Mir hat diese Geschichtensammlung sehr gut gefallen. Sie erinnern mich an andere klassisch amerikanische Kurzgeschichten. Wir tauchen kurz ein in das alltägliche Leben der Menschen, die alle aus der weißen Mittelschicht zu kommen scheinen. Das Besondere bei diesen Kurzgeschichten: Sie haben alle einen absurden, skurrilen Dreh drin. Was für die Figuren meist vollkommen "normal" zu sein scheint, ist von außen betrachtet mitunter höchst merkwürdig. Hinzu kommen die in jeder Geschichte auftauchenden Tierszenen. Mal ist es nur ein kurz erwähntes Detail (Kakerlaken im Kuchen, Vögel sind eigentlich Reptilien), mal ist es eine ganze Geschichte, die sich plötzlich um ausgestopfte Tiere dreht ("Kongress").
Im Großen und Ganzen gefallen mir dieser Art Geschichten, ich lese sie gern, mag es Kleinigkeiten zu entdecken und mich von den Absurditäten überraschen zu lassen. Wie fast immer bei Kurzgeschichtensammlungen, gefällt nicht jede Geschichte gleich gut. Hier hat mir aber der überwiegende Teil sehr gut gefallen, weshalb ich auf solide 4 Sterne komme.
Die Übersetzung von Brigitte Jakobeit und Melanie Walz finde ich gut getroffen. Ein kleiner Hinweis an den Verlag dazu: Auf Seite 303 ist der deutsche Titel der englischsprachigen Geschichte "Rot" mit "Schrott" notiert, im Inhaltsverzeichnis als auch auf Seite 89 heißt sie aber "Rost". "Rost" passt schon besser als "Schrott", wahrscheinlich war dies der Arbeitstitel. Logischerweise kommt egal welche Übersetzung nie an die Vieldeutigkeit des englischen Originals heran, welches natürlich nicht "Rost" heißt, sondern "verrotten".
Die Reihenfolge der Geschichten ist natürlich vom dtv Verlag so zusammengestellt, wie er es am besten empfand. Mir persönlich hätte auch eine chronologische Sortierung, gerade als Überblickssammlung, sehr gut gefallen. Damit hätte auch weiterhin die eingängigste Geschichte "Liebe" (ich finde den englischen Titel - wieder einmal - passender von der Bedeutung her "Taking Care"
) an erster Stelle stehen können. Grundsätzlich ist es schon einmal sehr gut auf Seite 303 die "Nachweise" zu finden. Ich schaue sehr gern auf das Entstehungsjahr und es ist nicht die Regel, dass die Entstehungsjahre in einer Geschichtensammlung zu finden sind!
Verwundert bin ich über das Cover des Buches. Es deutet mehr Ruhe an, als die Geschichten haben. Hier hätte meines Erachtens gern auch ein etwas Skurrileres Cover gefunden werden können. Ich könnte mir vorstellen, dass das Cover in Verbindung mit der ersten Geschichte "Liebe" nicht unbedingt die richtige Leserschaft anlockt.
Ich habe nun auf jeden Fall den Namen Joy Williams auf dem Schirm und werde wohl wieder zu einer Veröffentlichung greifen, wenn es zukünftig eine (oder mehrere) geben wird. Eine schöne Entdeckung.