Da ich ab morgen ein paar Tage seltener online sein werde, trage ich mal rasch zusammen, was mir an dem Buch sehr gefallen hat.
Einmal das Lokalkolorit. Die Autorin führt uns Madrid in gewisser Weise als zum Romanpersonal gehörig vor und liefert ein gutes Bild von der Stadt, ohne andererseits so zu schreiben, dass man den Stadtplan zücken müsste, um alles zu verstehen. Das bürgerliche Madrid wird ebenso abgebildet wie das eher kleinbürgerliche, wo die Hausfrau mit Morgenrock und Pantoffeln auf die Straße geht, die Subkultur am Beispiel des besetzten Hauses und die Sub-Subkultur in den unterirdischen Schächten.
Dann vor allem die Hauptperson Maria. Mit dem Satz "Maria nahm gleich zwei Stufen auf einmal", einem Hinweis auf ihre unerschöpfliche Energie, wird sie perfekt eingeführt. Sie ist eine widerborstige Person, was wir schon darauf erkennen können, dass sie suspendiert wurde (ich fand das Leitmotiv mit der leeren Schublade, in der sie immer wieder ihre Pistole sucht, genial), sie ist hartnäckig und zeigt viel Empathie, vor allem gegenüber dem jungen Eloy. Ihre Liebesgeschichten kann man leider aus dem Buch heraus nicht so ganz verstehen; da ist wohl vieles vorausgelaufen, was uns unbekannt bleibt. Aber jedenfalls ist sie auch in der Liebe eine unkonventionelle Person. Ihr Kollegen bleiben etwas blass; das liegt wohl an der Konstellation (da sie zwangsläufig auf sich allein gestellt ermitteln muss), aber Eloy in seiner Ernsthaftigkeit und Verlorenheit ist eine sehr anrührende Figur.
Gut gefällt mir auch der Kunstbezug (ich bin sowieso Goya-Fan, aber ich mag generell "Kunstkrimis". Die Abbildungen im Buch genügen wohl nicht, um alle Anspielungen auf die Bilder zu verstehen, aber da hätte wohl auch eine etwas größere oder farbige Darstellung keinen Unterschied gemacht, jedenfalls bei den meisten Bildern (die Wallfahrten, die Schlachtszene und die Erschießung, das Irrenhaus), das muss man sich ohnehin großformatiger ansehen. Zum Glück sind alle Bilder leicht zu finden.
Wie im Thread zum letzten LA erwähnt mag ich die ruhige Erzählweise und dass die Autorin der Versuchung widerstanden hat, am Ende noch ein Riesendrama mit mehreren Seiten Geiselnahme oder Verfolgungsjagd einzuführen. Die einzigen "Verfolgungsjagden" spielen sich per Fahrrad ab, Gute Idee!
Das Buch ist Teil einer Serie, die noch nicht in Deutsch erschienen ist; daher die vielen Anspielungen auf zum Teil recht komplizierte Vorgänge in der Vergangenheit - es wäre schön, wenn man das vielleicht irgendwann "nacharbeiten" könnte. Das vom Leben gebeutelte "Team", das im letzten Absatz nochmal resümierend vorgeführt wird, hat mich jedenfalls gewonnen. Ein Krimi nach meinem Herzen. Es gab ein paar Stilschlampereien bzw. Übersetzungsfehler, aber ein Krimi ist ja keine höhere Literatur, da liegt die Latte der stilistischen Bewertung nicht so hoch. Ich bin noch nicht sicher, aber es könnte Höchstwertung geben - weil ich das Buch im Krimigenre wirklich herausragend finde.
Das Buch ist 2019 erschienen, habe ich gerade festgestellt. Wenn es in diesem Jahr herausgekommen wäre (ich meine im Original), hätte ich angenommen, dass die Autorin uns Deutsche mit dem hässlichen Dreadlock-Kellner auf die Schippe nehmen will. Ein Deutscher mit Dreadlocks, ich sach jetzt mal nix ...