Fazit zu "Maud Martha"

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Ach hier bin ich hin und her gerissen. Ich muss zugeben, dass diese ganz besondere Kürze der Kapitel sowohl inhaltlich als auch sprachlich, sowie die Sprünge zwischen ihnen doch sehr gefordet haben. Ich hätte mich gern Maud Martha näher gefühlt, kam ihr aber nur in wenigen Sequenzen nahe. Während Brooks die Lebensumstände mit wenigen Worten perfekt erschaffen kann, hätte mir gleichmaßen ausgeprägte psychologische Tiefe gut gefallen. Soll nicht heißen, dass es diese nicht gab, aber wegen mir hätte der Roman dahingehend etwas umfangreicher sein dürfen. Bei manchen Kapiteln fehlt mir wahrscheinlich einfach das Hintergrundwissen, um zu verstehen, was sie aussagen sollen, warum sie im Buch sind.

Sehr gut hat mir beim Greifen des Werkes das Nachwort von Daniel Schreiber geholfen. Die Übersetzung von von Andrea Ott hat mir über weite Strecken gefallen, wenngleich ich die im 1. LA genannte Sache mit der "Elvis-Tolle" als wirklichen Schnitzer empfinde. Insgesamt finde ich die Aufmachung des Buches wirklich toll. Ein ganz großes Lob gibt es von mir dafür, dass der Manesse Verlag sich bei diesem Buch dafür entschieden hat, die Anmerkung direkt als Fußnoten auf die entsprechende Seite im Roman zu drucken. Genauso mag ich das. Kein Blättern, kein Suchen. (Vor allem kein Wundern, ob der entsprechende Begriff nun im Anhang auftauchen wird oder nicht, weil er einfach nicht im Text gekennzeichnet ist.) Die Gestaltung finde ich auch schön und stimmig. Im Vergleich zum Original-Cover von 1953 ist hier eindeutig eine Schwarze Frau mit Afro abgebildet und nicht eine Person, die den äthetischen Gewohnheiten einer Weißen Leserschaft angepasst ist. Das passt zum Inhalt des Buches. Ebenso das Vorsatzpapier, welches mit der Tapete aus der Kitchenette den Rahmen um das Erwachsenenleben von Maud Martha widerspiegelt.

Ich bin ganz ehrlich, so interessant ich manche inhaltliche Stellen und die Lebensgeschichte Brooks im Allgemeinen finde, so konnte mich aber die Lektüre nicht vollständig einfangen. Bei einem guten Roman, der in einem sehr gut durchdachten Gesamtpaket daherkommt, werde ich wohl bei 3,5 auf 4 Sterne aufrunden. Aber auch das entscheidet sich noch, wie auch im Falle von "Mai", erst beim Schreiben der Rezi abschließend.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
329
1.551
44
Ich schließe mich B.Evaristo an „Ich möchte, dass alle diesen vergessenen literarischen Schatz lesen.“
Brooks erzählt vom Leben einer Afroamerikanerin über einen Zeitraum von gut 20 Jahren vor dem 2.Weltkrieg. Bei der Veröffentlichung ihres einzigen Romans war sie 36 Jahre alt und schon eine anerkannte Lyrikerin. In eindrucksvollen Natur- und Szene-Beschreibungen kommt ihre lyrische Begabung zum Ausdruck. Sie erkennt den Rassismus, wird ihn später anprangern und ist nicht bereit, diesen ihr Leben bestimmen zu lassen. Die Schwierigkeiten afroamerikanischer Menschen, der Armut zu entkommen und ein selbstbestimmtes Leben mit Aufstiegsmöglichkeiten zu führen, macht sie erkennbar. Aus einfachen Verhältnissen kommend, bildet MM sich weiter und geht immer selbstbewusster ihren Weg.
Dieser autofiktionale Roman ist eine wichtige Wiederentdeckung, 5 Sterne.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ich muss mir dringend abgewöhnen, noch vor dem Abfassen meiner Gedanken andere Bücher zu lesen.
Nichtsdestotrotz (brobdingnagisch ist auch so ein schönes Wort, aber ich lenke nur ab) weiß ich, dass dieser Roman gerade durch seine Kürze sehr intensiv wirkt und praktisch keine Ablenkung stattfindet.
Der Hinweis, dass Brooks eigentlich Lyrikerin und dies ihr einziger Roman war, ist essentiell.
Deshalb finde ich, dass der Manesse Verlag hier wirklich alles richtig gemacht hat und uns nicht nur ein Stück Tapete näherbringt, sondern auch Daniel Schreiber erhellend hinzugefügt hat.
Im Nachhinein habe ich dann noch "Maud" gegoogelt, weil ich, auch im Text glaube ich, immer wieder versucht war nur Martha zu sagen, und siehe da...

Der Roman ist so eng mit Brooks verknüpft, dass es auch als Biographie durchgehen könnte... ber bei Wiki findet man nicht allzu viel.

https://whatchareadin.de/community/threads/rezension-5-5-zu-maud-martha-von-gwendolyn-brooks.34260/
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Das Nachwort ist hilfreich zum Verständnis und ergänzt den Text sehr gut.

Mir geht es ähnlich wie @GAIA: Ich bin einerseits beeindruckt, hätte aber andererseits mehr "Fleisch" um die "Knochen" gebraucht. Besonders aufgefallen ist mir das bei MMs Entscheidung für Paul, die ich bis zum Ende hin nicht verstanden habe: Warum dieser Mann? Die ein oder andere Szene habe ich trotz mehrfachen Lesens nicht durchdrungen.

Es war trotzdem eine bereichernde Lektüre und ich werde bei 4 Sternen landen. Schlaglichter wie die Santa-Claus-Szene oder die Vignette im Hutladen werden mir garantiert im Gedächtnis bleiben.
 
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parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Auch mich konnte der Roman nicht völlig abholen, in der Prägnanz der Darstellung jedoch beeindrucken. Gerade das Nachwort zeigt, weshalb es wichtig ist, dass der Roman nicht in der Versenkung verschwindet. Die Fußnoten bei Bedarf haben mir auch sehr zugesagt - viel besser, als dieses ständige Blättern. Und auch nicht inflationär eingesetzt. Das aber nur mal am Rande...
 

Barbara62

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19. März 2020
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Literaturhexle

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2. April 2017
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich muss zugeben, dass ich beim Lesen die eine und andere Szene nicht sofort durchdrungen habe und über manche Passage erst mal gestolpert bin. Für mich hat sich aber mit zeitlichem Abstand gezeigt, dass dieses Buch inhaltlich nachhallt. Sprachlich hat es mich ohnehin überzeugt.

Ich habe daher auf 5 Sterne aufgerundet.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich hatte ja schon die Befürchtung gar nicht mitlesen zu können, was ein Glück, dass das liebe Hexle sich dahinter geklemmt hat :cool: Maud Martha war für mich endlich mal wieder ein Klassiker, den ich genossen habe. Die kurze und knappe Art hat mich dabei auch nicht gestört. Ein Werk, dass ich in meiner Rezension gebührend loben werde, soviel ist mal sicher.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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66
Zwischen meiner Lektüre und dem Schreiben der Rezension liegen viel Zeit und einige andere Bücher. Deshalb habe ich nochmals einzelne Kapitel gelesen, meine Anmerkungen dazu und Teile der Diskussion.
Mich hat der Roman gleich überzeugt. Die Sprache ist natürlich das Herausragende und Ungewöhnliche. Aber ich mochte auch die einzelnen Geschichten, von denen viele für sich selbst stehen könnten, in der Summe aber ein ganzes Frauenleben ergeben.
Sie vermitteln einen guten Einblick in das ärmliche Leben eines schwarzen Mädchens, seinen Blick auf die Welt, seinen Träumen und Wünschen. Von den meisten muss sie sich verabschieden, trotzdem verliert sie nicht ihren Optimismus.
Am stärksten berührt haben mich die Szenen, in denen Maud Martha mit dem offenen Rassismus ihrer Zeit konfrontiert wird, vor allem natürlich die Szene mit dem widerlichen Weihnachtsmann.
Dem Manesse- Verlag bin ich dankbar, dass er solche Schätze hebt und sie in einer würdigen Aufmachung herausbringt.
Mit “ Charlotte Löwensköld“ habe ich schon eine Entdeckung machen können und ich freue mich auf Marie Vieux- Chauvet und hoffe ganz stark, dass eine Leserunde mit Willa Cather ( die ich liebe ) zustande kommt.
Hier nun meine Rezension:
 
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