus Neugier mal gegoogelt und kam auf diesen aktuellen Artikel, der nichts Gutes ahnen lässt.
Zumindest im Jugendstrafvollzug sollte (?) es aber nicht ganz so übel aussehen.

Frankreich: Die Gefängnisse sind tickende Zeitbomben (Deutschlandfunk-Link)
Puh! Harter Tobak!
Es gibt viele Bereiche, in denen auch die Kerneuropäer unterschiedlich ticken. Bevor man weitere Großbereiche zusammenschließt, sollten erst einmal gemeinsame Standards festgelegt werden. In Deutschland ist es hoffentlich nicht ganz so schlimm.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Meine Rezension ist endlich fertig, wobei mein Urteil schon bald feststand: volle Punktzahl



Ein aufwühlendes Buch, ein aktuelles und wichtiges Buch, eines, das viele Fragen, auch im Leser, aufwirft.
Zugegeben: sprachlich eher unspektakulär, wobei die Sprache dem Ich- Erzähler, einem einfachen Bahnarbeiter, angemessen ist. Trotzdem versteht es der Autor, die ganze Bandbreite der Gefühlswelt des Protagonisten zu vermitteln.
Ein Roman, den ich auf meine Liste für meinem Lesekreis setze. Ideal, da er viele Diskussionspunkte bietet.