FAZIT zu "Dunkelblum"

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ein interessantes Geflecht von Beziehungen haben wir gelesen und als Konclusio, gehört, dass es noch nicht zu Ende ist. Vllt ist es das nie.
Dieser raffinerte Roman von Eva Menasse ist mehr als gelungen. Er hätte auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2021 gehört. Unbedingt.
Die Bösen sind nicht nur böse und die Guten sind auch nicht immer gut, aber manchmal sind die Bösen eben doch böse. Und viele entgehen ihrer Strafe. Wie wahrscheinlich der Neulag, der der Ärgste von allen gewesen ist.

Ich bin völlig begeistert und hingerissen von der Schreibkunst der Frau Menasse. Ein wunderbarer Roman ist Dunkelblum, obwohl er wahrlich nicht "erfreulich" zu nennen wäre.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Nur damit keine Gerüchte aufkommen, ich finde die Geschichte und Eva Menasse superklasse!

Aber das Buch hat mir ein paar heftige Auf- und Abs beschert. Verzeifelt an der schieren Personenzahl und ihrem undurchdringlichen Geflecht, hatte ich dann aber doch das Gefühl, langsam wieder einen Überblick zu gewinnen, nur um mich dann wieder in weiteren Geheimnissen zu verlieren.
Und jetzt muss ich Abschied nehmen, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Froh, dieses Gemauschel, diese verstockten Alten verlassen zu dürfen, graust es mich vor der anonymen Großstadt, wo jeder nur sein eigenes Gschiss kennt.

In Österreich habe ich einen Mitangeklagten gefunden, in Eva Menasse eine tolle Autorin und mit diesem Buch ein wunderbares Sittengemälde durch die jüngste Geschichte. Japp, ich bin begeistert.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Ich möchte unbedingt einen Roman "Dunkelblum II"!!! Hier ist noch längst nichts auserzählt.
Da hast du Recht. Aber gerade, dass nicht alles gelöst und aufgedeckt ist, finde ich gut. So ist man als Leserin gefordert und in der Realität werden die Zusammenhänge auch oft aus der Retrospektive deutlich. Die Beteiligten sehen sie nicht. Ansonsten kann ich mich deinem ersten Beitrag uneingeschränkt anschließen ;)
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Hier für alle Interessierten :

Auf YouTube gibt es ebenfalls einen Mitschnitt einer Lesung.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Habe auch fertig. Wie ich gerade eben unter dem letzten LA schrieb, ich sehe einer Verfilmung als Serie entgegen. Würde mich gar nicht wundern. Dann werden wir zweifellos auch sehen, wie aus Lowetz und Flocke ein Paar werden, wie sich das im Medium Film gehört.
Das mit dem "Hitlergruß ist Reisemangel", am Anfang ja so eine Art running gag, hat am Ende noch eine gruselige Wendung bekommen. Würde man mir in so einem Hotel, von seiten der Animateure, ein Hitlergruß entgegenschmettern, würde ich mir das nämlich auch entschieden verbitten wollen. Ich fand das ganz natürlich. Aber der Grund, warum sich der Dr. F. das verbeten hat, der zieht mir die Schuhe aus.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Froh, dieses Gemauschel, diese verstockten Alten verlassen zu dürfen, graust es mich vor der anonymen Großstadt, wo jeder nur sein eigenes Gschiss kennt.
Ich habe mir das zuvor nie so richtig überlegt, aber es ist sicher in so kleinen Gemeinschaften, wo sich alle kennen und alle irgendwie verwandt oder sonstwie verbandelt sind, ungeheuer schwierig, auf die Dauer mit einer gemeinsamen Schuld zu leben. Es gibt alle Formen der Mitschuld von Haupttätern über Mitläufer bis zu bloßen Mitwissern, es gibt Unbelehrbare wie den Ferbenz, und es gibt Leute, die unschuldige Opfer waren und trotzdem zurückkommen, um ihr altes Leben wiederaufzunehmen, wie Grün. Und dann die Nachfolgegeneration, die nicht dabei war und unter Umständen auch eine gewisse Selbstgerechtigkeit mitbringt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Es gibt alle Formen der Mitschuld von Haupttätern über Mitläufer bis zu bloßen Mitwissern, es gibt Unbelehrbare wie den Ferbenz, und es gibt Leute, die unschuldige Opfer waren und trotzdem zurückkommen, um ihr altes Leben wiederaufzunehmen, wie Grün. Und dann die Nachfolgegeneration, die nicht dabei war und unter Umständen auch eine gewisse Selbstgerechtigkeit mitbringt.
Und genau das beschreibt Eva Menasse an vielen Beispielen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
6.556
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Ich bin nun auch fertig mit dem Roman, nein, falsch, fertig bin ich damit noch nicht. Ich habe ihn ausgelesen. Das wäre ein Roman für meinen Lesekreis und somit für mich zur Zweitlektüre.
Dunkelblum ist ein Buch, für das mir die 5 Punkte- Regel nicht reicht.
Ich bin begeistert von dem Können der Autorin. Wenn man ein Buch mit Gewinn mehrfach lesen kann oder muss, spricht das für die Qualität ( Vielschichtigkeit ) desselben.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Aber der Grund, warum sich der Dr. F. das verbeten hat, der zieht mir die Schuhe aus.
Das ist das Besondere an diesem komplett perfekt durchkomponierten Roman: Diese kleinen Steinchen, irgendwo vermeintlich zufällig fallengelassen, werden wieder aufgenommen und weiter verarbeitet. Als aufmerksamer Leser kommt man mit, fühlt sich gefangen in Dunkelblum (obgleich ich nicht den Anspruch hege, wirklich alle Verbindungen durchdrungen zu haben. Aber dank unserer Runde hier trägt sich schon einiges zusammen).

Ich empfand Menasse im lit. Quartett manchmal ziemlich arrogant, wenn sie vehement die Struktur in einem Roman kritisierte. Jetzt weiß ich, warum: sie hat verdammt hohe Ansprüche. Dagegen kann vieles nur abfallen.
Und genau das beschreibt Eva Menasse an vielen Beispielen.
Und völlig realistisch. Dunkelblum ist zudem ziemlich abgeschnitten gewesen von der Welt. Ich habe selbst in der Nähe der Zonengrenze gelebt. Dort kommt manches zusammen: strukturschwach, Landwirtschaft im Umbruch, Zonenrand, die Jungen gehen weg... Da gedeihen ewig Gestrige bestimmt prima!

Ich bin begeistert von dem Können der Autorin. Wenn man ein Buch mit Gewinn mehrfach lesen kann oder muss, spricht das für die Qualität ( Vielschichtigkeit ) desselben.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen:)
Wieder mal freue ich mich, dass wir so eine tolle Wahl getroffen haben, die uns soviel Begeisterung beschert!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich schließe mich eurer Begeisterung vollkommen an!

Der erste Abschnitt hatte es in sich. Auch ich habe auf Notizen verzichtet, allerdings munter im Buch angestrichen, sobald klar war, dass es das Haus nicht mehr verlassen wird. Aber Menasse hat es super hingekriegt, dass man immer wieder kleine Häppchen zugeworfen bekommt, die einen die tragenden Figuren mehr und mehr erschließen lassen, ohne das wildes Zurückblättern von Nöten wäre. Genial, einfach genial!

Die Struktur des Romans, wie sich eins gekonnt zum anderen findet, wie sie ihre Figuren mit Schattierungen auslegt - es gibt abgesehen vom Horka kaum nur Gute oder nur Schlechte - ist große Schreibhandwerkskunst. Wie die Querleserin irgendwo sagte: sie sieht ein großes Reißbrett mit Querverbindungen an der Menasseschen Wand hängen;). Denn die Eva muss ja zu jeder Zeit den Überblick bewahren. Wir dürfen als Leser indessen schon mal ins Trudeln kommen.

Dann noch ein Wort zum Stil: Großartig!
Ich habe meine Begeisterung bereits in den einzelnen LA kundgetan. Hier stimmt alles. Ich bewundere, wie sich trotz des ernsten Themas immer wieder Humor/Ironie in kleinen Nebenbemerkungen einschleicht, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Chapeau! Dieses wäre tatsächlich mal wieder ein 6-Sterne-Buch!

An den Vergleich mit Charles Lewinsky und sein Melnitz habe ich auch gedacht. Wegen der vielen kleinen Geschichten, die sich rund um Dunkelblum entwickeln. Allerdings ist die Menasse noch ein paar Jährchen jünger. Mal sehen, was ihr noch so in den Sinn kommt. Apropos: Dunkelblum II halte ich für gefährlich: Besser geht kaum, es könnte nur abfallen. Für mich darf dieser Roman gerne so stehen bleiben und zu Ende sein.
 

buchregal

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8. April 2021
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71
Selten ist mir ein Fazit so schwergefallen. Anfangs wurde mir die Personen und die Fragmente der Geschichte um die Ohren gehauen, dass ich schon fast aufgeben wollte. Doch die Sprache hat mich wirklich begeistert. Je länger ich dann gelesen habe, umso mehr war ich angetan, auch wenn die Autorin es mir in Folge auch nicht leicht gemacht hat. Kaum erkannte ich Verbindungen, dann taten sich wieder jede Menge Fragen auf, was natürlich dafür sorgte, dass die Spannung stieg – schließlich wollte ich Antworten auf diese Fragen.

Wenn man die Menschen von Dunkelblum betrachtet und immer mehr über sie erfährt, so sind sie nicht sympathisch, aber menschlich, denn jeder hat wohl seine hellen und seine dunklen Seiten. Es ist natürlich schlimm, was man da in unausgesprochener Einigkeit alles unter dem Deckel hält. Aber Aufarbeitung ist so eine Sache. Die Menschen möchten nicht erinnert werden und wenn man sich nicht erinnert, ist es auch nicht passiert. Die Dunkelblumer haben dies perfektioniert.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Auch ich habe auf Notizen verzichtet, allerdings munter im Buch angestrichen, sobald klar war, dass es das Haus nicht mehr verlassen wird.

:eek: Nee, nee, nee. Da bin ich pingelig. Gerade wenn ich ein Buch behalten will, muss es am besten wie neu aussehen im Regal. Anstreichen oder Eselsohren gehen gar nicht. o_O
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
1.803
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Was kann ich noch schreiben, ohne dass sich vieles wiederholt?

Also in den meisten Punkten bin ich voll bei euch: tolle Figurenzeichnung, überzeugender Inhalt, hervorragender Aufbau mit vielen Querverbindungen, trotz des Umfangs nicht langatmig, sondern immer wieder spannend.

Allerdings habe ich mich am Anfang schwer mit dem Buch getan. Ich brauchte etwas, um in der Geschichte anzukommen. Und ich mag das österreichische Vokabular nicht so.

Unterm Strich wird es vermutlich trotzdem verdiente fünf Sterne geben.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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:eek: Nee, nee, nee. Da bin ich pingelig. Gerade wenn ich ein Buch behalten will, muss es am besten wie neu aussehen im Regal. Anstreichen oder Eselsohren gehen gar nicht. o_O
Mein Buch sieht auch noch wie neu aus äußerlich und Eselsohren sind ein anderes Kaliber;)
Meine Anstreichungen sind sauber und mit weichem Bleistift gemacht, könnte man ausradieren (wenn man will). Gibt dem Buch die individuelle Note.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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