FAZIT zu "Meinetwegen"

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wie hat euch das Buch als Ganzes gefallen? Bitte schreibt ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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"Meinetwegen" hat mich nicht beeindrucken können. Die Erzählweise ist natürlich innovativ, aber nicht neu und dieses Buch bleibt mir im Bereich der Charakterstudie dann doch zu brav, vielleicht fast ein bisschen bieder. Dadurch dass die Figur des Zuhörers im zweiten Teil schriftlich in das Gespräch eingreifen darf, entsteht für mich fast der Eindruck, dass die Autorin sich mit der Form ihres Textes nicht ganz wohl gefühlt haben könnte. Es muss der leitende Erwachsene hier wieder übernehmen.
Ich habe es ganz gern gelesen, aber ich glaube nicht, dass es mir länger in Erinnerung bleiben wird.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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dieses Buch bleibt mir im Bereich der Charakterstudie dann doch zu brav, vielleicht fast ein bisschen bieder.
Genau, das meinte ich mit meinem Statement zum zweiten Abschnitt. "Brav" trifft es zu 100 Prozent, fiel mir nur nicht ein.

Ich mochte die erste Hälfte sehr, fand sie formal und sprachlich spannend und außergewöhnlich, weil ich so etwas noch nicht gelesen hatte (Dank "Vater unser" auf dem SUB).

Die zweite Hälfte überraschte mich kaum noch, weder inhaltlich noch sprachlich. Ich habe bis auf die Antwortkärtchen kaum noch Entwicklung gesehen. Und um nicht die zuvor aufgebauten Sympathien für Katharina zu verspielen, musste eine recht gefällige Auflösung herhalten.

Ich schwanke zwischen drei und vier Sternen mit Tendenz zu drei.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Dadurch dass die Figur des Zuhörers im zweiten Teil schriftlich in das Gespräch eingreifen darf,
An einer Stelle greift er auch verbal ein und zwar beim Schildern der Tat. Es gelingt Katharina nicht, das alleine zu erzählen. Auch das Druckblid zeigt, dass dort ein Dialog stattfindet bzw. dass der Psychologe ihr hilft. Ausgerechnet beim entscheidenden Gespräch darf er eingreifen. Das finde ich interessant und das lässt Deutungsmöglichkeiten offen.
Die Erzählweise finde ich außergewöhnlich, auch wenn ich sie bereits in zwei Romanen gelesen habe. Trotzdem eine gute Idee, die eine Entwicklung Katharinas aufzeigt, aber letztlich nicht deutlich zeigt, kb sie sich zum Positiven entwickelt oder alle hinters Licht geführt hat.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das habe ich anders verstanden. Eher als Zwiegespräch mit sich selbst. Der greift in meinen Augen nicht ein.
Schau es dir noch einmal an, Christian. Ich finde es eindeutig. K. bittet auf Seite 92 um Hilfe. Der Psychologe soll etwas sagen, was er auch tut. Meines Erachtens findet der Dialog tatsächlich statt, nicht nur in Katharinas Kopf.
Der Psychologe hat sein Wissen aus dem Bericht. Es entwickelt sich ein Zwiegespräch, K. spricht den emotionaleren Part.

Das Schriftbild ist auch hier interessant gestaltet.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Der Psychologe soll etwas sagen, was er auch tut. Meines Erachtens findet der Dialog tatsächlich statt, nicht nur in Katharinas Kopf.
Ja, ihr habt recht! Das finde ich allerdings sehr merkwürdig, dass ausgerechnet bei der Schilderung der Straftat der Therapeut dies übernehmen soll, wenn Katharina sich dem doch eigentlich stellen müsste.

Bestimmt kann uns @GAIA dazu etwas sagen, ob so etwas wirklich gemacht wird - oder wurde, weil es ja 1970/71 spielt...
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Das finde ich allerdings sehr merkwürdig
Ich auch. Und dann ist es auch paralleles Sprechen vom Schriftbild her. Das „unterdrückt“ das Eingestehen für mich zusätzlich.
weil es ja 1970/71 spielt...
Da hätte ich auch eine Frage zu: findet ihr es für die Handlung notwendig, dass es 1970 spielt? Abgesehen von der Möglichkeit, die Pflegetante zur Nationalsozialistin zu machen, habe ich nicht viel 70er gespürt. Es gab zwar viele Versuche mit der Zeitgeschichte zu spielen, aber die brauchte es für mich nicht.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
19.480
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für die Handlung notwendig, dass es 1970 spielt?
Genau die Frage habe ich mir auch gestellt. Die Bedingungen waren härter.Sowohl in der Erziehung als auch in der Psychiatrie. Den Hauptgrund würde ich aber auch im Bezug zum NS sehen und diesen weitgehend überflüssigen Einstreuungen zum Weltgeschehen.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Genau die Frage habe ich mir auch gestellt. Die Bedingungen waren härter.Sowohl in der Erziehung als auch in der Psychiatrie. Den Hauptgrund würde ich aber auch im Bezug zum NS sehen und diesen weitgehend überflüssigen Einstreuungen zum Weltgeschehen.
Das kann ich (fast) so unterschreiben. Ich glaube aber, der Hauptgrund ist das erste: die Bedingungen und die Erziehung.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Da hätte ich auch eine Frage zu: findet ihr es für die Handlung notwendig, dass es 1970 spielt? Abgesehen von der Möglichkeit, die Pflegetante zur Nationalsozialistin zu machen,
Nein. Eindeutig nein. Die Hintergrundsgeschichten der Angehörigen sind ja mehr als dürfig. Diese NSGeschichte wirkt für mich mehr so, als ob der Autorin nichts besseres eingefallen ist und gerade dieser Hintergrund ist in meinen Augen ein Minus.
Trotzdem fand ich den Roman unterhaltsam.
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Also, ich weiß es noch nicht.
Grundsätzlich mag ich den Roman. Aber ich empfinde ihn als unvollständig. Nicht tief genug geschürft. Die Gespräche mit dem Psychiater finde ich gut, sie hätten aber inhaltsreicher sein müssen. Vllt ein Missbrauchsfall? Wir wissen eigentlich über nichts von dem, was passiert ist.
Die Hintergrundsfiguren sind allesamt misslungen.
Dann gibt es auch so Hinklatschsätze wie sinngemäss: Auch die Erwachsenen haben einen Grund dafür, wenn sie straffällig werden. Klar. Das sind aber Banalitäten, weil offensichtlich.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Ich bin nicht sicher, ob ich ein „spontanes“ Fazit geben kann.
Falls meine Vermutungen, die ich im 2. LA ausgeführt habe, stimmen und Katharina eine Psychopathin ist, dann hat die Autorin das alles ganz gut zusammengebracht und Indizien gelegt. Dann würde ich ihr auch einiges, was stilistisch nicht so gelungen war (dass der Therapeut plötzlich Kärtchen bekommt; dass Katharina einfach zu oft und ausführlich auf das Handlungsjahr hinweist; dass sie immer wieder Dinge erwähnt, die der Therapeut ja sowieso wahrnimmt und die nur den Lesenden gelten usw.) verzeihen können.
Weiterhin unter der Prämisse, das meine Hypothese zutrifft: Ist es ein gutes Buch, wenn fast nur Fachleute es verstehen können in seinem Anliegen/Kernpunkt? Eigentlich muss kein:e Autor:in so schreiben, dass es jeder versteht. Nicht alles ist für die breite Masse. Aber so speziell? Mit als Psychotherapeutin würde dieses Buch gefallen. Aber als Leserin?

Sollte aber meine Idee nicht zutreffen, würde ich euch zustimmen, dass es dann doch alles ein bisschen fad und brav wirkt.

Zum kreativen Ansatz der Erzählperspektive und Ansprache: Tatsächlich hatte ich bisher noch keinen Roman gelesen, der diesen Ansatz verfolgt. Wenn ich euren Kommentaren folgen kann, scheint dieser aber doch nicht so innovativ zu sein, wie ich anfangs dachte.

Grundsätzlich habe ich das Buch gern gelesen. Ich habe mir für meine Verhältnisse sehr viel Zeit damit gelassen und muss auch noch etwas länger darüber nachdenken, um mir ein Urteil bilden zu können. Vielleicht braucht es einfach auch noch einmal eine zweite Lektüre, was bei der Kürze ja doch recht gut umsetzbar ist. ;)
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Mir hat das Buch gut gefallen, besonders zu Beginn fand ich die gewählte Sichtweise sehr ansprechend. Das hat sich im zweiten Abschnitt etwas verloren, weil ich letztlich dann von der Handlung mehr erwartet hätte. Ich frage mich auch, ob in den 1970ern so eine Therapie überhaupt schon üblich war. Trotzdem fand ich die Darstellung Entwicklung von Katharina im Rahmen der Stunden ansprechend.
 
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luisa_loves-literature

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Eigentlich muss kein:e Autor:in so schreiben, dass es jeder versteht. Nicht alles ist für die breite Masse. Aber so speziell? Mit als Psychotherapeutin würde dieses Buch gefallen
Das sehe ich auch so. Nicht jeder Roman ist für jeden gleich gut geeignet und muss es auch nicht sein. Aber ich stehe Literatur immer dann skeptisch gegenüber, wenn sie ohne Anmerkungen und Fußnoten nicht verständlich ist bzw. nur über zusätzliche Erklärungen ihr Wirkungspotenzial entfalten kann. Dann ist meines Erachtens beim Schreiben/Konzipieren schon etwas nicht so gut gelaufen (oder der Autor ist unfassbar viel schlauer als die Leser) ;)
 
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Wandablue

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Ich habe meine Meinung zu dem Buch nach der Diskussion darüber im 2. LA revidiert. Solange ich annahm, dass die Gesprächsthemen Katharinas willkürlich sind und nichts zu bedeuten haben, ist auch das Buch von geringer Bedeutung. Wenn man die Hinweise auf die 70er in Zusammenhang mit der Entwicklung in der Psychotherapie nimmt - gewinnt alles ein anderes Gesicht. Allerdings: hätte ich mir schon einen deutlicheren Hinweis gewünscht. NIcht jeder hat in seiner Leserunde jemanden, der sich mit Psychologie/Psychotherapie und seiner Geschichte gut auskennt.
 
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Wandablue

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Aber ich stehe Literatur immer dann skeptisch gegenüber, wenn sie ohne Anmerkungen und Fußnoten nicht verständlich ist bzw. nur über zusätzliche Erklärungen ihr Wirkungspotenzial entfalten kann.
Das geht mir auch so. Aber hätte ich nur ein einziges Mal "Psychopathie" gegoogelt, wäre es mir wie Schuppen von den Augen gefallen.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Grundsätzlich meine ich, dass mir ein Buch nach dem Lesen alles erzählt haben sollte, was ich brauche, um es zu verstehen, es zu bewerten, es einzuordnen. Bzw, wenn es das nicht tut, dann klappe ich es zu, sage Aha?

Ohne Leserunde wäre das hier genauso ein Aha? Buch.
Aber ich stehe Literatur immer dann skeptisch gegenüber, wenn sie ohne Anmerkungen und Fußnoten nicht verständlich ist bzw. nur über zusätzliche Erklärungen ihr Wirkungspotenzial entfalten kann. Dann ist meines Erachtens beim Schreiben/Konzipieren schon etwas nicht so gut gelaufen (oder der Autor ist unfassbar viel schlauer als die Leser)
ja, genauso.