FAZIT zu "Linden Hills"

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.695
22.112
49
Brandenburg
Ich war schrecklich unzufrieden mit Einigem. Aber irgendwie hatte ich denoch ein gutes Lesegefühl gehabt. Die Nachwirkung war positiv. Also musste ich nachdenken und @Emswashed musste mir zudem ein wenig auf die Sprünge helfen, aber wozu hat man eine Leserunde?

Insgesamt habe ich dann doch positiv reagiert, in Anbetracht aller Umstände. Hier meine Rezension. Danke für dieses recht ungewöhnliche Leseerlebnis.
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.742
9.825
49
Mögen es Hormonschwankungen oder das Wetter sein, ich mag diesen Roman von der ersten bis zur letzten Seite. Naylor hat mich fest im Griff gehabt, fast so wie die Luther Nedeeds ihr Revier, und wenn ich mit Gloria untergehe, dann aber mit der Gewissheit, dass es nicht immer in Schwarz und Weiß geschieht.

Gerade die nicht gelösten Fragen haben mich davon überzeugt, dass die Antworten besser nur in unseren Köpfen stehen und nicht laut ausgesprochen werden.

Ich glaube auch nicht, dass Naylor hier das Rassismusproblem, oder die Feminismusdebatte in den Vordergrund stellen wollte. Dass es ein bestimmender Teil ihres Romans ist, verdeutlicht nur das permanente Vorhandensein dieser Dinge. Vielmehr sehe ich hier Menschen, die sogar einen Pakt mit dem Teufel schließen, um ihren Traum von einem Leben voller Eitelkeiten leben zu können. Dabei haben alle Beteiligten Anwandlungen von schlechtem Gewissen, sogar Nedeed, doch können sich sich aus dem Bann der schillernden Versprechungen (das Baumschmücken war eine sehr schöne Metapher dafür) nicht befreien.

Das Feuer hat etwas von Erlösung, einem Ausweg, einer stummen Befreiung. Etwas, was keine der Nedeed Frauen, noch Laurel, noch Willie geschafft haben. Sie alle standen nur für den Blick in den Abgrund von Linden Hills.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.355
10.656
49
49
Ich bin jetzt zwar nicht durchweg begeistert gewesen, aber die Geschichte hat mich doch in ihren Bann gezogen. Die meisten Erkenntnisse hätte ich allerdings ohne diese Runde hier nicht gewonnen, und ich denke, dort wird mein größter Kritikpunkt in meiner Rezension liegen. Es sollte definitiv offensichtlich verständlich sein.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
19.480
50.076
49
Mich hat der Roman von der ersten Seite an in den Bann gezogen. Anfangs noch märchen- und sagenhaft im Ton, ging es ab dem 19. Dezember gleich zur Sache: Wir lernten kennen, was aus der grundsätzlich guten Idee des ersten Needeed im Laufe von ein paar Generationen geworden ist.

Anhand verschiedener Episoden mit unterschiedlichen Figuren lernten wir das Wesen dieser Leute in Linden Hills kennen. Was es heißt, dazu zu gehören, welchen Preis man zahlen muss, was passiert, wenn man nicht zahlen will/kann... Dazu große Familienfeiern, die die ganze scheinheilige Fassade entlarven.... Sympathieträger Lester und vor allem Willie, der einfach mehr sieht und hinterfragt als andere.

Diesen Roman müsste ich gleich nochmal lesen, um noch mehr Andeutungen zu verstehen. Die Leserunde hat ein paar spannende literarische Bezüge zutage gefördert. Notwendig sind sie meines Erachtens nicht. Für mich hat der Roman auch völlig ohne Kenntnis von Dantes Inferno funktioniert. Ein Goodie, mehr nicht. Das Schreibkonzept geht auf. Naylor hat die Handlung gut verzahnt und zum Ende geführt, das der Bösewicht nicht überlebt hat. Was wird nun? Eigentlich müsste es eine Fortsetzung geben.

Die Sprache ist klasse, immer wieder kann man sich Sätze anstreichen. 5 Sterne - ohne wenn und aber gibt es von mir!
 

Renie

Moderator
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19. Mai 2014
5.904
12.644
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Am Anfang tat ich mich schwer. Die Entstehungsgeschichte von Linden Hills mit ihren zig Generationen an Luthers war mir zu langatmig und konnte mich nicht richtig bei der Stange halten. Mit der überraschenden Erkenntnis zum Ende des ersten Abschnitts ist bei mir jedoch der Knoten geplatzt. Von da an hat mich dieses Buch in seinen Bann gezogen. Linden Hills ist ein unbequemer Roman, weil er gegen die Erwartungshaltung des Lesers angeht. Das fängt schon damit an, dass man davon ausgeht, dass man ein Buch lesen wird, dass den Rassismus gegen Schwarze thematisiert. Tatsächlich hat die Hautfarbe für mich aber eine untergeordnete Rolle gespielt. Dann hat dieser Roman unglaublich viele Überraschungsmomente, die der Handlung Wendungen geben, die man ebenfalls nicht erwartet.
Dabei ergeben sich viele unbequeme Fragen, die Gloria Naylor jedoch nicht beantwortet. Sie holt den Leser dadurch aus seiner gewohnten Denkstruktur und zwingt ihn, eigene Erklärungsansätze zu entwickeln - sofern man sich auf das Spiel einlassen möchte. Die fordernde Haltung dieses Romans hat mich somit aus meiner gedanklichen Komfortzone geholt, was ich als sehr bereichernd empfunden habe.
Nur die Fischköpfe habe ich Fischköpfe bleiben lassen. Das war mir dann doch viel zu weit außerhalb meiner Komfortzone. :smilehorn
Von mir wird es auch 5 Sterne geben.