FAZIT zu "Stella Maris"

Literaturhexle

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2. April 2017
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um gerade die fachlich falschen Vokabeln
Meinst du da noch mehr als die falsche Nutzung von "schizoid" anstelle von "schizophren"?
Ich erinnere mich nicht an andere Diskussionen...

Insgesamt kann ich dein Fazit gut nachvollziehen, gerade auch, weil du dich mit Psychotherapie auskennst und die diesbezüglichen Schwächen siehst.
Ich habe das Gespräch nicht als Therapie im engen Sinn gesehen, weil Alicia ja auf eigenen Wunsch und eigene Rechnung in die Klinik kam. Es ging ihr darum, Klarheit über manches zu bekommen. Dr Cohen hat das begleitet. Er hatte in der besagten Ausgangslage nicht die Möglichkeit, sie medikamentös zu behandeln oder sie wegen Suizidgefahr in die geschlossene Abteilung zu überführen.
 
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GAIA

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Meinst du da noch mehr als die falsche Nutzung von "schizoid" anstelle von "schizophren"?
Ich erinnere mich nicht an andere Diskussionen...
Nein, tatsächlich meinte ich nur diese Bezeichnungen konkret. Insgesamt mischt sich dort aber auch der Eindruck hinein, dass er einfach auch bezogen auf die Punkte, die du danach genannt hast, nicht fachlich richtig. Zum einen die Sache mit den Medis, gesicherte Unterbringung etc. Dies läuft nicht nach irgendeiner Form von Behandlungsplan ab, erst recht nicht in den 1970ern, als die Psychiatrie noch steifer auf bestimmte Vorgehensweisen bestand. Zumindest nach dem letzten Kommentar von ihr bezüglich Händchen halten, wenn etwas zu Ende geht, hätte er nachhaken müssen und sie in die gesicherte Unterbringung verbringen müssen. McCarthy hat nun einmal dieses Setting gewählt und er hat es einfach nicht gut umgesetzt. Wär dies ein Dialog zwischen - was weiß ich - zwei Fremden, die sich an der Hotelbar (wenn wir beim Bild des Hotels bleiben, für das sie bezahlt hat) treffen, gewesen, dann hätte ich dem Autor diesbezüglich keine Vorwürfe machen können. Ich kann auch verstehen, was du mit der Prämisse "eigener Wunsch und eigene Rechnung" meinst. Aber wenn sich ein Autor für ein Setting entscheidet, sollte das gezielt gewählt sein und grob passen und nicht von uns gedanklich passend gemacht werden. Mir hätte das alles, wie gesagt, viel besser gefallen, wenn er das Setting passender für seine Dialogidee gewählt hätte.
 
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GAIA

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Er hatte in der besagten Ausgangslage nicht die Möglichkeit, sie medikamentös zu behandeln oder sie wegen Suizidgefahr in die geschlossene Abteilung zu überführen.
Dazu ist mir gerade noch eingefallen, was mich auch so störte: Sie belügt ihn immer wieder. Er entdeckte es manchmal und sie gibt sofort zu, dass das was sie gerade behauptet hat, nicht stimmt. (Mal davon abgesehen, dass ein ernsthafter Therapeut an der Stelle auf der Beziehungsebene arbeiten würde und hinterfragen, warum sie ständig lügt.) Wenn das jedenfalls so ist, kann er nie wissen, über was sie noch lügt. D.h. im Umkehrschluss kann er nie sicher sein, dass sie sich wirklich glaubhaft von Suizidgedanken distanziert bzw. absprachefähig ist. (Das sind zwar Formulierungen, die in Deutschland für die Krankenakte genutzt werden, um sich rechtlich nach einem Gespräch abzusichern mit der eigenen Gesprächsdokumentation.) Selbst wenn sie als "Selbstzahlerin" dort eingezogen ist, wird eine Klinik niemals wollen, dass sich jemand in ihrer Obhut umbringt. Dann wäre es tatsächlich begleiteter Suizid. Und wieder: wir sind nicht in der fortgeschrittenen gesellschaftlichen Situation, wie das heute der Fall ist, sondern in den USA 1970.
Du merkst, ich kann mich ewig daran ereifern und die Haare in der Suppe suchen... :monocle ;)
 

luisa_loves-literature

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Für mich waren die Protagonist:innen und der Dialog lediglich dafür da, das Wissen des Autors zwischen zwei Buchdeckel zu bekommen. Darf er ja machen, dann hätte ich aber lieber einen zusammenhängenden Essay gelesen, als einen für mich einfach literarisch nicht besonderen Roman.
Da stimme ich dir absolut zu. Für mich war der Dialog hier eine eher "aufgesetzte" Kunstform, der Autor weicht so vielen Schwierigkeiten und zusätzlichen Ausführungen aus (gerade auch im Bereich der Mathematik), die ein konventionellerer Erzähltext erfordert hätten. Und so innovativ wie das Ganze wirkt, es ist letztlich der Rückgriff auf die Gattung des Drama.
 
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luisa_loves-literature

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Das Ende fand ich hinreißend, es hat mich voll überzeugt.

Mit der Dialogform bin unzufrieden. Ich empfinde sie so, wie sie hier genutzt wurde insgesamt als nicht ausreichend, als nicht authentisch genug. Auch für ein Drama reicht es bei Weitem nicht, denn ich habe mir zu keinem Zeitpunkt wirklich eine konkrete Situation vorstellen können. Zwei fast körperlose Stimmen philosophieren über das Universum, das allerdings auf zeitweise sehr anregende Art und Weise. So sind doch einige Gedanken dabei, die mich zum Nachdenken und auch Diskutieren mit meinem Umfeld gebracht haben und das hat mir wiederum sehr viel Spaß gemacht - Literatur soll ja gern etwas bewegen.

Insgesamt hat der Text mich nicht dümmer gemacht (mir allerdings meine Lücken gezeigt, mit denen ich jedoch sensationell gut leben kann :rofl).
Ich bin nicht begeistert, aber auch nicht genervt oder enttäuscht. Ich habe zwar grundsätzlich nichts für Texte über, die mir zeigen wollen, wie unwahrscheinlich clever sie sind (so etwas sollte auf subtile Art und unterbewusst ablaufen; ich erinnere an die Exzellenz von Gurnah), kann hier aber dennoch gut damit umgehen.

Es werden wohl drei Sterne werden.