FAZIT zu "Tristania"

Irisblatt

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15. April 2022
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"...das Böse ähnelte mir, das musste ich zugeben."

Ich finde das übrigens lustig.
Ich auch :rofl.
Was sagt ihr eigentlich zu Bert? Für mich der stille Held der Geschichte!
Absolut!
Jon, Lars, Lise - die klingen alle wie Skandinavier:innen. Vielleicht um den finnischen Leser:innen den Zugang zu erleichtern?
Das glaube ich eigentlich nicht. Mein Bild von Finnen ist eher ein Aufgeschlossenes, die doch keine Probleme mit z.B. britischen Namen haben sollten. Vielleicht aber auch, weil die Namen letztendlich keine Rolle spielen, die Geschichte auch woanders hätte spielen können. Oder damit klar ist, dass es eine Distanz zur historischen Entwicklung auf Tristan da Cunha gibt, :think
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Vielleicht kannst du besser damit umgehen
Nachdem eine Nacht vergangen ist, kann ich besser damit umgehen. Mein Kommentar gestern war die erste Reaktion auf das Ende. Und ich war ja nicht die Einzige, die der Autorin auf den Leim ging.
von wegen Zahnlosigkeit führt zu Potenzproblemen.
Da hätten die Zahnärzte aber zu tun.
Was sagt ihr eigentlich zu Bert? Für mich der stille Held der Geschichte!
Für mich ebenfalls. Obwohl er anfangs als der Langweiler rüberkam. Eigentlich jede Figur war nicht das, was man anfangs oder zwischendurch vermutete.
Ich gehe davon aus, dass Kurtto die Insel absichtlich nicht detaillierter beschrieben hat. Tristan da Cunha, der Vulkanausbruch 1961, die Evakuierung der Bewohner sind lediglich ein Aufhänger. Die Geschichte hätte auch auf einer anderen, schwer zugänglichen Insel mit Vulkan spielen können. Die Autorin legt den Fokus die Gefühlswelt und das Zwischenmenschliche in einer solchen kleinen, abgeschlossenen Gemeinschaft. Sie erzählt eher eine universale Geschichte, bei der es gar nicht entscheidend ist wie die Insel genau aussieht.
Und der Vulkan dient als Metapher für das, was im Inneren des Menschen brodelt und irgendwann zum Ausbruch kommt.
Wobei der örtliche Rahmen für mich von Interesse war. Die karge Landschaft, das ebenfalls karge Leben, die Situation auf der Insel usw.
 

petraellen

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11. Oktober 2020
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Ich gehe davon aus, dass Kurtto die Insel absichtlich nicht detaillierter beschrieben hat. Tristan da Cunha, der Vulkanausbruch 1961, die Evakuierung der Bewohner sind lediglich ein Aufhänger. Die Geschichte hätte auch auf einer anderen, schwer zugänglichen Insel mit Vulkan spielen können. Die Autorin legt den Fokus die Gefühlswelt und das Zwischenmenschliche in einer solchen kleinen, abgeschlossenen Gemeinschaft. Sie erzählt eher eine universale Geschichte, bei der es gar nicht entscheidend ist wie die Insel genau aussieht.
Das Setting wird geprägt durch die Abgeschiedenheit der Insel, mit grauen Stein und schwarzen Sand, die von Wellen heftig umspült werden.

„Würden Wellen etwas fühlen, würden sie sich wundern, wenn sie auf die Insel träfen; sie haben geglaubt, ihr Weg wäre endlos, eigentlichsogar, ihre Welt wäre Unendlichkeit. Aber jetzt prllensie auf grauen Stein und schwarzen Sand […]“ (S. 7)

Die Insel ist ein Berg, „zwei Kilometer hoch, ozeantief und von Schluchten gespalten.“ (S. 12 ) Und zwischen Meer und Berg liegt das Dorf.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Tristania war für mich ein sehr besonderes, dichtes, schwermütiges, tief poetisches Leseerlebnis. Ich liebe es, in die Irre geführt zu werden und wenn ich meine Sichtweise auf Personen und Ereignisse, wie hier, immer wieder anpassen/korrigieren muss. Obwohl viele Andeutungen sortiert werden mussten, empfinde ich den Roman als einen, dessen Bedeutung sich vor allem emotional vermittelt. Kurtto erzählt eine tragische Geschichte von Sehnsucht, Versäumnissen, Fehlern, Schuld und Heimat. Die real existierende Insel ist lediglich die grobe Kulisse für die Geschichte - es braucht die Abgeschiedenheit, die eingeschränkte, vom Wetter abhängige Erreichbarkeit und den Vulkan. Ich bin froh, dass das Ende etwas Leichtigkeit in das Gelesene bringt. Lars wird es sicher irgendwann wieder raus aufs Meer und an ein anderes Ufer ziehen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Martha und das Mädchen dann auch dabei sind (ein revolutionärer Schritt in dieser Gemeinschaft, bei der Frauen nicht aufs Meer fahren dürfen).
Ok, die letzten Sätze hatten nun gar nichts mehr mit dem Fazit zu tun ;).
Tristania ist klug konstruiert, die Protagonist:innen haben Tiefe. Viele Wendungen kamen unerwartet, aber vor allem habe ich mich total verfangen in der durch die lyrische Sprache erschaffenen melancholischen Atmosphäre. 5 Sterne von mir.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Und der Vulkan dient als Metapher für das, was im Inneren des Menschen brodelt und irgendwann zum Ausbruch kommt.
Wobei der örtliche Rahmen für mich von Interesse war. Die karge Landschaft, das ebenfalls karge Leben, die Situation auf der Insel usw.
Genau! Das Karge fand ich auch wichtig - das hat die Autorin auch gut beschrieben.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Welches Vorurteil meinst Du? Auch ein netter Mann kann ein Vergewaltiger sein, das war mein Vorurteil. Stattdessen bekommen wir: Nette Männer, die eh einen Schlag bei Frauen haben, können keine Vergewaltiger sein.
Oder hast Du das allgemeiner gedacht, dass man nicht voreilig über andere urteilen soll.
Hier werden Menschen am Anfang gezeichnet und vorgestellt, man lernt sie so kennen, am Ende des Buches allerdings werden sie zu anderen Wesen, durch eine genauere Betrachtungsweise.

Lars, der Fremdgeher, ergo auch ein Vergewaltiger, am Ende auch ein Opfer.
Lise, die Ruhige, die Unschuldige, das Opfer, am Ende eine Täterin.
Jon, das erwachsene Kind, darf am Ende wieder fliegen.
Martha, das Opfer, wird zur aktiven Gestalterin ihres Lebens.
Bert, der Ruhige und Lethargische, handelt am Ende heroisch.
Elide und Paul, kinderreiche Vorzeigefamilie, scheinheilige Vorzeigefamilie.
 

petraellen

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Nachdem eine Nacht vergangen ist, kann ich besser damit umgehen. Mein Kommentar gestern war die erste Reaktion auf das Ende. Und ich war ja nicht die Einzige, die der Autorin auf den Leim ging.

Da hätten die Zahnärzte aber zu tun.

Für mich ebenfalls. Obwohl er anfangs als der Langweiler rüberkam. Eigentlich jede Figur war nicht das, was man anfangs oder zwischendurch vermutete.

Und der Vulkan dient als Metapher für das, was im Inneren des Menschen brodelt und irgendwann zum Ausbruch kommt.
Wobei der örtliche Rahmen für mich von Interesse war. Die karge Landschaft, das ebenfalls karge Leben, die Situation auf der Insel usw.
"Und der Vulkan dient als Metapher für das, was im Inneren des Menschen brodelt und irgendwann zum Ausbruch kommt.
Wobei der örtliche Rahmen für mich von Interesse war. Die karge Landschaft, das ebenfalls karge Leben," Genauso sehe ich das auch. Geschickt verbindet die Autorin den Vulkan mit dem Inneren des Menschen. Tief innen brodelt es. Genauso wie im Vulkan. Wenn der Vulkan ausbricht und Lavaströme fliessen, findet eine Veränderung statt. So bricht auch aus dem Menschen seine innersten Gedanken und das was bisher im Dunkeln lag hervor.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich habe außerdem einmal im Internet gesucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Finnland und Tristan da Cunha gibt, aber nichts dazu gefunden. Ich finde die Namen der Figuren in diesem Hinblick überraschend: Jon, Lars, Lise - die klingen alle wie Skandinavier:innen. Vielleicht um den finnischen Leser:innen den Zugang zu erleichtern?
Hier habe ich mich sehr gewundert. Die Namen klingen nordisch germanisch. Die Autorin klingt aber vom Nachnamen her finnisch, eine finno-ugrische Sprache, hat nichts mit dem Germanischen zu tun. Und die bei Wikipedia aufgelisteten Nachnamen der Insel (Collins, Glass, Green, Hagan, Lavarello, Repetto, Rogers, Squibb und Swain) klingen eher englisch-amerikanisch und italienisch, nicht nordisch. Ich kann es mir nicht zusammenreimen.
 
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Die Häsin

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Hier habe ich mich sehr gewundert. Die Namen klingen nordisch germanisch. Die Autorin klingt aber vom Nachnamen her finnisch, eine finno-ugrische Sprache, hat nichts mit dem Germanischen zu tun. Und die bei Wikipedia aufgelisteten Nachnamen der Insel (Collins, Glass, Green, Hagan, Lavarello, Repetto, Rogers, Squibb und Swain) klingen eher englisch-amerikanisch und italienisch, nicht nordisch. Ich kann es mir nicht zusammenreimen.
Ja, das hat mich auch gewundert. Und dann heißt es noch an einer Stelle - wo genau, ist mir nicht mehr geläufig -, dass die Inselbewohner verglichen mit Engländern "eher dunkelhäutig" seien. Ich konnte mir da auch keinen rechten Reim drauf machen.
 

Barbara62

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mit-büchern-um-die-welt.de
Welches Vorurteil meinst Du? Auch ein netter Mann kann ein Vergewaltiger sein, das war mein Vorurteil. Stattdessen bekommen wir: Nette Männer, die eh einen Schlag bei Frauen haben, können keine Vergewaltiger sein.
Oder hast Du das allgemeiner gedacht, dass man nicht voreilig über andere urteilen soll.Es ist nicht alles, wie es auf den ersten Blick scheint. Wir sollten genauer hinschauen und vor allem miteinander reden.
Genauer hinschauen und vor allem: Miteinander reden!

Ich gehe davon aus, dass Kurtto die Insel absichtlich nicht detaillierter beschrieben hat. Tristan da Cunha, der Vulkanausbruch 1961, die Evakuierung der Bewohner sind lediglich ein Aufhänger. Die Geschichte hätte auch auf einer anderen, schwer zugänglichen Insel mit Vulkan spielen können. Die Autorin legt den Fokus die Gefühlswelt und das Zwischenmenschliche in einer solchen kleinen, abgeschlossenen Gemeinschaft. Sie erzählt eher eine universale Geschichte, bei der es gar nicht entscheidend ist wie die Insel genau aussieht.
Das leuchtet mir sehr ein, volle Zustimmung. Dazu der Vulkanausbruch, der die festgefahrenen Lebensentwürfe wieder öffnet. Ich finde den Roman sehr gelungen, bei mir werden es gute 4 oder etwas schwächere 5 Sterne. Ich mag es, wenn ein Autor oder eine Autorin mich gekonnt(!) hinters Licht führt.
 

Barbara62

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Ja, das hat mich auch gewundert. Und dann heißt es noch an einer Stelle - wo genau, ist mir nicht mehr geläufig -, dass die Inselbewohner verglichen mit Engländern "eher dunkelhäutig" seien. Ich konnte mir da auch keinen rechten Reim drauf machen.
Dass die Insel zu Großbritannien gehört, heißt ja nicht, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von dort zugewandert sind. Je nachdem, woher sie einst kamen, könnten sie jede Hautfarbe haben.
 

petraellen

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Ja, das hat mich auch gewundert. Und dann heißt es noch an einer Stelle - wo genau, ist mir nicht mehr geläufig -, dass die Inselbewohner verglichen mit Engländern "eher dunkelhäutig" seien. Ich konnte mir da auch keinen rechten Reim drauf machen.
Ich meine, die Autorin hat die Namen für finnische Leser angepasst.
David, Oliver, und Martha sind keine typischen finnischen Namen. Lise ist die Abkürzung von Elizabeth und Lars kommt aus dem lateinischen.
Lars ist eine skandinavische Kurzform des lateinischen Vornamens Laurentius. Man kann ihn ableiten von „laurus“ (= Lorbeer, Lorbeerkranz). Der Lorbeerkranz ist das Symbol der Sieger. Würde doch zu den Roman passen oder?
Jon skandinavisch: Kurzform von Johannes oder Jonas („Taube“) englisch: Kurzform von Johannes oder Jonathan („der HERR hat gegeben“)
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
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Ich mag es, wenn ein Autor oder eine Autorin mich gekonnt(!) hinters Licht führt.
Das hat die Autorin wirklich toll hinbekommen! Was habe ich mich für Lars ins Zeug gelegt! Dann kam der Gammelfisch ins Bett und ich musste einsehen, dass er wohl doch der Täter war. Dann kommt wieder alles ganz anders: Wendungen, mit denen man nicht rechnen konnte...
Das alles in dieser kunstvoll poetischen Sprache! Das muss man erst einmal hinkriegen :helo
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Dieser Roman hat mich oft zum Umdenken genötigt, nur wenig des gelesen war wirklich klar. Ich war mir oft unsicher, wie ich die Geschehnisse unter den Bewohnern zu bewerten habe. Lars ist da nur ein Beispiel. Das hat mir gefallen, ich werde gerne überrascht. Doch es gab für mich auch ein paar Kleinigkeiten die mir nicht gefallen haben. So empfand ich einiges, ganz besonders im letzten Abschnitt, sehr verworren. Wenn ich diese kleineren Unstimmigkeiten dann aber mit dem ansonsten positiven Leseerlebnis aufwiege, werde ich wohl auf 4 Sterne kommen.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.769
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Meine Rezension ist online, eure lese ich später. Bei mir hat es zu 5 Sternen gereicht, ich war fast durchweg begeistert.

Jetzt habe ich aber noch ein Problem und hoffe auf eure Mithilfe. Auf meinem Blog erschließe ich meine Bücher auch geografisch über Länder und Kontinente. Tristan da Cunha gehört zum Britischen Überseegebiet, aber zu welchem Kontinent? Ich finde nichts im Internet. Gibt es kontinentfreie Orte?