FAZIT zu "Kremulator"

Literaturhexle

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2. April 2017
19.240
49.146
49
Wie hat euch der Roman als Ganzes gefallen? Bitte schreibt ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
2.674
9.512
49
Was mir bei der Lektüre von "Ins Unbekannte" von Hartmann noch nicht nachvollziehbar war, wird mir mit diesem Roman wesentlich verständlicher. Ein System, dem nichts Menschliches mehr anhaftet, in denen menschliche Reaktionen (der Geliebten hinterherzureisen) zur tödlichen Falle werden können und bei dem nur Sarkasmus über die schlimmsten Schrecken hinwegtrösten kann.

Außerdem hat Filipenko mit dem "bewegten" Leben des Nesterenko so ganz nebenbei eine kurzen Überblick über die Zeit zwischen den Weltkriegen und halb Europa gegeben.

Mitten im Hades (auf dem Friedhof) durften wir den Kampf zwischen Hypnos und Thanatos, zwischen Traum und Wirklichkeit den Siegern zuschauen. Wir durften einem Mann begegnen, der uns mit traumwandlerischer Sicherheit zum unvermeidlichen Ende geführt hat, weil er es konnte, weil er es geübt hatte.

Dadurch, dass mich Filipenko vor den Emotionen bewahrt hat, hat er meinen Verstand für die Zwischentöne offengehalten.

Die Bruchstückhaftigkeit wurde durch die Kürze wettgemacht und so bleibt bei mir der Eindruck eines kurzen, "gestohlenen" Blicks in ansonsten unter Verschluss gehaltenen Dokumente.
 

Federfee

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13. Januar 2023
1.995
8.215
49
Ich denke zwar anders über das Buch, aber dennoch gefällt mir, was du schreibst. So kann man es auch sehen. Schön, eine andere Meinung zu lesen, auch wenn sich meine dadurch nicht ändert.
 
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Reaktionen: Emswashed und otegami

Federfee

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13. Januar 2023
1.995
8.215
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Und was soll das Ganze jetzt?! Dieser Satz ist nicht böse gemeint, drückt aber meine Ratlosigkeit aus. Mir hat das Buch absolut nichts gegeben.

Eine spannende Handlung hatte ich sowieso nicht erwartet, auch keine besonders schöne Sprache, aber tiefere Einsichten in die Stalinzeit, Anregungen zum Nachdenken, Diskussionsanlässe. Leider alles Fehlanzeige – für mich. Es kommt mir zusammengestoppelt und teilweise unglaubwürdig vor und an einigen Stellen hat mich der sarkastische Zynismus gestört.​
 

otegami

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17. Dezember 2021
1.833
6.329
49
71
Durch das direkt vorher gelesene Buch 'Rote Sirenen' war ich bestens gerüstet für 'Kremulator' und mir erschien dadurch wahrscheinlich auch einiges logischer und nachvollziehbarer (als wenn ich das o.g. Buch vorher nicht gelesen hätte)!
Mit dem aufregenden und abwechslungsreichen Leben von Pjotr Nestenenko wird uns als Leser auch ein Teil der sowjetischen Geschichte und das Chaos des letzten Jahrhunderts in Russland präsentiert!
Und wir lesen sowohl von 'Fließbandarbeit' im Krematorium wie auch von der Liebe zum Theater der Russen und auch von einer großen Liebe, die jedoch aus Vernunftsgründen von der einen Seite verleugnet wird.
Etliche Aussagen könnten auch aus der Gegenwart sein, wie z.B. "Die russische Denunziation ist absurd und gnadenlos" oder der Ausdruck "aus dem Fenster gefallen wurde".
Mir gefiel dieser Blick, den Filipenko bot (auch wenn er teilweise Grund war, dass sich einem die Nackenhaare aufstellten) und ich werde das Buch mit 4 Sternen beurteilen!
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Durch das direkt vorher gelesene Buch 'Rote Sirenen' war ich bestens gerüstet für 'Kremulator' und mir erschien dadurch wahrscheinlich auch einiges logischer und nachvollziehbarer (als wenn ich das o.g. Buch vorher nicht gelesen hätte)!
Das spricht ja dafür, dass Leser, die vorher nichts gelesen haben, mit diesem Buch nicht viel anfangen können ;-)
Bei mir ist es so, dass ich schon einiges über die Stalinzeit gelesen habe, aber das hat mir nicht so doll geholfen.
Und wir lesen sowohl von 'Fließbandarbeit' im Krematorium wie auch von der Liebe zum Theater der Russen und auch von einer großen Liebe, die jedoch aus Vernunftsgründen von der einen Seite verleugnet wird.
Vernunftgründe? Ich sehe es eher als Karrierewunsch. Sie hätte ja glücklich mit ihm inn Paris leben können, wollte sie aber nicht.
Etliche Aussagen könnten auch aus der Gegenwart sein, wie z.B. "Die russische Denunziation ist absurd und gnadenlos" oder der Ausdruck "aus dem Fenster gefallen wurde".
Diese 'Spitzen' in seinem Buch fand ich gut. Er hat es natürlich aus Sicht von heute geschrieben, aber es passt damals und heute erst recht.
 

otegami

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17. Dezember 2021
1.833
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Bei mir ist es so, dass ich schon einiges über die Stalinzeit gelesen habe, aber das hat mir nicht so doll geholfen.
Immer wieder interessant, wie Bücher unterschiedlich gelesen werden! (Ich habe mich köstlich amüsiert, als eine Userin einer social-media-Plattform meinte, bei einem Buch könnte doch nicht unterschiedlich interpretiert werden. Meine Antwort drauf: "Du hast offensichtlich noch nie an einer Leserunde teilgenommen!" :apenosee )
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Immer wieder interessant, wie Bücher unterschiedlich gelesen werden!
Zum Glück für die Autoren ist das so, sonst würden immer nur die gleichen ihre Bücher verkaufen. Außerdem ist Vielfalt immer gut. Ich habe z.B. schon manche Anregung zum Umdenken bekommen und durch die Interpretationen anderer Aspekte entdeckt, die mir sonst verborgen geblieben wären. Also: Vielfalt und unterschiedliches Lesen bereichert sehr oft.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
321
1.501
44
Kremulator ist ein auf Fakten basierender Roman über die stalinistischen Säuberungen. Im Russland heute zeigt sich, dass sich die Geschichte wiederholt. Das Gesetz über „ausländische Agenten“ betrifft viele unabhängige Medien, Menschenrechtsorganisationen und auch Privatpersonen.
Nesterenko ist eine ambivalente Figur mit der Strategie, zu überleben. Dazu schlägt er sich mal auf diese, mal auf jene Seite. Das ist in totalitären Ländern unerwünscht. Der Volksfeind und Spion wird nach einer - absurderweise - ordentlichen Ermittlung zum Tode verurteilt.
Trotz des düsteren Themas machen der kluge ironische Witz und der sarkastische Humor des Protagonisten das Buch sehr lesenswert, 4 Sterne
 

parden

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13. April 2014
5.835
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ich schwanke noch zwischen 3 und 4 Sternen - das wird sich wohl erst beim Verfassen der Rezension so richtig herauskristallisieren. Ich fand den Roman auch recht verworren und chaotisch, aber die Willkür der jeweiligen totalitären Regierung, das Vergebliche des Versuchs sich "richtig" zu verhalten, die Allgegenwärtigkeit denunziierender Mitbürger:innen, die geringe Bedeutung (mit-)menschlicher Aspekte, all das wurde hier glaubwürdig transportiert. Mal sehen...
 

Federfee

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13. Januar 2023
1.995
8.215
49
Ich schwanke noch zwischen 3 und 4 Sternen - das wird sich wohl erst beim Verfassen der Rezension so richtig herauskristallisieren. Ich fand den Roman auch recht verworren und chaotisch, aber die Willkür der jeweiligen totalitären Regierung, das Vergebliche des Versuchs sich "richtig" zu verhalten, die Allgegenwärtigkeit denunziierender Mitbürger:innen, die geringe Bedeutung (mit-)menschlicher Aspekte, all das wurde hier glaubwürdig transportiert. Mal sehen...
So ähnlich sehe ich das: lobenswert der Versuch, die Stalinzeit aufzuarbeiten, auch die Bezüge zur Gegenwart, die kritischen eingestreuten Sätze. Aber auch ich finde ihn im Ganzen zu verworren, um wirklich viele Leser zu erreichen. Für mich ist das ein nicht ganz gelungener Versuch.
 

otegami

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17. Dezember 2021
1.833
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Du hast es hier GottseiDank mit keiner Diktatur zu tun! :joy (Und ich genieße das genauso wie all die anderen Leserinnen, die die unterschiedlichsten Rezis abgegeben haben!)
 
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Renie

Moderator
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19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Der Anfang war vielversprechend: ein Protagonist wie N., der sich als Tausendsassa mit einem ungewöhnlichen Job präsentiert, hat meine volle Aufmerksamkeit. Sein Wahnwitz hat mir gefallen, auch wenn klar war, dass er sich mit seiner vermeintlichen Überlegenheit gegenüber dem Verhörbeamten etwas vorgemacht hat. Der historische Zusammenhang hat mir gefallen, auch die Parallelen zur heutigen Zeit. Doch leider baut der Roman ab, was daran liegt, dass sich Filipenko in dem Chaos der Ereignisse, die Ns Leben beeinflussten, verzettelt. Filipenkos Verwirrspiel bzgl. Wahrheit und Fiktion hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Zugute halte ich ihm die Momente, in denen seine Wortgewandtheit durchblitzte. Die haben mich noch bei Laune gehalten. Doch davon gab es leider zu wenig.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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