Für mich zerfällt das Buch in einen relativ spannenden ersten Teil und einen sich ziehenden zweiten, der viele Wiederholungen aufweist, wenig Handlung hat und abgesehen von einigen historischen Fakten und gesellschaftlichen Entwicklungen nicht viel Neues bereithält. Die Biografie des Ludwig Lendle mag für die Familie sehr interessant sein. Für mich ist sie es nicht.
Vom Einstieg in den Roman, in dem Alma ihre Eltern auf so tragische Weise verliert, war ich regelrecht geflasht. Sprachlich großartig, mit stimmigen, eindrücklichen Metaphern startet der Autor in den Roman. Das Niveau kann er m.E. nicht halten, weder inhaltlich noch sprachlich.
Die philosophischen Grundthemen über das Verstreichen der Zeit und des Lebens werden immer wieder aufgekocht, weil sich der Protagonist offenbar in seinen Tagebüchern sehr intensiv damit auseinandergesetzt hat. Selbstmordphantasien gehören dazu. Desgleichen die Schlaf- und Narkoseforschung. Später erfahren wir auch viel über den Neffen, dessen Charakter dem Ludwigs in gewisser Weise ähnelt.
Da es sich hier nicht um einen rein fiktionalen Text handelt, sondern um einen, der auf Aufzeichnungen eines Dritten beruht, erklärt sich die detaillierte Darstellung. Gut finden muss ich sie nicht. In der zweiten Hälfte ließ der Autor jeglichen Spannungsaufbau vermissen. Der Protagonist zieht mehrfach um, entgeht der Entnazifizierung, gibt seinem Bedürfnis nach homosexueller Liebe nicht nach, bleibt ein einsamer Wolf bis zum Tod.
Auch Alma gerät dabei in den Hintergrund im zweiten Teil.
Schade. Nach dem tollen Beginn hatte ich wirklich mehr erwartet.
Als Pluspunkt muss man den Überblick über ein bewegtes Jahrhundert aus Sicht eines Soldaten/Studenten/Wissenschaftlers vermerken. Immer wieder blitzt Zeitkolorit auf, im Kleinen wie im Großen wird man anhand der Biografie Lendles durch die Zeit, ihre Umstürze und Veränderungen geführt. Da gibt es auch Dinge zu entdecken, über die man vorher wenig wusste.
Ich denke mal, dass am Ende 3 Sterne herauskommen.