FAZIT zu "Der Zauberer"

Circlestones Books Blog

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2018
1.411
4.441
49
72
Wienerin auf Rügen
www.circlestonesbooks.blog
Also: zusammenfassend: Für mich nicht Nur ein guter Roman, sondern auch eine interessante Quelle zum Leben Thomas Manns. (immer bewusst, dass es hier Fiktion ist!)
Wenn man die lange und treffende Liste der Quellenangaben liest, sehe ich das genau so, man erfährt viel über den Schriftsteller und auch Menschen Thomas Mann. Zu seinem inneren Zwiespalt in seiner Haltung zu Deutschland, er hofft doch nach dem ersten Weltrkieg, dass ein neues Deutschland unter der Idee der Humanität entstehen könnte und ich hatte den Eindruck, dass er auch nach dem zweiten Weltkrieg einfach nicht wollte, dass Deutschland, das wohl immer auch Heimat für ihn war, und die deutsche Kultur vernichtet und ausgelöscht werden, trotz allem.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.187
49
Ich habe mir erstmal nur die Buddenbrooks besorgt, aber deine Auswahl reizt zum nachahmen. ;)
Ich hätte dir zum Einstieg genau die Buddenbrooks empfohlen. Ein herrliches Buch in wunderbarer Sprache! Keinen Moment langweilig.
Der Zauberberg hat so seine Längen, wenn man es nicht sehr mit philosophischen Streitgesprächen hat. Wenn es soweit ist, schau unbedingt in unsere Weltliteraturrunde hinein. WR verliert zum Glück nix;)!
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.245
18.662
49
48
Der Titel meiner Rezension zu dem Buch wird lauten "Der Zauberer beherrscht sein Metier". Will heißen: selten hat mir ein biografischer Roman mehr Input, mehr Details etc. über einen Menschen gegeben als es Colm Toíbin mit "Der Zauberer" getan hat.
Mir war das meiste (oder fast alles) bzgl. Thomas Mann unbekannt. Angefangen von den vielen (auto-)biografischen Bezügen in seinen Romanen, über die sechs Kinder bis hin zu seinen politischen Ansichten. Ich wusste auch nicht, dass er den Krull so spät in seinem Leben geschrieben hat.
Mir hat der Witz, die Sprache, das Gesamtpaket so gut gefallen, dass ich nichts anderes als 5 Sterne zücken kann. Und der BuB wird demnächst neu vermessen werden müssen.
Großartiges Buch!
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Dann fasse ich auch mal zusammen:

Ich hatte mich schon vorher mehrfach mit den Manns befasst. Uns Deutschen ist die Familie an sich eigentlich gut bekannt. Es gibt Filme, jede Menge Biografien, Unterrichtsstunden in der Schule usw. Insofern habe ich gar nicht so viel Neues erfahren. Aber das laste ich dem Autor natürlich nicht an, der für ein breites, internationales Publikum schreibt. Der Roman ist ohne Vorkenntnisse verständlich und umfassend. Und auch diejenigen, die Mann schon kennen, langweilen sich beim Lesen nicht. Zudem macht das Buch Lust, die Werke der Familie neu oder wieder zu entdecken.

Das Bild, das der Roman von den Familienmitgliedern vermittelt, wirkt sehr authentisch. Wünschenswert wäre ein Nachwort dazu gewesen, was der Ire hinzugedichtet hat. Durch die Danksagung, die fast nur ein Quellenverzeichnis ist, wissen wir aber immerhin, dass er umfangreich recherchiert hat.

Den Schreibstil finde ich gut. Er passt einfach wie die Faust aufs Auge. Und an die verschachtelten Sätze gewöhnt man sich schnell.

Wie @Literaturhexle tue ich mich mit den homoerotischen Passagen etwas schwer, weil mir diese zu viel Raum einnehmen und ich ebenfalls bezweifle, dass diese Dinge tatsächlich so passiert sind. In diesem Punkt schießt Toíbín meiner Ansicht nach über das Ziel hinaus. Diese Ausführlichkeit ist mir außerdem zu langatmig. Vielleicht würde ich mich damit eher aussöhnen können, wenn der Autor das eingeordnet hätte.

Alles in allem habe ich den Roman gerne gelesen und kann ihn auch weiterempfehlen. Ob es allerdings volle fünf Sterne werden, weiß ich noch nicht. Ich gehe noch mal in mich.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.408
23.976
49
66
Ich bin mit dem Werk und dem Leben von Thomas Mann und seiner Familie vertraut. Die „ Buddenbrooks“ habe ich bestimmt dreimal gelesen, den „ Zauberberg“ in einem Seminar ausführlich diskutiert, den „Felix Krull“ und die meisten seiner Erzählungen kenne ich ebenfalls. Dazu kommen Bücher über Katia Mann, Heinrich Mann und die Familie Mann, Bücher von Klaus Mann und natürlich die Fernsehserie von Heinrich Breloer. Das schreibe ich nicht, um anzugeben, sondern um auszuführen, das ich das meiste wusste, von dem Colm Tóibín schreibt Trotzdem oder vielleicht deshalb habe ich das Buch mit Begeisterung gelesen. Es hat im Großen und Ganzen das Bild, das ich von Thomas Mann hatte, bestätigt. „ Der Zauberer“, ein Roman, den ich gerne weiterempfehlen und verschenken kann.
Der Austausch hier war wie immer sehr intensiv und aufschlussreich.
Vielen Dank dafür und für das Buch!
Hier meine Rezension:
https://whatchareadin.de/community/...-zu-der-zauberer-roman-von-colm-toibin.28310/
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.557
16.329
49
Rhönrand bei Fulda
https://whatchareadin.de/community/...berer-roman-von-colm-toibin.28311/post-122926

Hier meine Rezi, natürlich auch 5 Punkte.
"Lust auf Mann" - ich dachte die ganze Zeit an diese Zeile aus Hamlet, als Hamlet sagt "ich habe keine Lust am Manne" .... :D
Jedenfalls reizt das Buch wirklich sehr zur Weiterbeschäftigung mit den Themen, ich habe die Biographie über Alma Mahler-Werfel angefangen, die schon länger hier liegt, und auch mit Manns Novellen. Dickes Dankeschön für dieses Buch und die lebhafte Leserunde.
 
G

Gelöschtes Mitglied 7863

Gast
Ich habe jetzt nicht alles gelesen, aber ich hatte mich gefragt, warum sich Tóibín ausgerechnet mit Thomas Mann beschäftigt oder, besser gesagt, warum sich ausgerechnet Tóibín mit Mann beschäftigt. Die verlinkte Rezension aus dem Guardian gibt darüber Auskunft. Kurz zusammengefasst: Der andere Schriftsteller, den Tóibín verehrt, ist Henry James (mit "The Master", dt. Porträt des Meisters in mittleren Jahren), und er sieht auch die Parallelen in beider Schreibstil.


Dazu auch:

Hier wollte ich Tóibíns Buch über Henry James verlinken, leider erfolglos.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.557
16.329
49
Rhönrand bei Fulda
Dazu auch:
Danke für diesen Link! Ich bin weder Literaturwissenschaftlerin, noch habe ich ein explizites Interesse an der sexuellen Orientierung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, deren Werk ich lese. Aber zu diesem Absatz möchte ich doch gern etwas sagen:

Wie kann man jemanden als schwul bezeichnen, wenn – wie im Falle Gogols – keinerlei direkte Beweise dafür vorliegen? Doch wenn man Gogols Erzählungen mit entschlossener Ausdauer und einem engmaschigen Schleppnetz abfährt, wird man eine verborgene Welt von Zeichen und Momenten, Ängsten und Vorurteilen zutage fördern, die als Indizien für seine Homosexualität gedeutet werden können.

Ohne mich jetzt mit Gogol näher befasst zu haben (ich habe auch über ihn eine Romanbiographie, sollte sie wohl mal wieder hervorholen!) - ich halte eine solche Spurensuche zwar für sinnvoll, aber nicht unbedingt mit dem Ziel, Gogol oder wen auch immer endgültig als schwul eiinzuordnen. Könnte es nicht doch eher so sein, dass Leute, die sich dem Erzählen verschrieben haben, genauer beobachten, feinere Antennen für das Unbewusste oder Halbbewusste haben - und sich der sexuellen Ambivalenz, die in (mindestens fast) jedem von uns schlummert, annehmen, wie jeder Ambivalenz überhaupt? Das Ungesagte zu sagen, bzw. "sagbar" zu machen, ist die Aufgabe des Schriftstellers. Hier unbedingt ein "nicht so, sondern so" herausdestillieren zu wollen, halte ich für den falschen Weg.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.408
23.976
49
66
Ich habe jetzt nicht alles gelesen, aber ich hatte mich gefragt, warum sich Tóibín ausgerechnet mit Thomas Mann beschäftigt oder, besser gesagt, warum sich ausgerechnet Tóibín mit Mann beschäftigt. Die verlinkte Rezension aus dem Guardian gibt darüber Auskunft. Kurz zusammengefasst: Der andere Schriftsteller, den Tóibín verehrt, ist Henry James (mit "The Master", dt. Porträt des Meisters in mittleren Jahren), und er sieht auch die Parallelen in beider Schreibstil.


Dazu auch:

Hier wollte ich Tóibíns Buch über Henry James verlinken, leider erfolglos.
Beide, Mann und James waren homosexuell, konnten ihre Neigung aber nicht leben. Im Gegensatz zu Toibin. Ihm ging es , glaube ich, darum, zu ergründen, welche Auswirkungen diese nicht gelebte Sexualität auf Leben und Werk hat. Die sèxuelle Orientierung eines Schriftstellers ist eigentlich nicht relevant für das Werk. Wenn aber jemand sich permanent verstellen muss, elementare Bedürfnisse unterdrücken muss, hat das Auswirkungen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 7863

Gast
Beide, Mann und James waren homosexuell, konnten ihre Neigung aber nicht leben. Im Gegensatz zu Toibin.
Das wusste ich zwar, habe aber irgendwie nicht die Verbindung hergestellt, und auch der Guardian-Artikel konzentriert sich ja auf den ähnlichen Schreibstil, ohne ihn wirklich zu erklären.