FAZIT zu "Pompeji"

Literaturhexle

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2. April 2017
19.440
49.869
49
Wie hat euch der Roman als Ganzes gefallen? Bitte schreibt ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

alasca

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13. Juni 2022
3.036
9.661
49
Ruge schreibt witzig und sprachlich ist der Roman ganz sicher brillant. Aber inhaltlich hat er mir nicht gefallen, vor allem, wenn ich diese - ich nenne es mal "historische Dystopie" - mit dem letzten T. C. Boyle "Blue Skies" vergleiche, der die gleiche Intention verfolgt wie Ruges Pompeji, aber seine Figuren nicht so gnadenlos vorführt. Und das tut Ruge.

Allzu negativ sind seine Figuren gezeichnet, und sogar sein Erzähler spricht von "Häme und Gehässigkeit". Wenn man die Leser:innen zum Nachdenken bringen will, müssen sie sich identifizieren können - wenigstens mit einer Figur. Aber wer soll sich in solchen Unsympathen und Schwachmaten wiedererkennen? Was ist Ruges Ziel dabei? Und worüber soll man bei so viel Eindeutigkeit noch diskutieren?

Das Feuilleton meint gar, einen Schlüsselroman über die Grünen in Ruges Roman zu erkennen. Josse = Joschka? Ob ich dem folgen will - eher nicht. Dennoch interessanter Gedanke.

Aus meiner Sicht ist Ruge übers Ziel hinausgeschossen - oder, je nach Sicht, hat es gar nicht erreicht. Mehr als 3 Sterne werden es bei mir nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:

Emswashed

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9. Mai 2020
2.733
9.771
49
Mir hat auch dieser Ruge sehr gefallen. "Follower" hat mich ein bißchen darauf vorbereitet und so will ich es auch hier interpretieren:
Ruge schafft es mit viel Witz und Eloquenz gegenwärtige Probleme in eine andere Zeit zu katalputieren. Er hat es nicht nur mit einer Zukunft (Follower) geschafft, sondern ankert hier mit seinem Anliegen an einem Punkt in der Antike, der vielen von uns bestens bekannt sein dürfte, dem plötzlichen Ausbruch des Vesuvs.

Seinen erhobenen Finger kleidet er geschickt in Details von Überzeugungen, Wissen, Lebensgewohnheiten der damaligen Zeit und entglorifiziert sie mit Korruption, Machtkämpfen und Standesdünkel. Dabei "verplappert" er sich nicht einmal und enttarnt den modernen Autor. Sein auktorialer Erzähler ist ein überlebender Zeitzeuge, der von der 2000jährigen Zukunft noch nichts weiß.

Ich mag seinen Stil, ich mag seine Intention. Jeder darf selbst hineininterpretieren.
 

Bücherfreundin

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6. November 2022
470
2.215
44
58
Mir hat das Buch sehr gefallen. Es ist unterhaltsam und sehr gut geschrieben. Die eigentlich aus der Mode gekommene Idee, einen Erzähler einzubringen, fand ich gut, da die Figur hier viel Humor beweist. Eine sympathische Hauptperson habe ich in diesem Fall nicht vermisst. Die Figuren waren interessant, ich wollte wissen, wer die Katastrophe überlebt - die Geschichte war spannend, das ist für mich entscheidend.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.344
10.633
49
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Ich bin mir sicher, dass ich durch diese Leserunde einen weiteren Autoren gefunden habe, dessen Romane auf meiner Wunschliste landen. Der Stil gefiel mir unheimlich gut, und es war sehr erfrischend, gar nicht trocken wie es ja leider manchmal ist, wenn es um geschichtliches geht.
Einziger Kritikpunkt, wenn man es denn überhaupt als Kritik sehen möchte, ist die fehlend Sympathie für die Charaktere. Andererseits wird auch ohne sie ein Schuh draus
 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
845
3.393
44
Das Feuilleton meint gar, einen Schlüsselroman über die Grünen in Ruges Roman zu erkennen. Josse = Joschka? Ob ich dem folgen will - eher nicht. Dennoch interessanter Gedanke.
Das ist tatsächlich ein interessanter Gedanke: bedeutet es, dass im Streben nach Macht Prinzipien "verraten" werden und man dann blind für die Katastrophe wird? Das wäre dann aber auch sehr allgemein und trifft auf viele Politiker zu.

Mir hat der Roman nach einem äußerst holprigen Start sehr gut gefallen. Man muss ihn sicherlich mit ironischer Distanz lesen und auch einer gewissen Form von Resignation angesichts der menschlichen Verderbtheit und des ungebremsten Machtstreben. Obwohl Ruge seine Figuren nicht mit Sympathie betrachtet und füllt, hat mich der Roman sehr amüsiert und unterhalten, auch wenn einem so manches Mal das Lachen im Halse stecken bleibt - zu düster, zu oberflächlich und zu gierig ist das Menschenbild. Die Katastrophe unterscheidet dann auch nicht zwischen Religion, Charakter oder Errungenschaften - hier wird wahllos ausgesiebt. Den Erzähler mit seinen Kommentaren habe ich sehr genossen, ich mag diese doch leider etwas in Vergessenheit geratene Art des Schreibens und bin der Ansicht, dass man sie ruhig stärker nutzen dürfte. Sie ist mittlerweile so ungewohnt, dass sie jetzt schon wieder erfrischend und innovativ wirkt.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.526
24.545
49
66
Das wäre dann aber auch sehr allgemein und trifft auf viele Politiker zu.
Ich habe das Buch auch nicht als Schlüsselroman über die Grünen gelesen, obwohl es Parallelen gibt. Aber die Aussagen treffen auf Politiker aller Couleur zu. Macht korrumpiert, verlangt Abstriche an Idealen und Kompromisse. Zweckbündnisse sind notwendig auf dem Weg nach oben. Das mag man traurig finden, ist aber Realität.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.526
24.545
49
66
Wenn es etwas früher mal geregnet hätte, dann wäre meine Rezension schon länger fertig. Aber in den letzten Wochen habe ich gefühlt nichts anderes getan als Gärten zu gießen. ( Teilweise nicht nur meinen eigenen.)
Die Lektüre lag nun etwas zurück, d.h. ich musste mich nochmals intensiv mit dem Roman und der Leserunde beschäftigen. Das war hier aber ein Gewinn. War mir der Anfang bei der Erstlektüre noch etwas verwirrend erschienen, so konnte ich beim zweiten Mal diesen Abschnitt besser genießen.
Ich habe den Roman gerne gelesen und mir gefiel die Erzählweise sehr gut. Der Autor scheint seinen Spaß beim Schreiben gehabt zu haben.
Für mich ist es in erster Linie kein historischer Roman, sondern eine satirische Parabel auf unsere Gegenwart.
Hier nun endlich meine Rezension:
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Ruge schreibt witzig und sprachlich ist der Roman ganz sicher brillant. Aber inhaltlich hat er mir nicht gefallen, vor allem, wenn ich diese - ich nenne es mal "historische Dystopie" - mit dem letzten T. C. Boyle "Blue Skies" vergleiche, der die gleiche Intention verfolgt wie Ruges Pompeji, aber seine Figuren nicht so gnadenlos vorführt. Und das tut Ruge.

Ich habe „Blue Skies“ (noch) nicht gelesen. Geht es dort nicht nur um das Klima und dem Umweltschutz? Ich denke, es greift zu kurz, wenn man den Roman von Eugen Ruge nur auf das Naturthema reduziert. Es ging ihm, so ist mein Eindruck, noch um viele andere Themen mit aktuellen Bezug.

Ich bin da näher bei @RuLeka :

Ich habe das Buch auch nicht als Schlüsselroman über die Grünen gelesen, obwohl es Parallelen gibt. Aber die Aussagen treffen auf Politiker aller Couleur zu. Macht korrumpiert, verlangt Abstriche an Idealen und Kompromisse. Zweckbündnisse sind notwendig auf dem Weg nach oben. Das mag man traurig finden, ist aber Realität.

So verstehe ich den Roman auch.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
1.803
5.061
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Ich bin mir sicher, dass ich durch diese Leserunde einen weiteren Autoren gefunden habe, dessen Romane auf meiner Wunschliste landen. Der Stil gefiel mir unheimlich gut, und es war sehr erfrischend, gar nicht trocken wie es ja leider manchmal ist, wenn es um geschichtliches geht.

Ich denke, dieser Roman ist auch für Ruge speziell, sowohl was das Thema als auch was den Erzählstil angeht. Nichtsdestotrotz kann ich „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ ebenfalls empfehlen.
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Meine Rezension ist nun auch fertig. Ich habe auf fünf Sterne aufgerundet.

Ich muss gestehen, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich alle Anspielungen und Parallelen im Roman entdeckt habe. Die Geschichte ist voll davon. Doch auch ohne ständige Vergleiche zur jüngeren Vergangenheit ist dieser Roman sehr amüsant und eine unterhaltsame Lektüre. Da er mit einem Augenzwinkern geschrieben wurde, kann ich gut darüber hinwegsehen, dass an manchen Stellen dick aufgetragen worden ist.
 

alasca

Bekanntes Mitglied
13. Juni 2022
3.036
9.661
49
Ich habe „Blue Skies“ (noch) nicht gelesen. Geht es dort nicht nur um das Klima und dem Umweltschutz? Ich denke, es greift zu kurz, wenn man den Roman von Eugen Ruge nur auf das Naturthema reduziert. Es ging ihm, so ist mein Eindruck, noch um viele andere Themen mit aktuellen Bezug.
Boyle reduziert keineswegs auf Klima und Natur - er fokussiert auf die Unbelehrbarkeit der Menschheit, genau wie Ruge. Aber Ruge bringt noch den politischen Aspekt mit hinein, das tut Boyle nicht, er bleibt auf der "privaten" Ebene.

Tatsächlich würde ich den Roman - nun mit ein wenig Abstand - besser beurteilen als direkt nach der Lektüre. Dennoch, ich mag es nicht, wenn ein Autor seine Figuren so vorführt.
 
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