Mein Fazit fällt auch durchwachsen aus. Der erste Teil hat mich beeindruckt. Der plötzliche Tod Birgits und die Leerstellen, die er lässt, wurden glaubwürdig gezeichnet. Auch ihre Aufzeichnungen haben zu ihrer Figur gepasst. Ihr gespaltenes Leben in einem gespaltenen Land, die Trennung von der Heimat, von der Tochter, haben tiefe Spuren auf ihrer Seele hinterlassen. Spuren, die sie letztlich in den Alkohol und damit auch in den Tod getrieben haben. Beeindruckend.
Mit dem zweiten Teil begann für mich die Märchenstunde. Der alte Mann, der das Vermächtnis seiner Frau erfüllen will, deren Enkelin lieben lernt und sie aus dem völkischen Reichsumfeld befreien will. Wie macht er das? Mit seinen Mitteln, die da wären: Musik, Kunst, Kultur, Literatur und Bildung in jeglicher Form. Sehr unwahrscheinlich, dass sich eine pubertierende 14-jährige darauf einlässt, aber Sigrun ist genau so ein Mädchen!
Die Familie Sigruns sowie manche Nebenfigur wird mit Stereotypen beschrieben, auch da fehlt das Maß.
Man darf nicht alles hinterfragen wollen. "Die Enkelin" ist ein Unterhaltungsroman, der starke Themen der deutschen Geschichte und der deutschen Teilung aufgreift, was ihm auch gut gelingt. Viele Szenen in Ost-Berlin, über das Kennenlernen Kaspars und Birgits, die Vorbereitungen zur Flucht und deren Durchführung - habe ich als sehr bildhaft und authentisch empfunden.
Ein Plus auch für den (für mich) überraschenden Schluss. Nach dem Lesen unseres zweiten LA war ich überzeugt, es gäbe Friede Freude Eierkuchen. Über die Träume des Opas von der künstlerischen Karriere seines Schützlings können wir allerdings wieder trefflich diskutieren.
Für mich wäre es ein 3 Sterne Buch. Da ich aber dem Schattenkönig auch 3 Sterne zugestehe, obwohl er mich weit stärker gequält hat, werde ich hier wohl aufrunden. Die Bewertungsskala müsste einfach ein paar mehr Sterne haben, um gerecht sein zu können.