FAZIT zu "Papyrus"

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wie hat euch dieses Sachbuch über die Welt unserer guten Freunde, der Bücher, gefallen? Bitte gebt ein erstes spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ich bin vollends begeistert. Ich werde das Buch nicht hergeben und auch nicht verleihen. Es steckt voller Marker.
Es ist eine Mischung aus Sprachwissenschaften, Geschichte, verknüpften Gedanken zur Gegenwart, ein wenig Vallejo Biografie, Argumenten für die Emanzipation, Leseempfehlungen und wertvollstes Futter für den Kopf.
Hinter diesem schlichten Papyrus hätte ich nicht soviel Gedankenreichtum erwartet.
 

petraellen

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11. Oktober 2020
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Ein Zitat von Umberto Eco

"Alles, was wir über uns wissen, verdanken wir der Überlieferung aus Büchern, und das seit bald zweitausend Jahren. Bisher aber gibt es keinen Beweis dafür, dass die elektronischen Geräte ähnlich lange überdauern werden. Und dann ist da unsere taktile, haptische, auch emotionale Verbindung mit Büchern. Wenn wir im Keller Bücher finden, die wir einst als Kind gelesen haben, bewegt uns das. Wenn wir aber eines Tages die Diskette finden, die wir als Kind verwendet haben, kann unser Computer sie nicht mehr lesen, und die Diskette ist dieselbe wie die einer beliebig anderen Person. Dass wir den persönlichen Kontakt verlieren, ist nicht nur für Bibliophile ein Desaster. Eine kleine Minderheit elektronischer Taliban wird nur mit iPads und E-Books umgehen, alle anderen werden Bücher weiterhin brauchen, davon bin ich überzeugt.“

Quelle: aus Interview mit Umberto Eco, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Dezember 2010 in http://w-wie-wissenschaft.blogspot.com/2010/12/book.html, 28.05.202

Der berühmte Universalgelehrte Umberto Eco, schwärmte vom Buch als technisch vollendetstes Meisterwerk. Noch immer gelten Bücher selbst heute im technisch hochgetunten Digitalzeitalter als die verlässlichsten Speichermedien von Wissen.

Die spanische Philologen Irene Vallejo hat den erstaunlichen Siegeszug des Buches auf 752 Seiten aufgeschrieben. Ihre Aufzeichnung umfasst 3000 Jahre Buchgeschichte in Anekdoten, Fragmente, die sie wie ein Patchwork zusammensetzt.

Ihre Geschichte der Welt in Büchern beginnt im fernen Alexandria im dritten Jahrhundert v. Christus und umspannt den Bogen bis zum Untergang des römischen Reiches 476 mit der Absetzung das letzten Kaisers Romulus Augustus.

Die Autorin rekonstruiert die Geschichte des Buches in den unterschiedlichsten Formen. Die Anfänge des Buches in seiner Entstehungsgeschichte von Frühformen und Äquivalente „von Rauch, Stein, Ton, Schilf, Seide, Leder, Holz und neu Kunststoff und Licht“, eingebunden im jeweiligen Kontext von der Papyrus Rolle über die Schiefertafel bis hin zum heutigen Informationsträger Papier.

Das Buch bleibt bei mir!!!;)
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich mag Sachbücher, wenn sie gut geschrieben sind - was hier absolut der Fall ist. Das Hüpfen der Autorin von der Chronologie weg zu iwelchen Assoziationen in der Moderne, ist auflockernd, aber manchmal nervte es mich auch - anyway -
das kann man halt so und so sehen. Es ist auch amüsant. Den roten Faden hat Vallejo nie verloren. Ansonsten kann ich mich nur @Emswashed anschließen, weiter so.

Was ich aber absolut nicht verknusen kann, ist, wenn ein Verlag den Übersetzern eines fremdsprachigen Textes das ins Deutsche hinüber Gendern nicht untersagt oder es die Lektoren sogar fordern und fördern. Das ist eine Verfälschung des Originals. Dafür gibts Punktabzug. Gnadenlos.

Hier meine Rezension.
 
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petraellen

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11. Oktober 2020
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Was ich aber absolut nicht verknusen kann, ist, wenn ein Verlag den Übersetzern eines fremdsprachigen Textes das ins Deutsche hinüber Gendern nicht untersagt oder es die Lektoren sogar fordern und fördern. Das ist eine Verfälschung des Originals. Dafür gibts Punktabzug. Gnadenlos.
Wo steht das? Wo hast du das gelesen? Nenn mal ein Beispiel.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Wo steht das? Wo hast du das gelesen? Nenn mal ein Beispiel.
Es ist eine Vermutung, was ich in der Rezi auch sage, aber dem Verlag möchte ich diese Dinge mal deutlich ans Herz legen.
Das Gendern merkst du daran, dass Substantive ins Partizip Präsens gesetzt werden, Lesende statt Leser, etc.
Bei anderen Romanen hatte ich das Orignal zum Vergleich, daher nehme ich an, dass es allmählich Usus geworden ist, das Verideologisieren der Texte.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Nein, es geht nicht. Wer als Autor selber einen Text gendert - das ärgert mich, ich bin anderer Meinung, aber das ist immer noch die Ideologie des Verfassers selber - aber einem fremdsprachigen Autoren die eigene Ideologie - und mehr ist es doch nicht! aufzuzwingen, ist Verfälschung.
Aber vllt sagt uns der Verlag, dass es Vallejos Schreibe ist ... selbst dann, hätte ich dazu eine Fussnote gebraucht, weil es der Leser, der hier tatsächlich eine Lesende war ! (nicht mehr ist, weil das Buch ja ausgelesen ist) - nicht wissen kann, was die Übersetzer gemacht haben.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Aber vllt sagt uns der Verlag, dass es Vallejos Schreibe ist ... selbst dann, hätte ich dazu eine Fussnote gebraucht, weil es der Leser, der hier tatsächlich eine Lesende war ! (nicht mehr ist, weil das Buch ja ausgelesen ist) - nicht wissen kann, was die Übersetzer gemacht haben.
Aber auch beim Übersetzen gibt es nicht DIE eindeutige/einzige Schreibweise. Im Prinzip wird mit jeder Übersetzung ein Stück weit "verfälscht". Muss DAS jetzt jedesmal dabeistehen, oder reicht es, wenn wir es im Hinterkopf behalten?
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Aber auch beim Übersetzen gibt es nicht DIE eindeutige/einzige Schreibweise. Im Prinzip wird mit jeder Übersetzung ein Stück weit "verfälscht". Muss DAS jetzt jedesmal dabeistehen, oder reicht es, wenn wir es im Hinterkopf behalten?
Jetzt verärgest du mich, Ems. Stell dich nicht dümmer als du bist.
 

petraellen

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11. Oktober 2020
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Der literarische Übersetzer oder die literarische Übersetzerin ist ein Mittler eine Mittlerin zwischen Sprachen und Kulturen.
Es wird nicht Wort für Wort übersetzt, sondern es muss darauf geachtet werden den ursprünglichen Flair beizubehalten. Nicht nur der ursprüngliche Flair ist wichtig, dazu gehört auch die Kultur des entsprechenden Landes. Letztendlich muss ein Übersetzer dasselbe Buch schreiben wie der Autor, nur in einer anderen Sprache.
Zum Beispiel ist die arabische Sprache sehr bildreich und unsere dagegen eher nüchtern. Entsprechend muss der Übersetzer reagieren.
Übersetzer wird man mal nicht so eben. Ein literaturwissenschaftliches Studium ist schon mal sehr gut. HHU Düsseldorf bietet übrigens ein Übersetzerstudium an.
Um auf unser Buch Papyrus zu kommen, fühle ich mich in der Übersetzung sehr gut aufgehoben. Ich habe nicht den Eindruck, dass etwas verfälscht wurde, auch wenn die Gendersprache mit einbezogen ist.(was ich so gar nicht bemerkt habe) Unsere Sprache wird sich weiterentwickeln und entsprechende Änderungen eintreten.
Übrigens haben wir weltweit ca. 6000 Sprachen.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Ein großartiges, intelligentes, facettenreiches, lehrreiches, grandioses Buch. Ich habe viel gelernt, zahlreiche Dinge (besonders die vielen Anekdoten) abgespeichert und mein Allgemeinwissen über die Antike ausbauen können. Ich bin hochzufrieden und kann dieses Buch (auch wenn es auf den letzten 150 Seiten sich etwas zieht) uneingeschränkt und mit viel Nachdruck weiterempfehlen.

Mein wesentlicher Kritikpunkt bezieht sich mal wieder auf das Buchumschlag-Marketing: " Die Geschichte der Welt in Büchern" verheißt doch etwas anderes als das, was ich bekomme, und was der spanische Titel mir deutlich macht: "La invención de los libros en el mundo antiguo". Ich kann kein Spanisch, aber als alte Lateinerin :D erschließe ich mir mal, dass das übersetzt wohl "Die Erfindung der Bücher in der antiken Welt" wäre. Ist die "Antike" im deutschsprachigen Gebiet so out und angestaubt, dass man sich nicht traut, dies auf dem Cover zu erwähnen? Ich war auf jeden Fall doch etwas irritiert, dass die "Geschichte der Welt" schon mit dem Römischen Reich endete. Was sind wir dann - nur noch ein kulturelles Anhängsel?
 
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petraellen

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11. Oktober 2020
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Ein großartiges, intelligentes, facettenreiches, lehrreiches, grandioses Buch. Ich habe viel gelernt, zahlreiche Dinge (besonders die vielen Anekdoten) abgespeichert und mein Allgemeinwissen über die Antike ausbauen können. Ich bin hochzufrieden und kann dieses Buch (auch wenn es auf den letzten 150 Seiten sich etwas zieht) uneingeschränkt und mit viel Nachdruck weiterempfehlen.

Mein wesentlicher Kritikpunkt bezieht sich mal wieder auf das Buchumschlag-Marketing: " Die Geschichte der Welt in Büchern" verheißt doch etwas anderes als das, was ich bekomme, und was der spanische Titel mir deutlich macht: "La invención de los libros en el mundo antiguo". Ich kann kein Spanisch, aber als alte Lateinerin :D erschließe ich mir mal, dass das übersetzt wohl "Die Erfindung der Bücher in der antiken Welt" wäre. Ist die "Antike" im deutschsprachigen Gebiet so out und angestaubt, dass man sich nicht traut, dies auf dem Cover zu erwähnen? Ich war auf jeden Fall doch etwas irritiert, dass die "Geschichte der Welt" schon mit dem Römischen Reich endete. Was sind wir dann - nur noch ein kulturelles Anhängsel?
wenn wir bei dem deutschen Titel bleiben: Was hätte dann in dieses Buch noch rein gemusst? Wie hätte sie es dann schreiben müssen? Die Geschichte endet weder mit dem römischen Reich und auch nicht mit der Antike. Sie bezieht sich immer wieder auf heute. Beispiel Oxford. Geschickt verbindet sie die Vergangenheit mit heute.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Also „Die Geschichte der Welt in Büchern“ suggeriert schon herausragende und richtungsweisende Bücher aus allen Epochen, schlaglichtartig den jeweiligen Kontext erhellend.


Wie hätte sie es dann schreiben müssen? Die Geschichte endet weder mit dem römischen Reich und auch nicht mit der Antike. Sie bezieht sich immer wieder auf heute. Beispiel Oxford. Geschickt verbindet sie die Vergangenheit mit heute.

Ich mache Vallejo ja auch gar keinen „Vorwurf“, denn ihr Buch beschreibt, genau wie im spanischen Untertitel angekündigt, wie die Bücher in der Antike „geboren“ wurden. Und ich finde ihr Buch großartig (s.o.). Aber die Geschichte der Welt in Büchern ist „Papyrus“ beileibe nicht - trotz der eingefügten neueren Beispiele und Bezüge. Alles, was nach der Antike kommt, wird nur angerissen. Aber das ist keine Kritik an Vallejo, sondern an der Wahl des Untertitels durch Übersetzung/Verlag.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Auch nach ein paar Tagen ist meine Begeisterung für dieses Buch nicht abgeklungen und bin ein wenig traurig, dass es hier nur "tröpfelt" und nicht gießt. Aber ich habe ja mitbekommen, dass es noch andere Verpflichtungen gab und noch ist das Spiel nicht vorbei, oder?
Bei mir lag es definitiv an der Fülle an Informationen, dass ich langsam voran gekommen bin, ich musste zwischendurch auch mal googeln. Und auch wenn ich das Buch sehr schätze, brauchte ich auch mal etwas Zerstreuung, manchmal war es auch einfach zu viel Input. Hut ab, dass du es so schnell hinbekommen hast, aber ich glaube, du bist in der Antike mehr bewandert als ich, zumindest entnehme ich das deinen Kommentaren.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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So, nun bin ich durch, und ich bin froh mich durchgekämpft zu haben. Dies meine ich aber nicht negativ, dass Buch hat mir einiges abverlangt, aber es hat sich gelohnt. Allerdings bin ich auch froh, mich nun wieder seichteren Themen zuwenden zu können.
Auch ich werde Papyrus definitiv behalten, da ich mir vorstellen kann, es erneut zu lesen. Das wird sicher weniger anstrengend, da ich viele Informationen dann ja bereits habe. Ich gehe davon aus, dass ich dann noch einiges entdecke, was ich nun überlesen habe.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Nein, es geht nicht. Wer als Autor selber einen Text gendert - das ärgert mich, ich bin anderer Meinung, aber das ist immer noch die Ideologie des Verfassers selber - aber einem fremdsprachigen Autoren die eigene Ideologie - und mehr ist es doch nicht! aufzuzwingen, ist Verfälschung.
Aber vllt sagt uns der Verlag, dass es Vallejos Schreibe ist ... selbst dann, hätte ich dazu eine Fussnote gebraucht, weil es der Leser, der hier tatsächlich eine Lesende war ! (nicht mehr ist, weil das Buch ja ausgelesen ist) - nicht wissen kann, was die Übersetzer gemacht haben.
Das wird uns heutzutage wohl ständig so gehen.
Aber ich verstehe, was du meinst. Es auf Teufel komm raus anwenden, auch wenn es dem Autor gar nicht wichtig war, er dies nicht gemacht hat, stellt auch einen Eingriff in die Persönlichkeit des Autors dar. Würde es auch nicht gut finden, wenn jemand an meinem Gedankengut rumbastelt, damit es politisch oder moralisch korrekt oder Gender konform ist.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Das ist genau so als ob man politische Ansichten umschreiben würde. Wo sind wir denn, in einer Diktatur?! Heutezutage sind die Feministinnen eine Art Moralapostel geworden - sie bestimmen, was gedacht werden darf. Ich hoffe, diese Mode geht in spätestens zehn Jahren vorbei.