FAZIT zu "Elizabeth Finch"

RuLeka

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30. Januar 2018
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Meine Erwartungen an einen Roman von Julian Barnes sind sehr hoch. Ich kenne viele Bücher von ihm und „ Elizabeth Finch“ war das, mit dem ich am wenigsten anfangen konnte.
Nicht nur, dass mich die These, die Welt wäre eine bessere ohne das Christentum, verärgert hat ( ja, ich weiß, Barnes stellt nur die Frage danach und beantwortet sie nicht eindeutig ).
Die ganze Geschichte ist einfach nicht rund, sondern zerfällt in zwei Fragmente. Auch die Figuren sind nicht wirklich greifbar, v.a. die Titelheldin. Wer sie wirklich war, bleibt im Ungefähren. Der unzuverlässige Erzähler strickt an ihrem Mythos, ohne dass sie für ihn und uns lebendig wird.
Eine schöne Sprache und einige kluge Gedanken machen noch keinen guten Roman. Deshalb bin ich dieses Mal streng und vergebe nur drei Punkte. Von Julian Barnes erwarte ich einfach mehr.


 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
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Eine schöne Sprache und einige kluge Gedanken machen noch keinen guten Roman.
Ja, absolut. Ein Roman braucht auch eine gute Handlung und die spreche ich tatsächlich EF auch ab. Elke Heidenreich hat das mal recht populärwissenschaftlich zusammengefasst:

"Ein gutes Buch muss eine packende Story haben und die in einer adäquaten Sprache erzählen. Ist das nicht der Fall, kann ich das Buch gut weglegen."https://denkzeiten.com/2021/11/26/elke-heidenreich-nachgefragt/
Da gehe ich voll mit, gerade wenn ich an meine letzten Leseerlebnisse am oberen und unteren Ende der Skala denke ("Kuchenanwendungen" und "Simon"). Ein Roman ist eben auch immer Handlung, die darf man einfach nicht so sträflich vernachlässigen.

Wie bereits gerade beim letzten LA von mir schon erwähnt: Schreiben kann Julian Barnes und ich weiß seine Denkanstöße zu schätzen, das Grundkonzept gefällt mir auch sehr - aber es wurde zu wenig daraus gemacht. Die Handlung ist sehr dünn bis fast nicht existent, egal, wie man es wendet. Am Ende kommt den noch das vielbeschworene Tempo-Problem/Handlungskurven-Problem zum Tragen: das sollte Barnes eigentlich nicht passieren. Für mich gibt es da Ähnlichkeiten zu "Stella Maris" - anscheinend wollen Autoren in ihrem Spätwerk nochmal eine gewisse (Lebens-)Philosophie an den Leser bringen, das sagen, was sie schon immer mal sagen wollten, als Debüts hätten diese Romane sicherlich keine literarische Weltkarriere begründet.

Insgesamt für mich ein durchschnittlicher Roman, den ich jedoch nicht weiterempfehlen würde. Dazu ist er zu speziell, zu trocken und zu wenig fesselnd.